Taiwan-Krise: China wird zum Risiko für deutsche Autobauer

Die Taiwan-Krise und die Autoindustrie
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China - „Klumpenrisiko“ für deutsche Hersteller

China - „Klumpenrisiko“ für deutsche Hersteller © Luca Leicht 21 Bilder

China war für die deutsche Autoindustrie bislang ein Eldorado. Mit der jüngsten Eskalation der Taiwan-Krise treten Risiken mit Macht zutage. Was tun?

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Dass Politik und Wirtschaft nicht zu trennen sind, wissen wir schon lange. Generationen deutscher Kanzler pilgerten in Länder mit wachsenden Märkten, Wirtschaftsdelegationen im Schlepptau und die Mahnungen von wegen Menschenrechten meist nur in Watte gepackt, gut versteckt unterm Gewand. Wandel durch Handel war das Motto. Bei Russland wie bei China.

Gewandelt aber hat sich vor allem das Kräfteverhältnis, das Gleichgewicht der gegenseitigen Abhängigkeit einer global verflochtenen Wirtschaft hat sich verschoben. Bei Russland wie bei China. Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas versuchen wir gerade verzweifelt zu reduzieren. Dafür gibt es mit erneuerbaren Energien zumindest eine Perspektive, die wegen des Klimawandels ohnehin auf der Agenda steht.

Auch Teslas für Deutschland kommen aus China

Große Umsätze in China, Akkus aus China

Aber während die Autoindustrie den Ausstieg aus dem russischen Markt mangels Volumen gut verkraften kann, sieht das bei China ganz anders aus: Das Wachstum der letzten Jahre kommt vor allem von dort. Bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes machen die deutschen Hersteller in China. Ende 2021 sagte der damalige Mini-Chef Bernd Körber zu auto motor und sport: "Wenn ich China ausblende, ist das Wachstum von Mini super". Oder als Konsequenz: "Die primäre Motivation für das Joint Venture mit Great Wall war die Erschließung des chinesischen Marktes". Aktuell liege der China-Anteil bei "nur" etwa 10 Prozent, während Mutter BMW gut 30 Prozent erreiche. Im Lichte der jüngsten Ereignisse wirkt das gar nicht so erstrebenswert (In der Bildergalerie sehen Sie die Highlights der Auto-Messe in Shanghai; sie zeigt auch, wie sehr deutsche Hersteller sich nach dem Markt in China richten).

Dass China zudem auf dem Weg zur Technologieführerschaft in der Autoindustrie ist, davon war hier bereits die Rede – weil nicht mehr Verbrennungsmotoren und Fahrwerkstechnik Schlüssel zu überlegenen Autos sind, sondern Batterien, Elektronik und Software. Selbst die besten deutschen Elektroautos, wie etwa der Mercedes EQS, tragen chinesische Akkus, etwa vom weltgrößten Batteriehersteller CATL – wenn China will schließlich hat sich das Land längst auch die überwiegenden weltweiten Ressourcen der entsprechenden Rohstoffe gesichert.

© Mercedes
Reichweiten-Rekord beim Mercedes EQS Das Geheimnis der Super-Akkus

Chips aus Taiwan – unter Chinas Kontrolle

Was auch in Autos – mehr und mehr – steckt, sind Halbleiter, Chips. Sie steuern alles. Der Anteil taiwanesischer Chiphersteller an der weltweiten Produktion liegt laut Handelsblatt bei mehr als 77 Prozent. Sie erreichen deutsche Autos nur, wenn China es erlaubt, das haben die jüngsten Militärmanöver deutlich gemacht.

© Hersteller / Patrick Lang
Chipkrise, Teilemangel, Gewinnoptimierung Deshalb werden unsere Autos immer teurer

Absatzmarkt kritischer Größe, Akkuhersteller, Technologieführerschaft, Blockade-Potenzial für Halbleiter – alles zusammen macht China zum "Klumpenrisiko" für die Autoindustrie. Als Klumpenrisiko bezeichnen Finanzexperten die Häufung von Ausfallrisiken durch die zu starke Gewichtung einer Branche oder Währung beispielsweise.

Wirtschaftliche Abhängigkeit kostet politischen Spielraum

Die Frage, wie groß der politische Spielraum bei solchen Voraussetzungen bleibt, ist leicht zu beantworten. Herbert Diess, Noch-VW-Chef, sagte: "Die Zukunft von Volkswagen entscheidet sich in China". Auch wenn das dortige Regime dem Hersteller ein Werk in der Region Xinjiang mehr oder weniger aufzwingt, wo die Autokratie Hunderttausende Uiguren in Straf- und Umerziehungslagern interniert hat und mit Vorwürfen konfrontiert ist, die unterdrückte Volksgruppe zur Zwangsarbeit heranzuziehen. Auch im VW-Werk? Was soll das Unternehmen dazu sagen?

© VW
Der größte VW-SUV Teramont hat ein Facelift zum Modelljahr 2021 erhalten.
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Neu sind vor allem die Scheinwerfer, die an Front und Heck auch ein illuminiertes Logo mitbringen.
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Rundherum lässt sich der geliftete Teramont mit mehr Chromteilen verzieren.
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An den Abmessungen des 5,04 Meter langen SUV ändert sich nichts.
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Mit diesen neuen SUVs will VW in China punkten (von links): T-Cross Lang, Teramont X, Roomzz, SMV, Concept Coupé.
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Den VW T-Cross führt Kooperationspartner SAIC im Frühjahr 2019 in China ein.
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Der China-T-Cross hat neun Zentimeter mehr Radstand als die Europaversion und damit nur drei Zentimeter weniger als ein Tiguan.
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Mit 4,22 Meter Gesamtlänge ist der China-T-Cross nur einen Zentimeter kürzer als der europäische T-Roc.
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Den T-Roc bietet der zweite Joint-Ventrue-Partner FAW von VW in China an. Der China-T-Roc ist ebenfalls länger als die Europa-Version.
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8,8 Zentimeter mehr Radstand hat der lange T-Roc und damit genauso viel, wie der Europa-Tiguan. Insgesamt ist er aber mit 4,31 Meter etwa 18 Zentimeter kürzer als der Tiguan.
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Das SAIC-Pendant zum Tiguan ist der Tharu. Er basiert wie praktisch alle neuen VW auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) und hat den Radstand des Tiguan (2,68 Meter). Er sieht dem Tiguan auch ähnlich, ist aber mit 4,45 Meter rund vier Zentimeter kürzer.
© Bernd Conrad
Beim Tharu erinnert manches an den Seat Ateca.
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Der Tayron ist das FAW-Pendant zum Tiguan. In den Abmessungen liegt er mit 4,59 Metern Länge und 2,73 Meter Radstand zwischen Tiguan (4,49/2,68 Meter) und Tiguan Allspace (4,70/2,79 Meter).
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Von hinten erinnert der Tayron sogar ein wenig an den Audi Q5.
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Zur Shanghai Autoshow hat FAW auch eine SUV-Coupé-Studie vorgestellt.
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Das Concept Car sieht schon aus wie ein Tayron Coupé und dürfe noch 2019 auf den Markt kommen.
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Die Linienführung ist gelungen, oder? Als Tiguan Coupé hätte so ein Auto sicher auch in Europa Absatzchancen.
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Über ein Tiguan Coupé für Europa ist aber laut VW noch nicht entschieden.
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Das Tayron Coupé hat VW zunächst in blau gezeichnet.
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Das flache Heck mag Platz kosten, steht dem SUV aber.
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Den Tiguan Allspace verkauft SAIC in China als Tiguan L.
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Auch von SAIC. Der Teramont. So heißt der Atlas in China.
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Vom Teramont hat SAIC künftig auch eine Coupé-Version namens Teramont X im Angebot.
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Das SUV-Coupé hat den gleichen Rastand wie der Teramont (2,98 Meter), aber keine dritte Sitzreihe.
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Stattdessen lockt der 5-Meter-Brocken mit einem flacher auslaufenden Heck.
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Bei einem so großen Auto können offenbar selbst die Chinesen auf eine Langversion verzichten.
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Der noch längere Teramont kommt dafür schon bald von FAW: Ebenfalls zur Shanghai Autoshow 2019 zeigte VW das Sports Multipurpose Vehicle Concept
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Der SMV ist riesig und wirkt entsprechend wuchtig.
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Mit 5,16 Meter ist dieses MQB-SUV noch mal acht Zentimeter länger als der Teramont von SAIC.
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Der SMV hat natürlich drei Sitzreihen - für die chinesische Großfamilie.
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Das SMV von FAW ist allerdings flacher und sieht weniger nach Offroader aus als der Teramont/Atlas.
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Durchgehende Leuchtbänder am Heck sind grad schwer angesagt im VW-Konzern.
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Der SMV wirkt vanartiger und erinnert konzeptionell an die Mercedes R-Klasse, optisch an den die gleichzeitig vorgestellte Elektro-SUV-Studie ID. Roomzz.
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VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann ist ein Fan des SMV. Einen Verkauf in Europa lehnt er dennoch ab: Zu wenig potenzielle Kunden.
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Mit seinen 5,16 Meter passt der SMV hierzulande auch in keine Normgarage.
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Gewisse Ähnlichkeiten hat der SMV mit dem elektrische angetriebenen ID. Roomzz, der 2021 auch in China zu kaufen sein soll.
© VW/Jetta
Mit dem VS5 der neuen Marke Jetta will VW preisbewusste Kunden in China ansprechen und soll preislich daher wohl bei etwa 10.500 Euro bis 12.000 Euro liegen.
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Der zweite SUV von Jetta heißt VS7, ist etwas größer und hat sieben Sitze. Ein Concept Car noch ohne Interieur debütierte auf der Shanghai Autoshow 2019.

Oder wie würde China reagieren, wenn hochrangige deutsche Politiker es Nancy Pelosi gleichtäten? Zum Boykott deutscher Autos auf dem chinesischen Markt auszurufen, wäre für das Regime ein Leichtes und so wie man dort die nationalistische Stimmung angefeuert hat, würde er weithin Gehör finden.

Chinas Autobauer mit deutschem Know-How

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MG – Portrait des chinesischen Autoherstellers Mit 4 Modellen besser als Polestar oder Alfa

Ist das der Preis für jahrelang gute Geschäfte? Voraussetzung dafür waren jedenfalls Joint-Ventures mit chinesischen Unternehmen. Mit FAW in Nordchina, mit SAIC in Südchina. SAIC kooperiert auch mit anderen westlichen Herstellern wie GM – und hat eigene Marken. Wie etwa MG, einst britischer Traditionshersteller. MG-Modelle können deutsche Kunden seit 2021 auch hierzulande kaufen. In der Deutschlandzentrale in München ist man stolz darauf, dass viele Mitarbeiter Deutsch sprechen und VW gut kennen – weil sie von dem deutschen Unternehmen gelernt haben, wie man Autos baut. Autos, die es jetzt zu günstigen Preisen im Heimatmarkt von Volkswagen zu kaufen gibt, viele mit E-Antrieb, alle mit sieben Jahren Garantie. 2022 will MG 10.000 Stück in Deutschland verkaufen. Die Chancen stehen gut.

Ist erst damit die Politik beim Kunden angekommen? Oder schon vorher?

Fazit

Dieser Text war Teil des Moove-Letters vom 8. August 2022 (diesen wöchentlichen Newsletter der Chefredaktion können Sie hier abonnieren), der zahlreiche Zuschriften auslöste. Häufigster Tenor: Handel ist gut, Abhängigkeit genauso schlecht wie die Pfennigfuchserei bei Komponenten zur Herstellung – die Verlagerung von Produktionsketten in "Billiglohnländer" erweise sich jetzt als kurzsichtig. Kritik gibt es für die Autoindustrie auch, weil sie sich seit Jahren gegen jede Regel von Lieferanten(-ländern) zu mehr als 20 Prozent abhängig mache. So sei der Erfolg koreanischer Marken nicht nur auf die Preiswürdigkeit und Qualität ihrer Produkte zurückzuführen, sondern auch auf ihre Unempfindlichkeit gegenüber internationalen Verwerfungen, weil ihre Fertigungstiefe im Land um vieles höher ist als bei den Europäern.

Auch das Thema jahrelanger "Technologietransfer" in das nicht-demokratische Land China sehen viele kritisch. Man sei dabei ähnlich blauäugig vorgegangen wie bei den Gaslieferungen aus Russland. Tatsächlich ist die Antwort auf die Frage, ob der Kauf eines (E-)Autos aus China derzeit vertretbar ist, in den meisten Zuschriften "nein"; und zwar aus politisch-moralischen Gründen (nicht aus technischen). Es tauchte aber auch die Befürchtung auf, dass man sich das vielleicht nicht mehr lange leisten könne.

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