Punkt 10:00 Uhr mussten am Eröffnungstag die meisten Besucher die Autoshow in Detroit (NAIAS: North American International Auto Show) verlassen. Nur noch ausgewählte Gäste durften bleiben – schließlich schaute zu diesem Zeitpunkt US-Präsident Joe Biden auf der Messe vorbei. Seine Demokratische Partei gilt als Retter der US-Autoindustrie, seit Bidens Vor-Vorgänger Barack Obama die Folgen der Finanzkrise 2007 für den vor dem Kollaps stehenden Industriezweig mit Hilfspakten massiv abgemildert hatte. So bekam der seit Anfang 2021 zu Stellantis gehörende Chrysler-Konzern 12,3 Milliarden Dollar, General Motors durfte sich sogar über 49,5 Milliarden freuen – nur Ford zog sich seinerzeit selbst wieder aus dem Finanzsumpf. 2,63 Millionen Arbeitsplätze und 105 Milliarden an Steuereinnahmen sollen Obamas Hilfspakete damals für die USA gerettet haben. Dass haben die im Norden der USA größtenteils gewerkschaftlich organisierten Autoindustrie-Mitarbeiter bei ihrer Wahlstimmen-Abgabe nicht vergessen. Und Biden auch nicht: Seine Rede auf der Auto Show ist ganz klar Wahlkampf: Er lobt die Gewerkschaften und preist sie als Keimzelle des US-Mittelstands. Bei seinem Messerundgang macht er bei einer Corvette Z06 Station – der weltweit anerkannte Mittelmotor-Sportwagen ist ein gutes Aushängeschild für den Autoindustrie-Standort USA.
Downtown Detroit ist wieder schick
Das die Autoindustrie in den USA wieder der Zukunft zugewandt ist, zeigt auch das Zentrum von Detroit – deutlich. Während in Downtown Detroit vor sieben Jahren noch viele der schicken alten Wolkenkratzer leer standen, die Straßen ganz selbstverständlich von Schrottautos gesäumt waren und die ehemalige Michigan Central Station kurz vor dem Einsturz stand, ist die Innenstadt jetzt Hipster-fähig. Sämtliche Gebäude im Zentrum sind renoviert und mit Leben gefüllt. An den Straßen stehen moderne Autos in guten Zuständen und aus der einsturzgefährdeten und von Obdachlosen bewohnten Michigan Central Station hat Ford ein modernes Bürogebäude gemacht, in dem es wieder Strom, fließend Wasser und Fensterscheiben gibt. Aus alten Fabrikgebäuden im Großraum Detroit haben junge Enthusiasten inzwischen Bars und Party-Locations gemacht – allerdings gibt es auch weiterhin noch leerstehende alte Auto-Produktionsstätten. Mache Landmarken sind inzwischen verloren – so stürzte die legendäre Packard-Plant-Brücke, die zwei Packard-Fabriken rechts und links des East Grand Boulevards verbunden hat, Ende Januar 2019 ein. Aktuell rollt die Gentrifizierungswelle aber mit Macht über Detroit.
Auto Show mit großer Zustimmung
Gefühlt jeder Detroiter, mit dem man spricht, ist froh darüber, dass die Auto Show nach drei Jahren Pause zurück ist. Die Messe ist zwar nach wie vor klar auf den nordamerikanischen Markt ausgerichtet, aber die aktuellen Umwälzungen reißen auch die NAIAS mit. Das klassische Hinstellen von Autos auf Messeteppiche ist immer mehr Teil der Vergangenheit. Inzwischen muss eine Messe einen Festival- und somit einen Mitmach-Charakter haben. Also haben Ford, Jeep und Dodge riesige Indoor-Testparcours aufgebaut, vor denen sich lange Schlangen bilden. Während bei Dodge und Jeep Geländewagen ihre Fähigkeiten in Sachen Verschränkung, Steigfähigkeit und Kippwinkel beweisen müssen, fahren die Messebesucher bei Ford zusätzlich den rein elektrisch angetriebenen Pick-up F-150 Lightning – und sind von dessen Beschleunigung beeindruckt.
Elektroautos – aber nicht nur
Und elektrische Fahrzeuge gibt es auf der Messe jede Menge – insbesondere Chevrolet glänzt mit dieser Antriebsart. Hinzu kommt ein Start-up-Bereich, bei denen kleine Hersteller beispielsweise mittelgroße elektrische Lieferwagen zeigen. Nach dem Aus des deutschen Streetscooters scheint die Idee des elektrischen Postlieferwagens jetzt immer mehr Freunde zu finden. Trotzdem gibt es auch weiterhin jede Menge Messeautos mit V8-Verbrennungsmotoren und andererseits wiederum Studien zu autonomen Passagier-Drohnen. Sämtliche Technologien stehen auf der Messe dicht nebeneinander, was irgendwie ein Abbild der aktuellen Transport-Wirklichkeit ist.