Nein, das ist trotz der neuen Besitzverhältnisse bei Chrysler nicht einmal ansatzweise ein Fiat. Der Auftritt des neuen Jeep Grand Cherokee sagt es überdeutlich: Ich bin ein Amerikaner.
Grand Cherokee mit viel Platz
Einer von der klassischen Sorte: groß, ehrfurchtgebietend. Die Motorhaube des Jeep Grand Cherokee wölbt sich in einer Höhe, dass die Kontrolle des Ölstands zu einer Streckübung wird. Rund sieben Zentimeter mehr Länge und Breite sowie vier Zentimeter mehr Höhe ergeben Maße, mit denen die bei den Vorgängern noch in Ansätzen vorhandene Zierlichkeit ad acta gelegt wird. Hier steht ein Truck, der mit seinem mächtigen Kühlergrill und der hohen Gürtellinie aussieht, als hätte er ein Hummer werden wollen.
Doch Upsizing hat auch Vorteile. Das Raumangebot des Jeep Grand Cherokee ist generös, selbst im Fond. Und der Kofferraum schluckt bei Bedarf respektable 782 Liter, obwohl sich unter seinem Boden noch ein vollwertiges Reserverad verbirgt.
In den Jeep Grand Cherokee setzt man sich nicht hinein, man muss ihn erklimmen, was meist mit verschmutzten Beinkleidern endet. Nach dieser Prozedur sitzt man dann sehr bequem und blickt auf ein Interieur, das so gar nicht amerikanisch anmutet. Bei Materialauswahl und Verarbeitung gelang ein großer Schritt in Richtung Premium-Europa, was ja auch kein Wunder ist angesichts des langjährigen Ehepartners aus Stuttgart.
Zum Verkaufsstart des Jeep Grand Cherokee in der Alten Welt gibt es nur die Top-Ausstattungslinie Overland mit feinem Leder und holzverziertem Armaturenbrett. Der Preis bewegt sich auf dem Niveau von Mercedes M-Klasse und BMW X5, aber im Gegensatz zu diesen Platzhirschen muss man sich im Jeep Grand Cherokee über teure Optionen keine Gedanken machen. Im Overland ist alles drin, was das Herz begehrt, womit sich gegenüber den deutschen Edelprodukten ein Preisvorteil von mindestens 20 Prozent errechnen lässt.
Komplette Geländewagentechnik an Bord
Trotzdem bekommt man im Jeep Grand Cherokee ein Technikpaket, wie es eines Jeep würdig ist. Den Weg zum modischen Dynamik-SUV mag die Traditionsfirma nicht beschreiten. Auch der jüngste Jeep Grand Cherokee hat deshalb die komplette Geländewagen-Technik: permanenter Allradantrieb mit zentralem Differenzial, zweistufiges Verteilergetriebe für das ganz schwere Geläuf. Prinzipiell stellt das einen Jeep-Altklassiker dar, aber jetzt gibt es natürlich eine elektronische Regelung, die dem Differenzial sagt, wie es die Kraft zu verteilen hat. Und gleichzeitig noch Einfluss nimmt auf das Ansprechverhalten des Motors und die Schaltcharakteristik des Automatikgetriebes. Der Jeep Grand Cherokee-Fahrer muss nichts anderes tun, als mit einem Knopf auf der Mittelkonsole das entsprechende Fahrprogramm vorwählen.
Jeepgemäßes Können abseits der Straße ist damit gesichert, auch wenn andere Traditions-Bestandteile der Marke Abschied genommen haben. Der Grand Cherokee trägt keine Starrachse mehr mit sich herum, sondern moderne Einzelradaufhängungen. Die ganz konservativen Jeep-Boys mögen da aufschreien, aber der Sache tut das gut. Denn der unbestreitbare Vorteil der starren Achse im gröbsten Geröll-Einsatz würde bei weitem aufgehoben durch die Nachteile auf der Straße.
Reisen steht im Vordergrund
So gute Fahreigenschaften wie dieser Jeep Grand Cherokee bot keiner seiner Vorfahren. Sportlichen Habitus freilich sollte man nicht erwarten: Das ist ein 2,3-Tonnen-Brocken, der seine Fettleibigkeit nicht wirklich kaschieren kann. Er lenkt sich exakt, kennt aber die Vokabel Handlichkeit nur vom Hörensagen, wozu auch die wegen der voluminösen Dachsäulen eingeschränkte Übersicht und das unförmig dicke Lenkrad beitragen.
Ein Kreuzer zum Cruisen also, der sich bei den Fahrtests keine sicherheitsrelevanten Patzer leistet und auch bei der Bremsprüfung sehr gut abschneidet. Ruhiges Reisen steht im Jeep Grand Cherokee im Vordergrund. Dafür hätte die Abstimmung der Federung des Jeep Grand Cherokee noch ein wenig geschmeidiger ausfallen können. Speziell mit den auf dem Testwagen montierten 20-Zoll-Rädern wirkt das Abrollen auf kurzen Unebenheiten holprig. Lange Wellen absorbieren die Schraubenfedern dagegen mit der gebotenen Souveränität.
Die eher straffe Abstimmung des Jeep Grand Cherokee lässt den Seitenblick auf den europäischen Markt erkennen. Umso unverständlicher erscheint, dass der Jeep ausschließlich mit Benzinmotoren startet. Die Basis bildet ein ganz neuer V6, schulbuchmäßig mit 60 Grad Zylinderwinkel – genauso wie der aktuelle Mercedes-Sechszylinder.
Schluckfreudiger Benziner
Mit ihrer hohen Laufkultur macht diese Maschine einen guten Eindruck – aber für den Euro-Einsatz in einem großen SUV ist sie nicht am richtigen Platz. Leichtfüßiges Drehvermögen bis weit über 6.000/min und erst ab 4.000/min nachdrücklich einsetzender Beschleunigungsschub sind da kaum die richtigen Charakteristika.
Dass es derzeit nur eine Fünfgangautomatik mit weit gespreizten Gängen für den Jeep Grand Cherokee gibt, macht die Sache nicht besser. Für amerikanischen Freeway-Betrieb mag das okay sein, aber wer zügig auf Autobahnen unterwegs ist, sieht sich mit häufigen Schaltvorgängen konfrontiert und nutzt oft die Gänge drei und vier – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Verbrauch.
Elf bis zwölf Liter lassen sich machen, realistisch sind jedoch eher 14 bis 15. Da liegt es nahe, auf den ebenfalls neuen Diesel zu warten, der im kommenden Frühjahr auf den Markt kommt. Bis dahin, sorry, können wir den ansonsten in vielen Punkten erkennbaren Fortschritt noch nicht mit mehr als drei Sternen honorieren.
Jeep Grand Cherokee 3.6 V6 Pentastar 4x4 Overland | |
Grundpreis | 63.100 € |
Außenmaße | 4828 x 1943 x 1802 mm |
Kofferraumvolumen | 782 bis 1554 l |
Hubraum / Motor | 3604 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 210 kW / 286 PS bei 6350 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 206 km/h |
0-100 km/h | 9,6 s |
Verbrauch | 13,8 l/100 km |
Testverbrauch | 15,1 l/100 km |