UBA-Studie Luftqualität 2018: Die Stickoxidbelastung sinkt

Studie Luftqualität 2018 des Umweltbundesamtes
Stickoxidbelastung in deutschen Städten sinkt

Bosch Dieseltechnik Stickoxid-Reduktion RDE-Test
Foto: Bosch

Stuttgart ist wieder die deutsche Stadt mit der stärksten Stickoxid-Belastung. Wie das Umweltbundesamt (UBA) bekanntgab, wurden in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs 2018 im Jahresmittel 71 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft (µg/m³) gemessen. Das sind zwar zwei Mikrogramm weniger als 2017, aber dennoch deutlich mehr als in jeder anderen Stadt. Der letztjährige Spitzenreiter München, der sich von 78 auf 66 µg/m³ verbessert hat, rangiert nun nur noch auf Rang drei. Dazwischen liegt Darmstadt, das seinen Jahresmittelwert von 72 auf 67 µg/m³ verringern konnte.

Leicht positive Signale erkennbar

Hinzu kommen laut UBA mindestens 54 weitere deutsche Städte, die über dem gesetzlichen Grenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel liegen (alle über 45 µg/m³ sehen Sie in der Tabelle). 2017 haben noch 65 deutsche Städte zu hohe NOx-Werte gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr wurde in 13 Städten der Grenzwert nicht mehr überschritten. Gleichzeitig liegen fünf Städte wieder geringfügig über dem Wert: Leipzig, Ulm, Koblenz, Eschweiler und Sindelfingen. Im Mittel nahm die NO2-Belastung an den verkehrsnahen Messstationen um etwa 1,5 Mikrogramm pro Kubikmeter ab.

Rein statistisch sind also leicht positive Signale erkennbar. „Die Luft in den Städten wird besser und der Trend geht in die richtige Richtung“, sagt auch Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes. „Dennoch sieht man: Die bislang beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, damit wirklich überall der EU-Grenzwert für NO2 im Jahresmittel zum Schutz der Gesundheit eingehalten wird.“ Das UBA weist außerdem auf die weiterhin hohe Feinstaubbelastung hin. Zwar wurde nur an einer Messstation der Feinstaub-Grenzwert von PM10 (nicht mehr als 35 Tage mit Tagesmittelwerten über 50 µg/m³) überschritten. Allerdings empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass der Wert an höchstens drei Tagen im Jahr übertroffen werden sollte. Laut UBA lagen in Deutschland 78 Prozent aller 374 Messstellen über dieser Empfehlung.

München: 16 von 20 Messstationen unter dem Grenzwert

Gute Nachrichten kamen zu Jahresbeginn auch aus München. Nicht nur, dass die bayerische Landeshauptstadt 2018 mit zwölf µg/m³ weniger NO2 belastet war als im Jahr zuvor. Von der Stadt selbst zum Jahresbeginn 2018 aufgestellte Messstationen zeigen, dass der Stickoxid-Grenzwert in weiten Teilen der Stadt eingehalten wird; nämlich an 16 von 20 Messstationen. Nur die Messpunkte an der Chiemgau- (58 µg/m³), Tegernseer Land- (57 µg/m³), Frauen- (49 µg/m³) und Steinsdorfstraße (44 µg/m³) lieferten Ergebnisse, die über dem gesetzlichen Grenzwert liegen. Außerdem überschreiten die Messstellen des bayerischen Landesamtes für Umwelt an der Landshuter Allee (66 µg/m³) und am Stachus (48 µg/m³) die Grenzwerte. Auf Ersteren bezieht sich die Auswertung des UBA.

Oberbürgermeister Dieter Reiter hält aufgrund dieser Ergebnisse Fahrverbote in München weder für verhältnismäßig noch für notwendig. Zu diesen wurde die Stadt in einem Verfahren, das die Deutsche Umwelthilfe angestrengt hatte, bereits verurteilt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München beruhte seinerzeit allerdings auf Messwerten von nur fünf Stationen des Landesamtes für Umwelt, die auf die gesamte Stadt hochgerechnet wurden. Deshalb stellte München 20 eigene Stationen auf, um die Datenbasis zu verbreitern. Deren Ergebnisse zeigen nun, dass die früheren Hochrechnungen „offensichtlich unzutreffend waren“, wie Reiter heute sagt.

Die Gründe für die geringere Stickoxidbelastung

Dass sich die Luftqualität auch real verbessert, zeigen neben den Münchnern auch die gesamtdeutschen Zahlen des UBA. Dafür gibt es Gründe. Einerseits die Durchmischung des Fahrzeugbestandes mit neuen, mit effizienterer Abgasreinigung ausgerüsteten Autos und einigen elektrifizierten Fahrzeugen. Hinzu kommen die von den Herstellern vorangetriebenen Software-Updates, um den Schadstoffausstoß älterer Dieselautos zu mindern. Und vereinzelte Tempolimits sowie Verkehrsbeschränkungen. Interessant ist, dass die Belastung trotz der über lange Zeiträume sehr hohen Temperaturen zurückgegangen ist; solche Wetterlagen sorgen eigentlich für eine höhere Stickoxid-Belastung.

Fraglich bleibt, ob die jüngsten Zahlen tatsächlich zu einer Wende in der Debatte um Diesel-Fahrverbote führen. In den Gerichtsverfahren und auch in den Augen der EU sind die Messstellen der Landesumweltbehörden maßgeblich. Und es gilt nicht der Durchschnitt der Messstellen, sondern der schlechteste Wert. Zudem fordert die EU, die Luftqualität dort zu messen, wo die Belastung für die Anwohner am höchsten ist – und dies ist vor allem an den Hauptverkehrsachsen der Fall, an denen auch weiterhin viele Messstationen überhöhte Werte melden.

Was genau bedeutet „Verhältnismäßigkeit“?

Doch das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hatte, als es im vergangenen Jahr Diesel-Fahrverbote grundsätzlich erlaubte, viel Wert auf das Thema „Verhältnismäßigkeit“ gelegt. In die Debatte rund um diesen Begriff dürfte aufgrund der neuen Zahlen wieder Schwung kommen. Die Antwort auf die Frage, was genau „Verhältnismäßigkeit“ bedeuten könnte, hat das Bundeskabinett bereits im November 2018 gegeben; damals änderte es das Bundesimmissionsschutzgesetz. Demnach sollen Städte, in denen die Stickoxidbelastung bei maximal 50 Mikrogramm pro Kubikmeter liegt, künftig auf Fahrverbote verzichten können.

Die Überlegung des Kabinetts fasste die Bundeskanzlerin seinerzeit so zusammen: „Wir glauben, dass wir mit den zusätzlichen Maßnahmen, die wir jetzt unternehmen, in den Städten, in denen es Überschreitungen gibt, die Grenzwerte von 40 Mikrogramm erreichen werden“, sagte Angela Merkel dem Bayerischen Rundfunk zufolge. Dabei handelt es sich um bereits beschlossene Hard- und Software-Nachrüstungen und Rabatt- und Prämienangebote bei zahlreichen Herstellern, die zur Erneuerung der gesamten deutschen Autoflotte hin zu Euro-6-Autos (oder besser) führen soll. Zusätzlich sollen sich die Fuhrparks von Handwerkern, Kommunen und des Öffentlichen Nahverkehr mit schadstoffärmeren und elektrifizierten Fahrzeugen erneuern.

Beschlossene Fahrverbote sind unverhältnismäßig

Basierend auf den Stickoxidwerten von 2018 liegen 42 der 57 Städte in einem Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter. Und wegen dieser Prognose wären in diesen Städten keine Diesel-Fahrverbote nötig, zumal diese vor diesem Hintergrund „in aller Regel unverhältnismäßig“ seien. Das führt zu einer pikanten Konstellation: Mit Essen, Bonn, Mainz und Gelsenkirchen befinden sich vier Städte auf dieser Liste, für die Diesel-Fahrverbote gerichtlich bereits angeordnet sind. Es blieben 15 Städte übrig, die über der 50-Mikrogramm-Grenze liegen und in denen demnach weiterhin Aussperrungen drohen.

Trotzdem wird sich die Statik in der hitzig geführten Debatte kaum ändern. Warum? Weil die Gesetzesänderung nicht automatisch bedeutet, dass plötzlich 51 Städte vor Fahrverboten gefeit sind. Maßgebend sind nämlich weiterhin die Luftreinhaltepläne der jeweiligen Bundesländer sowie die Entscheidungen und Urteile der Behörden und Gerichte vor Ort. Die Bundesregierung will weiterhin die Kommunen selbst über Fahrverbote entscheiden lassen und kann nach der Gesetzesänderung auch kein Fahrverbot untersagen. Diese könnte höchstens dazu führen, dass der ein oder andere Verwaltungsrichter künftig auf Fahrverbote verzichtet, weil er sie angesichts einer geringen Grenzwertüberschreitung in der jeweiligen Stadt für nicht verhältnismäßig hält.

Verstößt die Gesetzesänderung gegen EU-Recht?

Hinzu kommt: Bis das Gesetz geändert ist, muss es den kompletten parlamentarischen Weg gehen, der erst im Bundesrat endet. Das kann dauern. Außerdem ist nicht sicher, ob der Vorstoß des Kabinetts überhaupt rechtens ist. Umweltverbänden und Oppositionspolitikern zufolge verstößt die Gesetzesänderung gegen Europarecht – die EU habe schließlich einen starren Grenzwert und eben keine Toleranz festgelegt. Angela Merkel sieht das anders: „Wir haben keine europäischen Grenzwerte verändert“, so die Bundeskanzlerin nach der Kabinettsitzung. „Aber wir haben unterschieden zwischen geringeren Überschreitungen dieser Grenzwerte von 40 Mikrogramm und höherer Überschreitung.“

So ist es gut möglich, dass sich andere Aspekte der Gesetzesänderung stärker auswirken. Etwa jener, dass Euro-6-Diesel unabhängig von ihrem realen Stickoxid-Ausstoß auf jeden Fall von Fahrverboten ausgenommen sein sollen. Genau wie Euro-4- und Euro-5-Diesel, falls sie im realen Betrieb maximal 270 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Das träfe zum Beispiel auf Autos zu, die mit SCR-Katalysatoren – also jenen Systemen, die Dieselabgase per Adblue-Einspritzung von Stickoxiden reinigen – nachgerüstet wurden.