Michael Jost, ehemals Leiter der VW-Strategieabteilung, hatte mit Rückendeckung von Konzernchef Herbert Diess schon früh einen Stein ins Wasser geworfen und angekündigt, dass Volkswagen 2026 die letzte Verbrennerplattform entwickelt und die letzten neuen Verbrennermodelle Anfang der 2030er Jahre auf den Markt kommen werden. Jetzt reduziert der neue VW-Markenchef Ralf Brandstätter solche Enddaten auf Europa.
Brandstätter skizziert den internationalen Weg der Dekarbonisierung in einem Beitrag für das Social-Network Linkedin: "Für die europäischen Märkte werden voraussichtlich im Zeitraum 2033 bis 2035 die letzten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor produziert". Dort wird VW dann nur noch Elektroautos anbieten. Aber während man hier für Europa durchaus optimistisch sein kann, dass die Lade-Infrastruktur für Elektroautos bis dahin ausreichend vorhanden sein wird, könnte das anderswo schwierig werden. "In anderen Weltregionen wird sich die Transformation aufgrund der Bedingungen vor Ort wie etwa fehlender Infrastruktur, dem lokalen Strommix, Einkommensniveau und vieler anderen Einflussfaktoren nicht so schnell vollziehen", so Brandstätter. Daher setze Volkswagen in solchen Schwellenländern auch auf Brückentechnologien. Im schon lange großen VW-Markt Brasilien entstehe ein Forschungs- und Entwicklungszentrum unter der Leitung von Volkswagen Latein Amerika: "Ziel ist es, CO2-neutrale Mobilität auf Basis von Ethanol und anderen Biokraftstoffen für Schwellenländer zu ermöglichen". Details dazu arbeite eine anstehende Planungsrunde aus.
Bio-Fuels als Brückentechnologie
Bio Fuels könnten, so Brandstätter, "bis zur vollständigen Elektrifizierung der Flotte einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten". In Brasilien gäbe es die besten Voraussetzungen für ihren Einsatz. Dort hat VW auch lange Erfahrungen gesammelt. Schon 2003 brachte die Landesgesellschaft Volkswagen do Brasil den Flex-Motor auf den Markt, der sowohl mit Ethanol als auch mit Benzin klarkommt. Auf Ethanol verfiel Brasilien während der Ölkrise von 1973. Heute ist das Land nach den USA der zweitgrößte Produzent von Ethanol weltweit . Jetzt will die VW-Mannschaft aus der ursprünglichen Not eine Tugend machen und für die eigene Flotte nur noch Ethanol verwenden, was zu einer jährlichen Reduzierung von fast 1.700 Tonnen CO2 führen soll.
Warum Bio-Fuels in Brasilien nachhaltig sein sollen
Sprit aus Landwirtschaft ist bei Nachhaltigkeitsexperten nicht automatisch gut angesehen – Stichwort Nahrungsmittelkonkurrenz. Man brauche zu viel Anbauflächen um nennenswert Treibstoff aus Pflanzen zu erzeugen – Flächen, die dann dem klassischen Lebensmittelanbau fehlen würden. Brandstätter führt in seinem Artikel zahlreiche Argumente an, warum das in Brasilien eben nicht so sein soll:
- Zunächst sei aus Zuckerrohr gewonnenes Ethanol, das aus der Vergärung von Zucker durch Hefe entsteht, ein vergleichsweise nachhaltiger Kraftstoff. Es reduziere die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Benzin um bis zu 90 Prozent.
- Zuckerrohrfelder für die Ethanolproduktion machen angeblich weniger als 0,8 Prozent des brasilianischen Territoriums aus. Fast 92 Prozent der Zuckerrohrproduktion werde in Süd-Zentral-Brasilien geerntet, die restlichen 8 Prozent im Nordosten. Denn sie benötigten eine trockene Umgebung – daher lägen sie fast 2.000 km vom Amazonas entfernt führt der Artikel an, um gleich die Sorge zu entkräften, für den Bio-Sprit müsste CO2-absorbierender Regenwald gerodet werden. Schädliche Bodenerosion auf Zuckerrohrfeldern sei gering und die Pflanze nehme mehr CO2 auf als andere Flächennutzungen, weil sie nur alle fünf oder sechs Jahre mit minimaler Bodenbearbeitung neu angepflanzt werden müsse. Damit könnten Bio-Fuels entscheidend zur kurzfristigen CO2-Reduzierung in dieser Weltregion beitragen.
- Der Artikel zitiert außerdem eine Studie des World Wildlife Fund (WWF) Brasilien. Diese zeige, dass Biokraftstoffe bis 2030 72 Prozent des brasilianischen Kraftstoffbedarfs allein durch die Optimierung der derzeit degradierten Weiden decken können, ohne mit dem für die Nahrungsmittelproduktion benötigten Land zu konkurrieren. Entsprechende Forschungen sollen dafür sorgen, dass der Ansatz auch weiterhin nachhaltig bleibt.