Google dominiert seit Jahren mit seinem Kartendienst die digitale Navigation – nicht nur auf Smartphones, sondern zunehmend in Autos. In vielen modernen Fahrzeugen läuft das Infotainment über Android Auto oder direkt über Android Automotive OS, Googles vollintegriertes Betriebssystem. Bisher hatte der Konzern dort eine klare Vormachtstellung: Google Maps, Google Assistant, YouTube Music – alles vorinstalliert. Alternative Dienste? Technisch möglich, praktisch umständlich. Damit ist jetzt Schluss. Nach intensiver Prüfung durch das Bundeskartellamt hat sich Google verpflichtet, den Zugang für Drittanbieter zu öffnen, berichtet das ZDF heute. "Die Zusagen von Google haben das Potenzial, weitreichende Änderungen im Markt zu bewirken”, so Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamts.
Die drei zentralen Bereiche der Öffnung
Die Einigung betrifft drei besonders sensible Funktionsbereiche, in denen Google bisher den Ton angab. Zum einen ist die Navigation betroffen. Hier nutzen viele Android-Auto-Systemen-User Google Maps. Drittanbieter wie TomTom oder Here hatten Schwierigkeiten, ihre Dienste auf demselben Niveau zu integrieren. Etwa bei der Anzeige im Cockpit oder der Einbindung ins zentrale Display. Künftig müssen die gleichen Schnittstellen (APIs) auch für andere Anbieter verfügbar sein. Das ermöglicht echten Wettbewerb – und den Nutzern eine Wahl.
Auch beim Sprachassistenten dominierte Google mit seinem eigenen Programm Google Assistant. Zwar war es technisch möglich, andere Assistenten zu nutzen, doch es fehlte an Schnittstellen und tiefer Systemintegration. Die Öffnung des Zugangs ist ein wichtiges Signal für Anbieter wie Cerence oder große Tech-Player wie Amazon (Alexa).
Im Bereich der Medienwiedergabe sind zwar schon viele Dienste, wie Spotify, Audible oder Apple Music über Android-Auto nutzbar, doch deren Integration war ebenfalls nur begrenzt möglich: Designvorgaben, eingeschränkte Funktionen, kaum Raum für Differenzierung. Mit der Öffnung der Systemfunktionen können Anbieter künftig flexibler ihre Oberflächen gestalten und die User-Experience verbessern.
Warum greift das Kartellamt ein?
Das Bundeskartellamt hatte Google im Juni 2023 offiziell in den Fokus genommen – auf Basis der neuen Befugnisse nach § 19a GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Diese Regel erlaubt es, Digitalkonzerne mit "überragender marktübergreifender Bedeutung" strenger zu regulieren.
Google habe seine "Marktmacht im Bereich des Infotainments auf problematische Weise genutzt", so das Kartellamt. Besonders die Verbindung zwischen den verschiedenen Google-Diensten und deren exklusive Vorzugsbehandlung war Gegenstand der Prüfung. Die jetzt getroffene Einigung ist ein Präzedenzfall. Sie zeigt, dass neue Wettbewerbsregeln greifen – und auch Tech-Giganten nicht unangetastet bleiben.
Google möchte kooperieren
Der Mega-Konzern hat die Vorwürfe nicht direkt eingeräumt, sich aber kooperativ gezeigt. In einer Erklärung betont Google, man wolle "den Nutzern eine gute Erfahrung bieten und gleichzeitig den Wettbewerb fördern". Die Einigung ist freiwillig, doch sie vermeidet ein formelles Verfahren, das sich über Jahre hätte ziehen können. Besonders brisant: Google verspricht, die Änderungen weltweit umzusetzen, nicht nur in Deutschland. Damit setzt der Fall möglicherweise ein internationales Signal für andere Regulierungsbehörden, etwa in der EU, den USA oder Südkorea.
Auswirkungen auf Autohersteller, Entwickler und Nutzer
Die Öffnung kommt nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, an dem immer mehr Autohersteller Android Automotive OS als Systemplattform nutzen – etwa Volvo, Polestar oder Ford. Die Entscheidung des Kartellamts verschiebt damit die Machtverhältnisse zwischen Plattformanbieter (Google), Gerätehersteller (OEMs) und Drittentwicklern.
Für Entwickler bedeutet das:
- Mehr technische Möglichkeiten zur Systemintegration
- Weniger Einschränkungen durch Google-Vorgaben
- Höhere Sichtbarkeit im Fahrzeug-Cockpit
Für Nutzer heißt das:
- Mehr Auswahl bei Navigations- und Mediadiensten
- Flexiblere Nutzung von Sprachassistenten
- Individuellere Infotainment-Erlebnisse