Peter Rawlinson verlässt Lucid: Chef und Musk-Feind geht

Peter Rawlinson verlässt Lucid
Chef und Musk-Feind geht

Peter Rawlinson, CEO Lucid Motors
Foto: Lucid

Lucid-Chef Peter Rawlinson tritt zurück. Der US-amerikanische Elektroauto-Hersteller betont, dass der Brite diese Entscheidung selbst und aus freien Stücken gefällt hat. Rawlinson kam von Tesla und hat Lucid über zwölf Jahre lang federführend aufgebaut. Er ist ein ausgewiesener Verbrenner- und E-Auto-Spezialist. Sein kommissarischer Nachfolger kommt aus Deutschland.

Rawlinson hat unter anderem in führenden Positionen bei Jaguar und Ruf gearbeitet – beim deutschen Veredler war er für den legendären CTR3 zuständig. Dann hat ihn Elon Musk zu Tesla geholt. Dort hat Rawlinson als Chefingenieur das Model S entwickelt – lange bevor die etablierten Hersteller große Elektroauto-Limousinen auf dem Plan hatten. Als sich Rawlinson und Musk tief zerstritten, ging der Engländer zu Lucid und war dort Chef und Chefentwickler für die große Limousine Air und das SUV Gravity. Auch die ersten Konzeptionen für ein 50.000-Dollar-Elektroauto hat er noch betreut.

Peter Rawlinson, CEO Lucid Motors
Lucid

Deutscher jetzt Lucid-Chef

Bis ein neuer Chef gefunden ist, bekleidet der deutsche Chief Operating Officer (COO) Marc Winterhoff den CEO-Posten kommissarisch. Wirtschafts- und Elektroingenieur Winterhoff hat an der TU-Darmstadt studiert und beim Beratungsunternehmen Roland Berger in Chicago gearbeitet – seit Dezember 2023 ist er bei Lucid. Der 67-jährige Rawlinson bleibt Lucid verbunden – noch bis mindestens 2027 berät er Verwaltungsratschef Turqi Alnowaiser der gleichzeitig ein führender Manager des saudi-arabischen Staatsfonds ist. Dieser Fonds hat bereits mehrere Milliarden Dollar in Lucid gepumpt – und das Unternehmen schreibt nach wie vor hohe Verluste.

Peter Rawlinson hatte bis in die jüngste Vergangenheit seine Treue zu Lucid bekräftigt – deshalb kommt sein Rücktritt ein bisschen überraschend. Experten stimmen aber in der Einschätzung überein, dass Rawlinson den richtigen Zeitpunkt für seinen Rückzug aus dem operativen Geschäft gefunden hat. 2024 hat der E-Auto-Hersteller zirka drei Milliarden Dollar (umgerechnet zirka 2,86 Milliarden Euro) ausgegeben – und 807 Millionen Dollar (769 Millionen Euro) eingenommen. Bei 10.214 verkauften Autos hat Lucid also pro Fahrzeug zirka 294.000 Dollar (280.000 Euro) verloren. Und die Modelle von Lucid gelten mit einem deutschen Einstiegspreis für den Air in Höhe von 85.000 Euro als teuer.

Marc Winterhoff, CEO Lucid Motors
Lucid

Gute Tendenz

Im vierten Quartal 2024 hat Lucid allerdings seinen Absatz um 50 Prozent gesteigert und damit die Erwartungen von Analysten übertroffen. Der Verlust war geringer als erwartet. Die Autos gelten als in jeder Beziehung exzellent, die wichtigsten technischen Komponenten sind Eigenentwicklungen. Lucid-Verantwortliche überlegen inzwischen laut, ob der Hersteller seine auf Performance und Effizienz getrimmten Komponenten nicht auch als Zulieferer an andere Hersteller verkaufen soll.

Bei neu entstandenen reinen Elektroauto-Herstellern dauert es lange, bis sie in die Gewinnzone fahren. Tesla balancierte jahrelang am Abgrund, einer der Retter war seinerzeit Mercedes – die Schwaben stiegen mit zehn Prozent bei dem E-Auto-Pionier ein. Inzwischen schreibt Tesla Gewinne und auch Rivian weist das erste Mal seit seiner Gründung einen Bruttogewinn aus. Lucid profitiert davon, dass Saudi-Arabien den Hersteller als eine strategische Investition sieht. Dem saudi-arabischen Staatsfonds gehören inzwischen 60 Prozent von Lucid. Während der Hersteller sein Hauptwerk in Casa Grande im US-Bundesstaat Arizona hat, rollen auch in einem weiteren Werk im saudi-arabischen Dschidda Lucid-Modelle vom Band.

Kostenfrage jetzt vorn

Marc Winterhoff und sein möglicher Nachfolger müssen jetzt die Verluste begrenzen und nach Möglichkeit in eine schwarze Null oder sogar Gewinne wandeln. Lucids Produkte sind mit der Limousine Air und dem SUV Gravity auf höchstem technischen Niveau – und mit dem angekündigten 50.000-Modell gibt es bald auch ein Modell für einen etwas breiteren Markt. Die ingenieurtechnische Exzellenz hat Geld gekostet – ob Lucid dieses Niveau bei steigendem Kostendruck halten kann, ist offen.