Das kann ich ganz kurz beantworten: Ich wollte CEO werden, um Daimler Truck – als enger Partner unserer Kunden – zum besten Lkw- und Busunternehmen der Welt zu machen. Natürlich ist das ein ambitioniertes Ziel, aber ich bin überzeugt, dass man sich hohe Ziele setzen muss, wenn man das Beste aus sich herausholen will. Und dasselbe gilt für Unternehmen.
In Europa kommen gerade vor allem drei Dinge zusammen. Die Nachfrage nach Lkw hat sich deutlich abgeschwächt, gleichzeitig nimmt der Wettbewerb zu – in den nächsten Jahren sicher auch durch Hersteller aus Fernost – und die historische Transformation unserer Branche zum emissionsfreien Transport fordert uns weiter. Darüber hinaus bringt auch die aktuelle geopolitische Lage für uns als globales Unternehmen ein hohes Maß an Unsicherheit. Es sind also keine einfachen Zeiten und als Unternehmen muss man sich konsequent darauf einstellen. Genau das tun wir.
Ja, auch wir müssen unsere Kosten in Europa deutlich senken und sind gerade dabei, die konkreten Maßnahmen zu erarbeiten. Details sind deshalb noch nicht spruchreif. Die Gründe dafür haben vor allem mit der Transformation unserer Branche zu tun. Für Nutzfahrzeughersteller gibt es sehr ambitionierte Ziele zur CO₂-Reduktion, die wir nur erreichen können, wenn wir viele Milliarden Euro in neue Technologien, Produkte und Services investieren. Um das finanzieren zu können, müssen wir unsere Kosten reduzieren.
Kundenorientierung bedeutet für uns, dass wir unseren Kunden genau zuhören, und ihnen dann genau die Lösungen anbieten, die sie brauchen. Das bedeutet, dass wir ihnen nicht nur die besten Fahrzeuge liefern wollen. Wir wollen auch dafür sorgen, dass unsere Kunden diese Fahrzeuge reibungslos betreiben können. Deshalb bauen wir zum Beispiel unser Netzwerk an Niederlassungen aus und errichten in Sachsen-Anhalt ein neues Logistikzentrum für unsere globale Ersatzteilversorgung. Aktuell verändern sich die Bedürfnisse von Nutzfahrzeugkunden auch durch die Transformation. Unsere Kunden erwarten, dass wir den Wechsel zu emissionsfreien Fahrzeugen für sie so einfach wie möglich machen. Und das ist natürlich auch unser eigener Anspruch. Wir bieten deshalb nicht nur die richtigen emissionsfreien Fahrzeuge an, sondern auch die richtigen Services wie zum Beispiel optimale Ladelösungen.
Wir sind mit batterieelektrischen Antrieben gestartet und werden sie mit etwas Zeitverzug um wasserstoffbasierte Antriebe ergänzen. Denn allein mit Batterien wird es bei Nutzfahrzeugen nicht funktionieren: Heute sind in Europa sechs Millionen Lkw unterwegs und wir können unsere Hochspannungsnetze gar nicht schnell genug ausbauen – und schon gar nicht zu vertretbaren Kosten –, um all diese Trucks komplett auf Batterie-Antrieb umzustellen. Was den richtigen Mix zwischen beiden Antriebstechnologien angeht, so werden darüber am Ende nicht wir bestimmen, sondern unsere Kunden. Je nach konkretem Anwendungsfall werden sie sich für die eine oder die andere Technologie entscheiden.
Der Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur geht bisher viel zu langsam. Um die CO₂-Ziele der EU zu erreichen, brauchen wir bis 2030 in Europa 35.000 Schnellladepunkte für elektrische Lkw und Reisebusse – heute gibt es nicht einmal 1.000. Bei Wasserstoff sieht es nicht besser aus. Das muss sich also dringend ändern. Beispielsweise nimmt der deutsche Staat rund 15 Milliarden Euro durch die Lkw-Maut ein. Davon sollte ein erheblicher Teil in den Infrastrukturausbau investiert werden – das passiert heute wenig bis gar nicht. Aber auch wenn bei diesem Thema vor allem Energiewirtschaft und Politik gefragt sind, wollen wir als Hersteller ebenfalls einen Beitrag leisten. Wir haben deshalb gemeinsam mit Volvo und Traton das Gemeinschaftsunternehmen Milence gegründet, das sich zum Ziel gesetzt hat, in Europa 1.700 öffentliche Ladepunkte zu errichten.
Um nochmal auf die fehlende Infrastruktur zurückzukommen: Die Politik würde es für unsere Kunden deutlich attraktiver machen, sich elektrische Lkw anzuschaffen, wenn sie sie dabei unterstützt, in ihren Depots eigene Lade-Infrastrukturen zu errichten.
Ja, durchaus. Hohe Strompreise sind für elektrische Lkw zwar in der Tat erstmal eine Belastung – und niedrigere Strompreise wären deshalb wünschenswert –, aber Vorteile bei einer CO₂-basierten Maut können das bei einigen Kunden wettmachen.
Dazu muss ich etwas ausholen. Die Nutzfahrzeugindustrie investiert seit Jahren viele Milliarden Euro in emissionsfreie Antriebe und hat hier schon viel erreicht. Allein bei Daimler Truck sind heute weltweit elf batterie-elektrische Lkw- und Bus-Modelle in Serie. Bei der Dekarbonisierung des Transports fehlt es also nicht an den Fahrzeugen – es fehlt vor allem am Ladenetz. Wir haben es deshalb gar nicht selbst in der Hand, ob wir die CO₂-Ziele der EU für 2030 erreichen. Aber falls wir sie verfehlen, müssen wir trotzdem hohe Strafen zahlen. Wir haben deshalb die Erwartung, dass die Politik die CO₂-Ziele für Nutzfahrzeughersteller an den Ausbau der Infrastruktur koppelt.
Bei der Infrastruktur hat das deutsche Verkehrsministerium schon wichtige Vorarbeit geleistet und beispielsweise einen Plan für ein Grundnetz aus Hochleistungsladesäulen entlang der Autobahnen vorgestellt und ausgeschrieben. Wir hoffen natürlich, dass die kommende Regierung darauf aufsetzt und die Infrastruktur entschlossen ausbaut. Gleiches gilt für die anderen wichtigen Themen, die wir angesprochen haben: niedrige Strompreise, europaweite CO₂-Maut und an den Infrastrukturausbau gekoppelte CO₂-Ziele.
Die USA dürften auf absehbare Zeit der attraktivste Einzelmarkt für Daimler Truck bleiben, und Indien könnte in den kommenden Jahren stark wachsen. Deutschland ist unser wichtigster Markt in Europa.
China ist der größte Lkw-Markt der Welt, der in den vergangenen Jahren allerdings deutlich zurückgegangen ist. Und auch aktuell ist die Situation dort sehr herausfordernd. Wir sind mit unserem Joint Venture Partner Foton deshalb in Gesprächen, wie wir unser Geschäft in China mit Blick auf die Zukunft noch besser aufstellen können.
Bei Daimler Truck möchten wir sicherstellen, dass sich alle unsere Mitarbeitenden entwickeln können und die gleichen Chancen haben – aus Gründen der Fairness, aber auch, weil es absolut erfolgsentscheidend ist, die besten Talente zu nutzen. Denn beim Thema Vielfalt geht es nicht nur um meine persönlichen Überzeugungen. Studien zeigen, dass Unternehmen mit mehr Vielfalt erfolgreicher sind, und da wir das beste Lkw- und Busunternehmen der Welt sein wollen, ist es für Daimler Truck essenziell, vielfältige Teams zu haben. Dasselbe gilt übrigens auch auf Landesebene. Eine Gesellschaft muss größtes Interesse daran haben, dass talentierte, gut ausgebildete Frauen ihre Fähigkeiten vollumfänglich einbringen können. Es ist deshalb im Interesse der Politik, das zu fördern. Zum Beispiel sollte es steuerlich attraktiv sein, dass beide Elternteile arbeiten, und bei der Kinderbetreuung braucht es genügend Plätze und ausreichende Betreuungszeiten.
Vita
Karin Rådström, 1979 in Schweden, geboren, startet ihre Karriere bei Scania, wo sie in verschiedenen Positionen tätig ist. 2021 wechselt die Ingenieurin und Managerin zu Daimler Truck. Dort verantwortet sie im Vorstand Europa und Lateinamerika und wird Markenchefin von Mercedes-Benz-Lkw. Seit 1. Oktober 2024 ist sie CEO des Unternehmens.