Mercedes SL 63 AMG im Fahrbericht: Der ehrliche und steife Schwabe

1:21 Min. 13.09.2012

Mercedes SL 63 AMG auf dem Autosalon Genf 2012

Wer vor einem Mercedes SL 63 AMG steht, der will sich nicht lange mit der Theorie von im Kokillenguss-Verfahren hergestellten Aluminium-Komponenten, Kunststoff-Außenschalen, überarbeiteter Elastokinematik oder Marketing-Albernheiten wie dem Twin-Blade-Kühlergrill aufhalten. Zündschlüssel umdrehen, jetzt, sofort.

Nach einem kurzen, aber gewaltigen Bäuerchen flutet aus dem Vierfach-Endschalldämpfer des Mercedes SL 63 AMG jenes V8-Stakkato, das die Sport-Derivate mit dem Stern im Kühlergrill im aktuellen Zeitgeist viel zu schnell in die Proll-Ecke rückt. Dabei ist dieser wohlige Klang, den selbst die Achtzylinder-Meister jenseits des Atlantiks zu ihren besten Zeiten kaum vollendeter hätten komponieren können, absolut echt und unverfälscht – beteuert zumindest Friedrich Eichler, Leiter der Antriebsstrang-Entwicklung bei AMG. „Wir erzielen das Klangbild einzig durch die Konstruktion der Abgasanlage ohne aktive Hilfsmittel“. Schön.

Sanft bollernd, so, als ob immer eine kleine Gewitterwolke hinter ihm herflöge, startet der Mercedes SL 63 AMG. Kurz nach dem die neue Roadster-Baureihe vom Stapel lief, darf AMG bereits nachlegen – und der nochmals stärkere Mercedes SL 65 AMG scharrt bereits mit den Hinterrädern. Offenbar geht zwar einigen Regierungen finanziell die Puste aus, nicht jedoch einer stattlichen Anzahl an Privat-Kunden. Immerhin 157.675 Euro überweisen sie Mercedes – ohne Sonderausstattungen selbstverständlich.

In der Aufpreisliste für den Mercedes SL 63 AMG findet sich erwartungsgemäß das so genannte Performance Package für schlanke 14.280 Euro, das die Leistung des 5,5 Liter-Triebwerks um 27 auf 564 PS lupft. Und da nie ausreichend Drehmoment vorhanden sein kann, steigt es auch gleich um 100 auf 900 Newtonmeter. Dazu umfasst das Paket noch eine optisch fragwürdige Abrisskante aus Carbon, ein Hinterachs-Sperrdifferenzial sowie die Anhebung des Höchstgeschwindigkeits-Limits von 250 auf 300 Km/h.

Letzteres spielt bei der ersten Ausfahrt auf südfranzösischen Landstraßen eine ähnlich bedeutende Rolle wie Blutwürste im Ernährungsplan für Vegetarier. Auch das Drehmoment-Plus kann kaum erfühlt werden, denn so oder so springt der trotz strenger Diät noch immer rund 1,9 Tonnen schwere Mercedes SL 63 AMG seinen beiden Insassen direkt ins Kreuz. Mit ausgestreckten Beinen. Tief brodelnd und grollend wie ein blitzschnell anschwellender Gewittersturm tobt die jüngste AMG über die Bahn, egalisiert nahezu jeglichen Steigungsgrad und schnappt verblüffend gierig nach Kurven.

Mit um 40 Prozent steiferer Lager und erhöhtem Negativ-Sturz im Fahrwerk sowie direkter ausgelegten elektromechanischen Lenkung, suggeriert der Mercedes SL 63 AMG ein deutlich höheres querdynamisches Potenzial als das Basis-Modell. Ob dem Tatsächlich so ist, muss ein Test klären. Ebenso, ob er tatsächlich in 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h sprintet (mit Performance Package) und dennoch mit nur 9,9 L/100 km Kraftstoff auskommt.

Speziell der Verbrauch dürfte sich als höchst theoretischer Wert entpuppen, was jedoch weniger dem Hersteller als dem gültigen Homologations-Prozedere anzulasten wäre. Außerdem sollte der Theorie ja ohnehin nicht zu viel Zeit gewidmet werden, wenn bereits der Schlüssel für einen Mercedes SL 63 AMG in der Hosentasche steckt.

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