Ein funktionierendes internationales Wirtschaftssystem fußt auf fairen Wettbewerbsbedingungen für alle. Dies ist zumindest das Verständnis der demokratischen Nationen innerhalb der Europäischen Union. In der Vergangenheit hatte insbesondere China dieses System gestört. Exemplarisch dafür standen die günstigen Elektroautos, die seit geraumer Zeit in immer größeren Mengen ihren Weg aus der Volksrepublik nach Europa antreten. "Der Preis dieser Autos wird durch massive staatliche Subventionen künstlich gesenkt. Das verzerrt unseren Markt und ist nicht hinnehmbar", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits Mitte September 2023.
Mindestpreise statt Zölle
Gut ein Jahr später folgte die – aus EU-Sicht – logische Lösung: Die Staatengemeinschaft erhebt seit November 2024 Ausgleichszölle für aus China importierte Elektroautos. Deren genaue Höhe ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich und beträgt bis zu 35,3 Prozent. Hinzu kommt der generelle Einfuhrzoll von 10 Prozent. Doch so richtig glücklich ist mit der Regelung niemand. Dass die EU-Zölle in China kritisch gesehen werden, liegt in der Natur der Sache. Aber auch in Europa gibt es Gegner der Regelung. Einer der größten von ihnen ist Deutschland – vor allem deshalb, weil die einheimische Autoindustrie sehr abhängig vom chinesischen Markt ist und restriktive Gegenmaßnahmen aus Peking fürchtet.
Deshalb ergreift die EU nun die Initiative und geht mit einem Alternativvorschlag auf die chinesische Regierung zu. Wie das "Handelsblatt" berichtet, will die europäische Staatengemeinschaft anstelle der Ausgleichszölle einen Mindestpreis für chinesische E-Autos einführen. Das hätte für die Autobauer des asiatischen Riesenreichs einen entscheidenden Vorteil: Sie könnten die Differenz zwischen ihrem ursprünglichen Discount-Preis und dem vereinbarten Mindestpreis selbst behalten. Dieser Betrag würde also die eigene Bilanz aufbessern, statt in Form von Zöllen an die EU abzufließen. Im Gegenzug sollen Chinas führende E-Auto-Hersteller verstärkt in Europa investieren und Technologietransfers leisten.
Sofortige Verhandlungen
Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bestätigte ein Sprecher der EU-Kommission die Pläne. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic habe bereits mit dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao gesprochen. Dieser habe zugesagt, dass Peking die Pläne prüfen und sofort Verhandlungen mit der EU aufnehmen werde. Laut Sefcovic seien etwaige Mindestpreise ebenso wirksam und durchsetzbar wie Zölle. Allerdings müsse es mehrere verschiedene Mindestpreise geben, da Elektroautos ein komplexes Produkt seien.
Hintergrund der neuerlichen Annäherung von EU und China sind die sehr willkürlich anmutenden Zollbestrebungen des US-Präsidenten Donald Trump. Für importierte Autos trat in den USA Anfang April ein Einfuhrzoll von 25 Prozent in Kraft, der für ausländische Autohersteller ein herber Schlag ist. Für viele von ihnen bricht damit einer der wichtigsten Märkte vorerst weg; VW und Audi haben den US-Import ihrer Fahrzeuge inzwischen sogar gestoppt. Um die Verluste auszugleichen, suchen die Hersteller nach alternativen Absatzmärkten von relevanter Größe. China ist da eine naheliegende Option.
Der VDA begrüßt die Gespräche
Wenig überraschend begrüßt der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) die neuerliche EU-Initiative Richtung China. "Unabhängig von den aktuellen globalen Entwicklungen muss diskutiert werden, wie Hindernisse und Verzerrungen im internationalen Handel abgebaut werden können, anstatt neue Hürden aufzubauen", heißt es in einem von Reuters zitierten Statement. Die Zölle seien ein Fehler gewesen und eine Verhandlungslösung der bessere Weg.
Hinweis: Im Video und in der Fotoshow präsentieren wir Ihnen den MG Cyberster, einen Elektro-Roadster aus China.