Ein Luxuswagen sollte hitzige Gemüter bereits auf den ersten Kilometern kühlen, will er zu den Guten gehören. Unser Kia Niro Plug-in Hybrid aus der Kompaktklasse konnte das im Dauertest auch. Wie drückte es Kollege Stegemann aus: "Er sorgt für eine wunderbar sedierte Fahrweise." Was zum einen am völlig relaxten Atkinson-Benziner liegt, zum anderen an einem Ausstattungsdetail, welches sonst eher hochpreisigen und hochklassigen Modellen zu eigen ist – der Sitzkühlung.
Mögen nun einige hämisch grinsen: Wir bekennen uns dazu, an glutöfigen Sommertagen dieses Feature gerne genutzt zu haben. Überhaupt brachte der Testwagen in der Linie Spirit (ab 38.450 Euro) am 30. Juli 2018 reichlich Nettigkeiten in unseren Fuhrpark, darunter Lenkradheizung (zweiter Lacher), Rückfahrkamera, Navigationssystem, JBL-Anlage und Parksensoren rundum. Und eben das Lederpaket (1.490 Euro) mit Sitzkühlung.
Dank des ausgewachsenen Radstands von 2.700 Millimetern lässt es sich selbst zu viert verträglich auf Reisen gehen – solange man sein Gepäck dem nicht gerade ausufernden Kofferraum anpasst. Immerhin gibt es ein kleines Fach unter dem Ladeboden. Zudem liefert Kia gegen Aufpreis eine Anhängerkupplung, was unter Plug-in-Hybriden selten ist. Unser Niro hatte übrigens keine.
In die richtige Richtung marschiert der Kia beim Spritsparen. Mit voll aufgeladenem Akku fährt der Niro zunächst vorwiegend elektrisch, bis etwa 60 Kilometer zurückgelegt sind. Dabei stehen geradezu verführerisch niedrige Benzinverbräuche auf dem Bordcomputer. Doch selbst wenn das Strompolster aufgebraucht ist, lässt sich der Kompaktwagen weiter sehr sparsam bewegen.
Der Akku blieb fit

Bis zuletzt zeigte der Akku keine Vergreisung, saugte laut Bordcomputer den Strom für rund 60 Kilometer ein – obwohl wir ihn jeden Tag an der Dose hatten. Wer zu Hause und am Arbeitsplatz eine Wallbox zur Verfügung hat, dürfte mit minimalen lokalen Emissionen pendeln.
Laut Rechenbeispiel von 15.000 Kilometern pro Jahr – hiervon 10.000 rein elektrisch – ergibt sich ein Verbrauch von 1,5 Litern auf 100 Kilometer sowie 11,2 kWh; insgesamt entspricht das sehr niedrigen 7,8 Cent pro Kilometer – günstiger fuhr bislang keiner unserer kompakten Dauertester. Loben wollen wir auch, dass wir nie Öl nachfüllen mussten; andererseits hat es die Werkstatt ungewöhnlich häufig gewechselt.
Kein wirkliches Problem – das bereitete stattdessen die Ladebuchse: Sie verweigerte gleich zu Beginn mehrfach den Dienst und wurde später gegen eine verbesserte Version getauscht. Bei diesem Defekt sollte es zwar bleiben, doch schon er sorgt dafür, dass der Kia in der Mängeltabelle seiner Klasse nur Fünfter ist.
Unbehagen rief der Verbrenner bei einigen Fahrern hervor. Der etwas schläfrige Vierzylinder reizt nicht gerade zum Gasgeben. Ohne die Unterstützung der E-Maschine mit 45 kW hat es der 105 PS leistende Direkteinspritzer-Saugbenziner mit dem 1.578 Kilogramm wiegenden Testwagen merklich schwer.
Benziner hilft ungewollt

Auf Kick-down folgt viel Gebrüll und wenig Vortrieb. Das liegt unter anderem am Atkinson-Prinzip mit seiner eigenwilligen Steuerung der Einlassventile. Dies senkt den Verbrauch – und auch das Temperament. Zu den Nachteilen des Verfahrens gehören ein schwaches Anfahrdrehmoment sowie gehemmte Drehfreude.
Noch aus einem anderen Grund haderten einige Kollegen mit dem Hybridsystem. Zwar wechselt der Niro per Tastendruck scheinbar in den sogenannten EV-Modus, doch vorbehaltlos elektrisch will das Vehikel dann nicht dahinsurren. Häufig, unvermittelt und vor allem ungefragt springt der Benziner zu Hilfe – etwa dann, wenn sich Heizung oder Klimakompressor zuschalten. Hier würden wir uns eine echte Wahlmöglichkeit für vorbehaltloses E-Fahren wünschen. Und die Möglichkeit, E-Power für Stadtetappen vorzuhalten.
Zudem bedauerten einige Kollegen, dass der Abstandstempomat nicht bis zum Stillstand herabbremst, etwa beim Pendeln im Berufsverkehr. Diesbezügliche Bitten wurden von Kia erhöht: Der vermisste Stauassistent mit Stop-and-go-Funktion kam beim Facelift 2019.
Nach wie vor auf dem Wunschzettel steht eine weniger stolperige Fahrwerksabstimmung, von der die prinzipiell guten Anlagen zum Langstreckenläufer weiter profitieren würden. Wenn die Ingenieure schon zugange sind: Bitte die Vorderachse untersuchen – im letzten Viertel der Dienstzeit drangen gegen Ende lauter werdende Knarzgeräusche in den Innenraum, welche die Werkstatt nicht lokalisieren konnte.
Beobachtung verlangte auch das Getriebe: Es schaltete zunächst unauffällig und ohne merkliches Geruckel. Letzteres wurde erst mit hoher Laufleistung von feinfühligen Fahrern bemerkt – ein Phänomen, welches sich schon bei Doppelkupplern von VW zeigte. Auch das ist kein bewertungsrelevanter Defekt und fließt folglich auch nicht in unsere Statistik ein – ebenso wenig ein Marderschaden am Kühlsystem.
Zwiegespalten zeigte sich die Heizanlage bezüglich der Frontscheibe. Diese blieb nicht beschlagfrei, obwohl ihre Entfrostung schnell und zuverlässig funktionierte. Ungeteiltes Lob gab es dagegen für die gute Übersichtlichkeit, die einfache Bedienung auch über die Lenkradtasten, die Soundqualität der JBL-Anlage, das nutzbare Volumen der Box in der Mittelarmlehne, die hohe Reichweite (Tank plus voll geladener Akku) und den Totwinkelassistenten.
Negativ? Die zu weit nach vorn reichenden Kopfstützen. Außerdem wurden nach langen Reisen Komfortmängel im Bereich der Lordosenstütze ins Fahrtenbuch notiert. Ebenso der ACC-Automat, der mal deutlich zu viel, dann wieder erschreckend wenig Abstand zum Vordermann hielt. Und das Gepäckrollo, welches sich nur mit großer Fummelei aus- und einbauen ließ.
Sollte darüber allerdings der Blutdruck in Wallung geraten, so reicht es aus, sich in den Niro zu setzen, die Sitzbelüftung zu aktivieren, ein bisschen dahinzustromern – und alles wird gut. Schade, dass unser rollender Ruhepol den Fuhrpark verlassen muss, wir hatten uns schon richtig an ihn gewöhnt. Wegen, genau, seiner wunderbar sedierenden Art.
Mängelindex

Weil die Ladebuchse außerplanmäßig getauscht werden musste, landet der Niro auf Rang fünf der Mängelliste. Seine Kilometerkosten sind allerdings konkurrenzlos niedrig: So günstig wie er fuhr noch kein Kompaktwagen durch unseren Dauertest.
Stärken und Schwächen

Vor allem begeistert der niedrige Verbrauch des Kia Niro PHEV. Und wir wären auch voll des Lobes über das elektrische Fahren, wenn es denn vorbehaltlos ginge. Es gibt zwar einen EV-Knopf, doch der dahintersteckende Algorithmus erlaubt sich, den Verbrenner selbst bei nur sachtem Gasgeben zuzuschalten – etwa im Winter, wenn geheizt werden muss. Oder im Sommer, wenn die Klimaanlage anspringt.
Kia Niro Plug-in Hybrid Spirit | |
Grundpreis | 40.490 € |
Außenmaße | 4355 x 1805 x 1545 mm |
Kofferraumvolumen | 324 bis 1322 l |
Hubraum / Motor | 1580 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 77 kW / 105 PS bei 5700 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 172 km/h |
0-100 km/h | 10,3 s |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km |
Testverbrauch | 6,0 kWh/100 km |