Lucid testet bewusst dort. Die Strecke hat sowohl für unseren verantwortlichen Fahrwerks- und Fahrdynamik-Entwickler David Lickfold als auch für unseren Chef-Entwickler und Vorstand Eric Bach eine große Bedeutung. Wir sehen, dass eine gute Rundenzeit auf dem Nürburgring eine hohe internationale Strahlkraft hat und für eine gute Abstimmung nicht ersetzbar ist. Deshalb sind wir viel mit dem Air Sapphire dort gefahren und kommen schon recht nahe an die Simulationswerte heran. Letztlich ist das der Grund, weshalb der Sapphire existiert: zu zeigen, was technisch möglich ist. Auf der anderen Seite zeigen wir mit unserem Einstiegsmodell Air Pure, dass der Air extrem effizient fahren und eine hohe Reichweite bieten kann.
In unseren Tests haben zwei Air-Varianten bereits gezeigt, dass das Auto prinzipiell gut funktioniert. Mit 700 verkauften Fahrzeugen in Europa hält sich die Verbreitung allerdings noch in Grenzen. Wie geht’s weiter?
Erstens sind wir eine neue Marke, zweitens eine Nicht-Europäische, bieten drittens nur ein Elektrofahrzeug an, das sich viertens vielleicht auch nicht jedem Interessenten sofort erschließt. Unsere Konkurrenten sind Mercedes, BMW, Porsche, vielleicht noch das Model S von Tesla. Wir müssen vor allem unser Vertriebsnetz ausbauen. Interesse aus dem Handel ist ebenfalls da. Ein neuer Hersteller muss eine gewisse Anzahl an Betrieben haben, damit potenzielle Kunden überzeugt werden, dass dieser neue Hersteller den Markt ernsthaft und langfristig bedienen will. Da reichen unsere aktuell vier Verkaufsstützpunkte in Deutschland natürlich noch nicht aus. Bei sechs bis acht Stützpunkten können wir darüber reden, auch mehr Autos zu verkaufen. Als Nächstes wollen wir in Berlin und Stuttgart präsent sein. Gleichzeitig investieren wir weiter in Service, wo wir mit über 70 Standpunkten schon jetzt eine erstklassige Unterstützung bieten. Unser Ziel ist es, diese Zahl nächstes Jahr zu verdoppeln – das Besitzen eines Lucid genauso nahtlos und belohnend zu gestalten wie das Fahrerlebnis selbst.
Das Thema existiert letztlich durch Tesla, doch es stammt auch aus einer anderen Zeit. Daher kann man das nicht vergleichen. Heute ist der Wettbewerb viel größer. Zudem hat sich mit dem Ende der Pandemie und dem Wegfallen der E-Auto-Prämien der Markt völlig verändert. Online allein funktioniert nicht. Wir wollen mehr in die Richtung des traditionellen Autohandels, um das Beste aus beiden Welten anzubieten: immersive, vertraute Studio-Erlebnisse, in denen Kunden unsere Fahrzeuge hautnah mit Autoexperten erleben können, ergänzt durch eine nahtlose digitale Reise für Recherche, Konfiguration und Kauf.
Das ist nicht leicht zu beantworten. Die Kundschaft ist recht heterogen. Klar ist, dass wir aktuell noch keine allzu junge Kundschaft haben. Das Durchschnittsalter ist über 50 Jahre, 80 Prozent der Kunden sind männlich, also die klassischen Kunden einer Premium-Marke. Sie kommen auch von diesen Marken, BMW, Porsche, Mercedes, auch Lexus. Manche Kunden kaufen einen Lucid zusätzlich zu ihrem aktuellen Fahrzeug. Auf diese Kundschaft zielt unser Marketing ab. Aktuell ist unser Lucid Air besonders in den Varianten Grand Touring und Touring gefragt. Darüber sind wir ehrlich gesagt ein wenig überrascht, denn wir hatten damit gerechnet, dass das Einstiegsmodell Pure den Spitzenplatz bei den Bestellungen einnimmt. Offenbar erwarten die Kunden speziell in Deutschland von einem Lucid vor allem eine hohe Antriebsleistung.
Eine höhere Absatzzahl sollte sich damit realisieren lassen, ja. Nur: Welche nicht-europäische Premiummarke konnte sich bislang in Europa etablieren? Ich zähle Tesla bewusst nicht dazu, denn das ist inzwischen ein Volumenanbieter. Sicher ist der Markt für einen SUV potenziell größer als für eine Limousine in ganz Europa. Jetzt zu glauben, wir können davon sofort Zehntausende verkaufen, wäre jedoch illusorisch. Wovon ich überzeugt bin ist, dass der Gravity den Premium-SUV-Markt neu definieren wird – mit Reichweite, sehr großem Innenraum und modernster Technologie.
Ein wenig mag das sein – was auch durch die Unterstützung des Mutterkonzerns begünstigt wird. Doch unsere direkten Konkurrenzmodelle von dieser Marke sind der G80 und der G90. Da halten sich die verkauften Stückzahlen in engen Grenzen. Es braucht einfach Zeit, eine Marke aufzubauen und bekannt zu machen. Während der Pandemie ging das beschleunigt, allein wegen der Lieferfähigkeit. Das ist aber heute definitiv vorbei. Wir konzentrieren uns darauf, langfristig Vertrauen und eine starke Marktposition zu erobern – Schritt für Schritt, mit Blick auf die Zukunft mit Midsize.
Ja, das mag sein. Vielleicht sind vor einigen Jahren die Prognosen zu optimistisch ausgefallen. Und wenn sie dann ausschließlich Fahrzeuge mit E-Antrieb anbieten, haben sie jetzt einen nochmals schwereren Stand.
Unser Ziel ist es, den Gravity preislich so nah wie möglich zum Air zu positionieren. Der Air beginnt aktuell bei 85.000 Euro.
Der Verkaufsstart des Gravity für Europa erfolgt im Sommer 2025, die ersten Kundenauslieferungen starten dann kurz nach dem Jahreswechsel.
Ja, mit dem Sapphire starten wir in Europa im ersten Quartal 2025. Das wird ein absolutes Highlight und mit Sicherheit für einiges Aufsehen in diesem Segment sorgen. Es ist ein faszinierendes Auto, nicht nur längsdynamisch, sondern in allen Bereichen.
Nach unserem Stammwerk in den USA, wird die zweite Fabrik in Saudi-Arabien eine hohe Relevanz für unser geplantes Mittelklasse-Modell haben. Dieses Fahrzeug ist für Europa immens wichtig. Dafür stellen wir gerade die Weichen, wo auch die bereits angesprochene Erweiterung des Vertriebs und Servicenetzes dazu gehört.
Unser Midsize-Fahrzeug wird ab 2027 in Europa erhältlich sein. Bis dahin ist noch ein wenig Zeit, deshalb fokussieren wir uns in der Region jetzt auf den Air und dann nächstes Jahr auf Gravity.
Die Partnerschaft mit dem ADAC ist uns sehr wichtig und ein Beweis für das große Vertrauen, das Lucid entgegengebracht wird. Gleiches gilt für unsere Kooperation mit SIXT in Deutschland. Solche Partnerschaften sind ein zentraler Bestandteil unserer Wachstumsstrategie, da sie es mehr Kunden ermöglichen, Lucid-Fahrzeuge zu erleben und von unserer Technologie begeistert zu werden. Den deutschen Kunden erreicht man nicht mit einem Showroom und zehn Autos. Gleiches gilt für Aktivitäten im Flottenbereich. Da geht es ebenso um strategische Partnerschaften, nicht um schiere Absatzzahlen. Das alles benötigt Zeit, aber sie ebnen den Weg für nachhaltiges Wachstum und eine starke Marktpräsenz.
Vita

Alexander Lutz ist Managing Director Europe Lucid Motors.
Alexander Lutz ist seit Januar 2024 Managing Director Europe bei Lucid Motors. In seiner Position leitet er das europäische Geschäft des US-amerikanischen Herstellers von Premium-Elektrofahrzeugen. Lutz treibt sowohl die strategische Vision als auch das Wachstum des Unternehmens in Europa voran.
Vor seinem Start bei Lucid Motors war Lutz als Managing Director Italien und Managing Director Deutschland bei Polestar tätig. Er ist der erste Geschäftsführer, der Polestar in zwei europäischen Schlüsselmärkten eingeführt hat. Für seine Leistungen wurde Lutz 2021 von Automotive News mit dem "Rising Star"-Award ausgezeichnet und zum Vorstandsmitglied des VDIK gewählt. Weitere Stationen in Lutz' Karriere waren Maserati in Italien und die Audi AG in den USA.
Alexander Lutz schloss sein Studium mit einem Master of Business Administration an der University of Maryland in der Region Washington D.C., USA, ab. Ein weiteres Masterstudium in Integral Economic Development Management absolvierte er an der Catholic University of America in Washington D.C., USA, welches er 2015 mit Magna Cum Laude abschloss. Alexander Lutz lebt in Amsterdam, Niederlande.