Mercedes-Fahrerinnen und -Fahrer können am Stuttgarter Flughafen das weltweit erste zertifizierte Automated-Valet-Parking-System nutzen – nicht nur in der absoluten Luxusklasse.
Am 9. Dezember 2021 erteilte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dem Autohersteller die Serienfreigabe für das Level-3-System Drive-Pilot. Es war ein Coup für die Schwaben im Bereich des autonomen Fahrens: Seitdem gilt Mercedes als weltweit erster Autobauer, der automatisierte Fahrzeuge auch abseits von Pilotprojekten und Testumgebungen auf die Straße schicken darf.
Ende 2022 folgte der nächste Streich. Seit dem 30. November 2022 hat Mercedes darüber hinaus eine Freigabe für ein Level-4-Fahrsystem bekommen. Mit dem Intelligent Park Pilot darf ein Serienfahrzeug komplett ohne Beisein eines Fahrers oder von Passagieren an Situationen im Straßenverkehr teilnehmen. Das gab es so noch nie. Alles zum Thema autonomes und automatisiertes Fahren finden Sie übrigens hier.
Doch wie so oft, wenn Technik und Gesetze aufeinandertreffen, handelt es sich auch bei der Freigabe des Intelligent Park Pilot um einen Kompromiss. Die Freigabe gilt vorerst nur für ein einziges Parkhaus in Deutschland: Das speziell ausgerüstete Apcoa Parkhaus P6 am Flughafen in Stuttgart, in dem Mercedes zusammen mit Bosch bereits vor einigen Jahren einen Pilotversuch mit der Technik ans Laufen gebracht hat.
Schon 2019 erhielten die beiden Stuttgarter Unternehmen die weltweit erste Ausnahmegenehmigung fürs Automated Valet Parking (AVP). Genauer für den Betrieb von Entwicklungsfahrzeugen ohne menschliche Überwachung im Alltagsbetrieb im Parkhaus des Mercedes-Benz Museums in Bad Cannstatt.
Damit das Auto in den Level 4-Modus wechselt und selbstständig seinen Parkplatz ansteuert, muss es an eine definierte Drop-off-Zone am Eingang des Parkhauses gebracht werden. Dort kann der Fahrer dann aussteigen und das Fahrzeug per Smartphone-App auf Parkplatzsuche schicken. Es fährt anschließend eigenständig durch das Parkhaus und rangiert in die Parklücke. Will der Fahrer das Parkhaus mit seinem Auto verlassen, ruft er es wieder per App und kann es an einer vordefinierten Pick-Up-Zone vorfahren lassen.
Besonders spannend: Anders als etwa der Drive Pilot, das Level-3-System von Mercedes für die Autobahn, setzt der Intelligent Park Pilot nicht auf die Fahrzeugsensorik für die Fahrmanöver. Stattdessen ist das Auto auf eine intelligente Infrastruktur angewiesen. Aus diesem Grund hat Bosch das Parkhaus mit knapp 200 Kameras ausgestattet, die jederzeit in Echtzeit ein Bild von der aktuellen Situation im Innern liefern.
Obwohl die Technik im Auto eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, blieb das automatisierte Parken nach SAE-Level 4 zunächst den beiden Topmodellen von Mercedes vorbehalten: dem EQS und der S-Klasse. Mitte August kündigte der Hersteller an, die Systeme ebenfalls auf seine eine Klasse tiefer angesiedelten Modelle auszurollen. Für die Elektro-Limousine EQE ist die Technik sofort verfügbar; auch die neue E-Klasse ist damit erhältlich, sobald die Auslieferungen starten.
Ein Parkhaus in einer mittelgroßen deutschen Metropole, und die Fahrzeuge eines Herstellers haben bislang eine Zertifizierung für Level 4 bekommen. Man möchte im ersten Moment fragen, ob das überhaupt eine Meldung wert ist. Bei näherer Betrachtung wird aber klar: Nicht das Parkhaus, das mit immensem Aufwand mit Technik vollgestopft wurde, oder die teuren Luxuslimousinen, die ein Software-Update erhalten können, um ferngesteuert ein paar Meter zum Parkplatz rangiert zu werden, sind die eigentliche News. Viel mehr steckt eine systemische Komponente dahinter.
Beim Rennen um die Krone des automatisierten Fahrens gab es seit jeher das Gerangel zwischen zwei Lagern: Den Verfechtern der intelligenten Infrastruktur und den Befürwortern der hochgerüsteten Fahrzeuge. Beide Varianten haben ihre Vor-, aber auch ihre Nachteile. Dass Mercedes nicht nur auf ein Pferd setzt, stimmt optimistisch. Denn am Ende ist meistens der im Vorteil, der nicht ausschließt, sondern sich die Kirschen von der Torte pickt.