US-Forscher nutzen Fahrdaten zur Demenz-Erkennung

Geriatrics Journal publiziert Studienergebnisse
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Fahrdaten zur Demenz-Früherkennung

Sicherheit Straßenverkehr kognitiv leistung Demenz studie © Tim Samuel / ams / Patrick Lang 15 Bilder

US-Forscher haben über mehrere Jahre Fahrdaten ausgewertet. Offenbar lassen sich daraus frühe Demenz-Stadien und etwaige leichte kognitive Störungen der Fahrer ableiten.

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Die Demenz ist ein Schreckgespenst unter den Krankheiten. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft leben aktuell 1,6 Millionen Betroffene in der Bundesrepublik, im Schnitt treten pro Tag bis zu 900 neue Fälle auf. Der Großteil davon entfällt auf Menschen, die älter als 65 Jahre sind. US-Forscher wollen nun Fahzeugdaten zur Früherkennung einsetzen. In einer ersten, zwischen 2015 und 2019 durchgeführten Studie beobachteten die Wissenschaftler rund 3.000 aktive Fahrer im Alter zwischen 65 und 79 Jahren. Bei 33 Probanden wurde im Verlauf der Studie eine leichte kognitive Störung diagnostiziert, bei 31 eine Demenz.

Zu 88 Prozent treffsicher

Die Genauigkeit der Vorhersage unter Einbeziehung von Fahrdaten in Relation zu demografischen Daten liegt laut der Publikation im Geriatrics Journal bei 88 Prozent. Insgesamt überwacht eine an Bord des jeweiligen Fahrzeugs installierte Black Box 29 unterschiedliche Variablen. Darunter die Anzahl der Gefahrenbremsungen, das Beschleunigungsverhalten, das Verhältnis von Lenkeinschlägen nach links und rechts, die Dauer pro Fahrt und die Anzahl der Fahrten mit Start- und Endpunkt am Wohnort. Gerade weil das Autofahren eine komplexe Handlung ist, die Reaktion, motorische Fähigkeiten und Vorausdenken erfordert, eignet sich das Auto laut Aussage der Forscher als Testumgebung.

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Autofahren ist eine komplexe Tätigkeit, die motorische und kognitive Fähigkeiten in Kombination erfordert. Störungen erhöhen das Unfallrisiko - doch jetzt könnten genau diese Störungen bereits frühzeitig erkannt werden, bevor es brenzlig wird.

Anlass für die Studie war ein voraussichtlicher Anstieg älterer Führerscheininhaber ab 65 Jahren in den USA auf bis zu 63 Millionen Menschen bis 2030 (aktuell 42 Millionen). Atypische Verhaltensänderungen in Fahrstil und -sicherheit wurden dabei als Schlüsselfaktoren für möglicherweise auftretende kognitive Beeinträchtigungen identifiziert. Beginnt ein Fahrer beispielsweise mit der Vermeidung von Nacht- oder Autobahnfahrten, verringert seine Durchschnittsgeschwindigkeit signifikant und nutzt das Auto nur noch für kurze Strecken in einem engen Radius um den Wohnort, könnte das ein Auftreten der genannten Krankheitsbilder ankündigen. Bei der Auswertung der rund 90.000 Datensätze stellte sich eine Kombination aus Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildungsstand und Fahrdaten als genauestes Vorhersage-Werkzeug heraus. Ohne die Daten aus dem Auto sinkt die Genauigkeit auf 53 Prozent.

Mehr Daten sammeln

Ziel der Studie ist es, durch eine validere Früherkennung das Gesundheits-Management des Landes zu verbessern. So können Pflegeplätze, Therapieangebote und Medikamentenproduktion zielgerichteter geplant und bereitgestellt werden. Allerdings bedarf es nun einer Ausweitung des Testfeldes, um noch genauere Ergebnisse zu erhalten. Die grundsätzliche Effizienz der Forschungsmethode an sich ist mit den vorliegenden Daten indes bereits bewiesen. Dass Autos künftig ohnehin mehr Daten erfassen werden, zeigt sich mit Blick auf jene Assistenzsysteme, die ab 2022 Pflicht werden sollen. Welche das sind, erfahren Sie in unserer Fotoshow.

Fazit

Das eigene Fahrverhalten permanent überwachen lassen, um auf die Gesundheit seines Geistes zu schließen – da müssen vermutlich nicht wenige schwer schlucken. Am Ende ist es jedoch im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, dass niemand am Steuer eines Autos sitzt, der gesundheitlich nicht mehr vollständig dazu in der Lage ist. Wenn eine verbesserte Früherkennung außerdem zu einem zielgerichteteren Umgang mit kognitiven Erkrankungen führt, sollte man der Forschung hier nicht nur mit Skepsis begegnen.

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