125er fahren: Führerschein B196 im Selbstversuch

125er-Führerschein B196 im Selbstversuch
Der Kreisverkehr als Endgegner

Wenn sich Männer spontan dazu entschließen den Motorrad-Führerschein zu machen, dann haben sie – so sagt man – meist ein mittleres Alter erreicht, bedrohlich reduziertes Haupthaar und daraus resultierend eine leichte persönliche Krise, die es zu kompensieren gilt. Wie gut, dass das auf mich nicht zutrifft. Einerseits bin ich nämlich jünger und andererseits geht es auch "nur" um die Lizenz B196. Obwohl das Kraftfahrtbundesamt auch hier eine erhöhte Anzahl von Aspiranten zwischen 45 und 60 Jahren verzeichnet, aber das ignorieren wir jetzt einfach weg.

Kurz zum Hintergrund: Seit 2020 ist es für Autofahrer besonders einfach, die Fahrerlaubnis für 125er-Maschinen zu erlangen. Man muss mindestens fünf Jahre Auto-Erfahrung mitbringen und mindestens 25 Jahre alt sein. Dann braucht es nur ein paar Fahrstunden und eine Theorie-Einheit und schon geht es legal auf's Zweirad. Ganz ohne Prüfung. Ist das wirklich so einfach wie es klingt? Ich habe es ausprobiert und mir den Lappen "erfahren" – ein Erlebnisbericht.

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Patrick Lang

Warum haben Reifen ein Profil?

Auf die Frage, warum Reifen überhaupt ein Profil haben, herrscht angespannte Stille. Die Fahrschüler spielen "Beamten-Mikado" – wer sich zuerst rührt, verliert. Ich sitze inmitten von 15 bis 17-jährigen Führerscheinanwärtern und komme mir berechtigt deplatziert vor. Um mich selbst zu beruhigen, platziere ich meinen Auto-Schlüssel für alle gut sichtbar vor mir auf dem Tisch. "Ähm, zur Wasser-Verdrängung", antworte ich zögernd, um der Stille ein Ende zu bereiten. Fahrlehrer Jörg Kreiselmeier nickt wohlwollend und dröhnt mit sonorer Stimme: "Ganz genau so ist es." Na ein Glück. Wenn ich bei auch nur einer Frage falsch liegen sollte, wandert der Autoschlüssel ratzfatz vom Tisch in die Tasche, schwöre ich mir.

Organisatorisch ist es eigentlich ganz angenehm gestaltet. Die Theorie-Einheit findet an einem Samstag von 10 bis 14 Uhr statt und ist auch für Berufstätige damit kein zeitliches Hindernis. Gut so, denn mit der neuen 125er-Regelung sollen schließlich vor allem Autofahrer die leichten Motorräder als Pendlerfahrzeug für sich entdecken. Damit sinkt die in Anspruch genommene Verkehrsfläche zusammen mit den Emissionen. Also eigentlich keine schlechte Sache. Und wie schwer kann es schon sein so ein kleines Moped zu pilotieren?

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Tyson Jopson

Der erste Kontakt

RRRRRÄÄÄWWRRR, Knack. Abgewürgt. Sowas ist mir mit dem Auto schon Jahre nicht mehr passiert, und jetzt steht mir unter dem Helm bereits nach den ersten paar Minuten der Schweiß auf der Stirn. Aus dem Funkgerät in meinem Ohr tönt es blechern: "Einfach Kupplung ziehen und wieder anschmeißen." Klar, DAS krieg ich hin. Die KTM Duke startet von neuem. Auf einem Park and Ride-Parkplatz (wie passend eigentlich) findet der Erstkontakt zum Vehikel statt. Anfahren, Bremsen und Slalom stehen auf dem Programm. Glücklicherweise nicht während der Rushhour, denn für Publikum bin ich beileibe nicht bereit.

Das Betätigen einer Kupplung mit der Hand und das Einlegen eines Ganges mit dem Fuß fühlen sich für mich als passionierten Autofahrer wie ein groteskes Manöver aus einem Parallel-Universum an. Schon nach wenigen Anfahr-Versuchen spüre ich etwas, das sich wie eine Sehnenscheidenentzündung anfühlt. Ein Umstand, den ich freilich für mich behalte und fleißig weiter kupple. Nur rund 30 Versuche später gelingt das Anfahren problemlos. Blick nach vorne, nicht auf die Instrumente. Es braucht die Horizontlinie für’s Gleichgewicht – ich erinnere mich an die Tipps aus der Theoriestunde. Tatsächlich ist es wie so oft: Wenn man nicht angestrengt über den Vorgang nachdenkt, gelingt es wesentlich besser.

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Tyson Jopson

Endgegner Kreisverkehr

Nachdem ich nun das Fahren einiger Meter geradeaus in traumwandlerischer Sicherheit beherrsche, stehen gestreifte Pylonen vor mir Schlange und wollen umfahren werden. Slalom in Schrittgeschwindigkeit ist anfangs eine ziemliche Herausforderung für Koordination und Gleichgewicht. Mit 25 km/h geht es schon besser von der Hand. Nach 90 Minuten körperlicher und kognitiver Grenzerfahrung teilt mir Fahrlehrer Jörg mit, dass ja alles prima sei und wir in der nächsten Stunde auf die Straße können. Ich lächle unsicher, nicke aber, als wäre ich da ganz seiner Meinung.

"Rechtskurven schneiden, in Linkskurven nicht zu weit Richtung Gegenverkehr." Im Kopf wiederhole ich das Gelernte wie ein Mantra ohne dabei zu ahnen, dass die wahre Herausforderung ein viel profaner erscheinendes Verkehrselement sein wird. Der Kreisverkehr – hier kommt alles zusammen. Kuppeln, runterschalten, in die Kurve lehnen, blinken, Schulterblick, und wieder hochschalten. Himmelherrgottzefixnocheins. Was sich dagegen als waschechter Vorteil einer mehrjährigen Autofahrer-Karriere entpuppt, ist der Umstand, dass ein Erfassen von Verkehrssituationen mein Bewusstsein nicht über Gebühr in Anspruch nimmt. Erst hier fällt mir auf, dass ich über Verkehrszeichen offenbar gar nicht nachdenken muss. Der geschulte Geist verarbeitet diese Infos in Eigenregie, sodass ich mich voll und ganz auf das körperliche Hier und Jetzt konzentrieren kann.

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Tyson Jopson

Die wertvollste Lektion

Ich finde Rechtkurven irgendwie einfacher. Sie liegen mir mehr, keine Ahnung warum – im Auto habe ich keine Lieblingskurven, da mag ich sie alle gleichermaßen. Diese eine Landstraßenlinkskurve jedenfalls, hat mich gehörig das Fürchten gelehrt. Von neu gewonnenem Selbstvertrauen beflügelt drehe ich das Gas auf. Macht schon Laune. Bisschen mehr geht noch. Irre, wie schnell sich 90 km/h auf zwei Rädern anfühlen. Und plötzlich knickt die Straße Richtung Osten ab. Ich bremse runter, lehne mich rein und merke trotzdem: Das ist zu schnell. Das Ganze eine Nahtod-Erfahrung zu nennen wäre wohl arg pathetisch, doch die folgenden drei Sekunden fühlen sich trotzdem schwer nach Zeitlupe an. Der weiß gestreifte Fahrbahnrand kommt näher, immer näher. Den Abflug zu vermeiden gelingt mir mit wenigen Zentimetern Spielraum. "Nur nicht übermütig werden. Das war n bisschen schnell, ne?", scheppert es in meine Ohrmuschel. Ähm ja. Das war es.

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Tyson Jopson

Wenn mich diese Erfahrung aus der dritten Fahrstunde eines gelehrt hat, dann ist es nicht Furcht, aber gesunden Respekt vor der Materie. Motorrad fahren ist wirklich anspruchsvoll. Das macht man nicht "mal eben so". Vielleicht nach Jahren der Routine. Nur weil ich berufsbedingt jede Menge Autos bewege, bisweilen auch im Grenzbereich, heißt das noch lange nicht, dass mir das Moped bedingungslos gehorcht. Neben all den guten und praktischen Tipps aus der Fahrschule ist das meine wertvollste Lektion. Für mich heißt es jetzt also: Üben, üben, üben – und darauf hab ich ordentlich Bock, denn Motorrad fahren ist auch eine Mordsgaudi. Eines ist mir jedenfalls kristallklar: Den richtigen Motorrad-Führerschein mache ich, bevor Bauchansatz und Haarkranz die nahende Rente anmahnen.

125er Führerschein B196 Übersicht
Tyson Jopson / Patrick Lang