Kia Niro 1.6 GDI & Renault Capture E-Tech im Test

Kia Niro 1.6 GDI gegen Renault Capture E-Tech
Hybrid-Crossover im Effizienz-Duell

Wir wissen ja, dass unsere Leser auch die Bildsprache ihres Lieblingsmagazins schätzen. Deshalb machen sich unsere Fotografen schon während des Ablichtens der Autos ihre Gedanken, wie die Bilder anschließend im Heft-Layout aussehen. Rein virtuell im Kopf, ganz ohne KI, aber angepasst an die Papierqualität. Oft genug klingelt daher vor dem ersten Büro-Kaffee das Telefon: "Wer ist der Hero? Der Captur oder der Niro ? Ich nehm mal den Renault nach hinten, sonst versinkt der stumpf lackierte Niro komplett im grauen Asphalt. Passt?" Antwort: "Passt. Ach, und bitte mach noch ein Bild vom Energiefluss im Renault – okay?" Keine Antwort. Klar, aufgelegt. Die Sonne scheint, da ist keine Zeit für Kaffeetratsch. Aber der kurze Call hat sich gelohnt. Der grün-schwarze Kia kommt auf dieser Seite gut raus, und doch sticht der Renault in voller Farbenpracht hervor.

Das passt wiederum bestens, denn er ist hier der Hero, weil neu. Nicht komplett, aber umfassend modifiziert. Markantere Front und innen eine komplett neue Cockpitstruktur samt modernem Entertainment. Topmodell und begehrt – Verkaufsanteil rund 30 Prozent – war bislang die Vollhybrid-Variante mit 143 PS Systemleistung. Aus diesem Grund tritt auch der aktuelle Testwagen mit diesem Antrieb an. Und natürlich in seinem schönsten (und neuen) Dress als Esprit Alpine für 32.750 Euro. Eine stattliche Summe, das Basismodell ist fast 10.000 Euro günstiger.

Kia Niro wird schnell teurer

Der Kia Niro ist schon seit zwei Jahren auf dem Markt und als Hybrid, Plug-in oder (noch) als E-Auto bestellbar. Preislich liegt die 129 PS starke HEV-Ausführung mit 32.790 Euro auf dem Level des Renault Captur. Allerdings nur rein theoretisch, als Spirit kostet er mindestens 5.400 Euro mehr. Hinzu kommt, dass Kia Optionen wie Head-up-Display, in der Neigung verstellbare Rücksitzlehnen, LED-Lesespots oder ein Glasschiebedach in Paketen bündelt und an die Spirit-Linie koppelt. Frech? Aber ja, und entsprechend erhält der Kia in der Kostenwertung beim Testwagenpreis eine Klatsche, die er aber mittels seiner siebenjährigen Garantie wieder geradezieht.

Immerhin zählen alle relevanten Fahrassistenzsysteme zum Serienumfang, und der Kunde bekommt wahrlich viel Auto für sein Geld. Man sieht es dem Koreaner nicht an, aber in der Länge überbietet er den knuffigen und höheren Renault um 18 Zentimeter. Insbesondere die Fondpassagiere profitieren von den Abmessungen, denn die Beinfreiheit ist fürstlich, und für eine bequeme Rückbank war auch noch Platz.

Ist die erwähnte Lehnenverstellung an Bord (Stichwort P4, Relax-Paket für 1.290 Euro), steigert sich der Sitzkomfort weiter. Darin ebenfalls enthalten: 230-Volt-Steckdose, Sitzheizung hinten und ein Relax-Beifahrersitz mit Liegeposition, der jedoch eher in der langsam ladenden E-Variante des Niro Sinn ergibt. Sei’s drum.

Komfort im Renault Captur? Selten

Der Renault Captur E-Tech full hybrid 145 kann mit derlei Nettigkeiten nicht dienen. Wohl aber mit einer um 16 Zentimeter längsverschiebbaren Rückbank, die im Vergleich zum Kia Niro 1.6 GDI Hybrid knapper geschnitten ist. Selbst wenn der Renault in puncto Kopffreiheit (trotz Schiebedach, dank einer tiefen Ausbuchtung) kaum weniger Spielraum bietet, reist man im Kia behaglicher.

Zumal der geliftete Franzose trotz modifiziertem Fahrwerk dermaßen nonchalant federt und dämpft, dass sich sein Reisekomfort nahezu in jeder Situation in Grenzen hält. Wenig Zustimmung erhält auch die unpräzise, diffuse Lenkung. Das konnte der Renault Captur schon mal besser. Ob es an den 19 Zoll großen Michelin e-Primacy (Serie beim Esprit Alpine) im Format 225/45 liegt? Wird sich mit künftigen Tests anderer Varianten klären.

Der merklich weicher abgestimmte und zaghaft lenkende Kia gibt sich da diplomatischer und spricht gefühlvoller an. Stöße durch geflickte Straßen dringen kaum durch. Obendrein kippelt er weniger und hält seinen Aufbau spürbar ruhiger.

Kia Niro verpackt viel mehr Gepäck

Sobald es um den Gütertransport geht, ist der Kia Niro ebenfalls besser aufgestellt. Mit 451 versus 326 Litern verträgt der Kia viel mehr Gepäck. Bei umgeklappten Lehnen liegt der Unterschied sogar bei rund 170 Litern – das kann in dieser Klasse schon kaufentscheidend sein. Schade nur, dass die dünne faltbare Gepäckraumabdeckung wie eine Notlösung wirkt. Der Renault tritt mit seiner festen Hutablage solider auf. Lob verdienen auch die mit Teppich abgedeckten Radhausverkleidungen und das große Unterbodenfach plus variabler Platte. Der Niro 1.6 GDI Hybrid belässt es da bei drögeren Verkleidungen.

Grundsätzlich enttäuschen beide Hybride mit einem hohen Anteil an harten Kunststoffen – auch in Griffweite in der ersten Reihe. Dass die Testwagen nicht total blass dastehen, verdanken sie nur den hochpreisigen Ausstattungslinien. Bestes Beispiel im Captur Esprit Line sind die genarbten Stoffe auf dem Armaturenbrett, die Kunstledersitze mit den blauen Ziernähten sowie die frei schwebende Mittelkonsole mit ihren drei gummierten Ablagen.

Das Highlight ist jedoch der blitzschnell reagierende und hochauflösende Touchscreen in Kombination mit der neuesten Android-Software und vielen Google-Diensten. Wenige Menü-Ebenen und große Tastsymbole erleichtern den Umgang im Alltag. Angenehm auch die digitalen, aber unverspielten Instrumente vor dem Fahrer inklusive eines wunderbar einfach gestrickten Bordcomputers und einer Direktwahltaste links vor dem Fahrerknie, um die Assistenzsysteme zu konfigurieren.

Weniger Farbe, mehr Tasten

Der Google-lose Kia treibt’s nicht ganz so bunt – weder bei den Instrumenten noch am flachen Touchscreen –, ist aber mittels Kia Connect ähnlich gut vernetzt. Nicht so gut gelöst: Die einzelnen Menü-Punkte des Infotainments, zusammengefasst auf einem Screen, sind farblich nicht zu unterscheiden. Ergo muss man genauer hingucken, am besten im Stand. Die Multi-Mode-Taste für die Klimaautomatik oder das Entertainment erfordert ebenfalls Übung. Aber es lohnt sich – mit einem Drehregler für den Kartenzoom kann nur der Kia, indes nicht der Renault dienen.

Als Antreiber aus dem Stillstand dient eine 32 kW starke E-Maschine, integriert in das Gehäuse des Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes. Das klappt in der Stadt bei gelassenem Fahrstil erfreulich gut. Geht der Strom zur Neige (nur 1,3 kWh Akkukapazität), muss der Verbrenner ran. Mit 93 PS ist der 1,6-Liter-Benziner gewiss kein Reißer – aber für den Alltag sollte die Leistung reichen. Über Land oder auf der Autobahn hilft der E-Motor bereitwillig mit. Zudem arbeiten die Aggregate harmonisch und ruckfrei zusammen. Doch der Kia Niro 1.6 GDI Hybrid kann noch mehr: Je nach Fahrmodus darf der Pilot mittels Lenkradwippen die Gänge manuell wechseln (Sport) oder die Rekuperationsstärke in vier Stufen variieren (Eco).

Derartige Finessen sind beim Captur nicht vorgesehen. Mehr als die übliche Automatik-Verstellung via Hebel auf "B" erlaubt der Renault nicht. Wobei die gebotene Verzögerung dann fast schon auf dem Level eines One-Pedal-Betriebs liegt. Sprich: Ist der Hebel einmal gezogen, wippen die Köpfe beim Gaswegnehmen unvermittelt überrascht vor. Praktische Ergänzung: die neue E-Save-Taste links vom Lenkrad. Mit ihr lässt sich Energie (ebenfalls 1,3 kWh im Akku) für leise Fahrten reservieren.

Keine Empfehlung für lange Autobahnetappen

Alles andere übernimmt eine Automatik, die über vier Gänge für den Benziner (94 PS) und deren zwei für die E-Maschine (36 kW) verfügt. Ähnlich dem Kia klappt die Leistungsentfaltung meist harmonisch, allerdings durchmischt mit zögerlichen Schaltvorgängen. Darüber hinaus springt – gefühlt grundlos – hin und wieder der Verbrenner an, generiert auf einem erhöhten Drehzahlniveau brummig Energie und verstummt wieder.

Soll es richtig vorangehen, wäre der Renault Captur E-Tech full hybrid 145 dennoch die bessere Wahl. Auf 100 km/h eilt er in 10,3 Sekunden. Im Gegensatz zum Kia müht er sich tapfer auf 170 km/h. Allerdings beschwert sich der Saugbenziner mit lautstarkem Getöse über derlei Geschwindigkeiten.

Bei allem Verständnis für effiziente Motoren – für längere, gar nicht mal rasante Autobahnetappen verdienen die Crossover keine Empfehlung. An der Zapfsäule herrscht dagegen wieder bessere Stimmung: Die hybriden Mobile bleiben knapp unter sechs Litern, mit leichten Vorteilen für den Renault. Entsprechend gebührt ihm das grüne Umweltsiegel.

In allen anderen Kapiteln schiebt sich jedoch der luftigere und harmonischere Kia nach vorne. Also: erster Platz. Damit passt am Ende die Reihenfolge auf dem Aufmacher-Foto zum finalen Vergleichstest-Ergebnis. Sauber gemacht.

Technische Daten
Kia Niro Hybrid SpiritRenault Captur Hybrid 145 Esprit Alpine
Grundpreis38.390 €32.750 €
Außenmaße4420 x 1825 x 1560 mm4239 x 1797 x 1576 mm
Kofferraumvolumen451 bis 1445 l326 bis 1276 l
Hubraum / Motor1580 cm³ / 4-Zylinder1598 cm³ / 4-Zylinder
Leistung69 kW / 93 PS bei 5700 U/min69 kW / 94 PS bei 5600 U/min
Höchstgeschwindigkeit154 km/h170 km/h
0-100 km/h11,1 s10,3 s
Verbrauch4,6 l/100 km4,7 l/100 km
Testverbrauch5,9 l/100 km5,8 l/100 km