In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen war es bis zum Frühjahr 2019 gängige Praxis: Ohne, dass ihre Fahrer oder Besitzer es wussten oder mitbekamen, wurden täglich die Kennzeichen tausender Autos gescannt und mit Fahndungsdaten abgeglichen. Die Landespolizeigesetze dieser drei Bundesländer erlaubten es, zur Gefahrenabwehr die Nummerschilder sämtlicher Autos zu überprüfen. Dieser massenhaften Erfassung schob das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe dann jedoch einen Riegel vor. Die Gesetze gingen zu weit, waren deshalb teilweise verfassungswidrig und müssten geändert werden, hieß es damals in der Urteilsbegründung.
Gesetzentwurf für eine bundeseinheitliche Praxis
Die Karlsruher Richter gaben damit jenen klagenden Autofahrern – zumindest teilweise – recht, die sich durch dieses Vorgehen unter Generalverdacht gestellt und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sahen. Außerdem lag ein gesetzeswidriger Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Den Richtern zufolge müssten sich die Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig kontrolliert zu werden.
Gut zwei Jahre später könnte das massenhafte Kennzeichen-Scanning aufgrund einer neuen rechtlichen Grundlage wieder erlaubt werden – und zwar in ganz Deutschland. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, den das Bundeskabinett bereits gebilligt hat. Das Gesetz soll die Strafprozessordnung (STPO) reformieren. In Paragraf 163g würde damit für Strafverfolgungsbehörden wie Polizei oder Zoll "eine Befugnis zur automatischen Kennzeichenerfassung im öffentlichen Verkehrsraum zu Fahndungszwecken" geschaffen.
Die Auto-Insassen merken nichts
Bei dieser Art der Kennzeichenerfassung werden mit speziellen Geräten (automatisierte Kennzeichenlesesysteme; AKLS) alle vorbeifahrenden Autos auf einem Straßenabschnitt gescannt. Kurz werden neben dem Nummernschild auch Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfasst, ohne dass die Insassen davon etwas merken. Diese Daten werden dann direkt mit denen in den Fahndungsdatenbanken abgeglichen. Gibt es einen Treffer, kann die Polizei sofort weitere Schritte einleiten. Ohne Übereinstimmung werden die Daten sofort gelöscht.
Der Gesetzentwurf definiert auch die Grenzen der Kennzeichen-Erfassung. So müssen "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist und die Annahme gerechtfertigt ist, dass diese Maßnahme zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten führen kann." Die automatische Datenerhebung dürfe zudem nur vorübergehend und nicht flächendeckend erfolgen.
Gesetz muss noch durch Bundestag und Bundesrat
"Das übergeordnete Anliegen dieses Entwurfes ist es, das Strafverfahren weiter an die sich ständig wandelnden gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen anzupassen", heißt es in der Gesetzesvorlage. Das Ressort der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will damit die Praxis des Nummernschild-Scannings bundesweit einheitlich auf eine stabile juristische Grundlage stellen. Bisher agierten jene Bundesländer, die Kfz-Kennzeichen bereits erfassten, auf Basis ihrer eigenen Polizeigesetze. Der Gesetzentwurf muss sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat abgesegnet werden. Sollte dies geschehen, kann er zu Beginn des folgenden Quartals in Kraft treten.