Eine Beschwerde gegen Deutschlands erstes Streckenradar ist am Bundesverfassungsgericht erfolglos geblieben, berichtet der Spiegel. Die Karlsruher Richter hätten sie nicht zur Entscheidung angenommen, teilte das niedersächsische Landesinnenministerium mit. Niedersachsens Innenminister hofft nun auf mehr derartige Tempokontrollen auf ganzen Straßenabschnitten.
Ewiges hin und her
Die Geschichte der Section Control ist lang. Die Überwachungsstrecke auf der Bundesstraße 6 zwischen dem niedersächsischen Gleidingen und Rethen (bei Hannover) hätte im Sommer 2016 für 18 Monate testweise in Betrieb genommen werden sollen. Allerdings kam es immer wieder zu Verzögerungen, weil die Genehmigung für den Betrieb aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erteilt wurde. Die rund 2,2 Kilometer lange Teststrecke ist bereits seit 2015 fertig. Die Teststrecke wird täglich von rund 15.500 Autos befahren. Auf dieser Fahrbahn der B6 in Richtung Norden gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h. Immer wieder kam es hier zu schweren Unfällen.
Am 19.12.2018 begann die Erprobungsphase, die bis zum 30. Juni 2020 angelegt ist. Bis zum 14. Januar 2019 wurde zunächst nur gemessen. In der Testphase wurden Geschwindigkeitsüberschreitungen registriert und die technischen Abläufe bei der Übermittlung von Verstößen sowie die Arbeitsabläufe und das Zusammenwirken der Polizei Hannover als Betreiber der Anlage und der Region Hannover als zuständiger Bußgeldbehörde geprüft. Seit dem 14. Januar 2019 wurden für Tempoverstöße dann Bußgelder erhoben.
In Folge hatte die Piraten-Partei beim Verwaltungsgericht Hannover Unterlassungsklage gegen den Testbetrieb eingereicht, der das Gericht auch entsprochen hatte und die sogenannte Sektormessung im März 2019 wieder untersagt hatte. Die Geschwindigkeitsmessung per Sektorkontrolle sei unrechtmäßig in Betrieb und muss sofort abgeschaltet werden. Die Erfassung der Kennzeichen sämtlicher Fahrzeuge, die in den Kontrollbereich fahren, greift nach Meinung der Richter in die verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmung ein. Für diesen Eingriff bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. Diese fehle, erklärte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts.
Der Streit um das Radar ging dann in die nächste Instanz. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat am 13. November 2019 entschieden (Az. 12 LC 79/19), dass das bundesweit erste Streckenradar zur Geschwindigkeitskontrolle nach einer Änderung des niedersächsischen Polizeigesetzes doch rechtmäßig ist. Die Anlage an der B6 wurde ab dem 14.11.2019 wieder in Betrieb genommen. Im September 2020 hatte dann das Leipziger Bundesverwaltungsgericht den Betrieb abschließend gebilligt und damit einen juristischen Streit wegen datenschutzrechtlicher Bedenken beendet. Die Anlage auf der Bundesstraße 6 bei Laatzen ging daraufhin im Dezember 2020 in den Regelbetrieb über.
Section Control lässt Unfallzahlen purzeln
Zwar ist die Section Control mit 200.000 Euro etwa drei Mal so teuer wie eine herkömmliche Blitzanlage, Erfahrungen aus Österreich und Italien lassen aber auf deutlich sinkenden Unfallzahlen schließen. Das niedersächsische Innenministerium hofft, durch die Akzeptanz der Section Control durch die Verkehrsteilnehmer eine spürbare Harmonisierung des Verkehrsflusses, eine Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie eine Reduzierung von Emissionen zu erreichen.
Bei der Section Control wird die Geschwindigkeit auf einem definierten Abschnitt einer Straße gemessen und der Durchschnitt errechnet. Liegt der über dem zulässigen Tempo, muss der Fahrer mit einem Bußgeld oder Punkten in Flensburg rechnen.