Kommentar: Auto-Deutschland hinkt hinterher

Akkus, Software, Elektronik
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Chinas Aufstieg - Wachablösung bei Autonationen

Gerd Stegmaier Produktion China Deutschland Collage © ams / Patrick Lang 32 Bilder

Das Ende der Spitzenpostion für die deutsche Autoindustrie, weil sie bei neuen Schlüsseltechnologien hinterherhinkt, befürchtet Gerd Stegmaier.

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Das Epizentrum der Autoindustrie verschiebt sich nach Osten: Deutschland, wo die Autobahnen kein Tempolimit kennen und die Motorenbegeisterung keine Grenzen, wo 16-Zylinder und Sparweltmeister-Verbrenner erdacht wurden und um Rundenzeiten-Zehntel auf dem Eichmeter für Sportwagen, der Nordschleife des Nürburgrings, immer noch gekämpft wird, scheint überholt zu werden. Warum? In den neuen Innovationsfeldern, die der sogenannte disruptive Wandel zu Paradedisziplinen der Automobilentwicklung gemacht hat, ist die deutsche Autoindustrie nicht mehr Spitze.

Akkus, Ladeinfrastruktur, Software – nirgends sind die Deutschen vorn

Es geht um den E-Antrieb mit Batterien und um Software, nicht nur für's autonome Fahren. Indizien: Immer mehr chinesische, aus unserer Sicht haarsträubend junge Auto-Start-ups bedrängen den Hochadel der deutschen Hersteller nicht nur auf dem größten Automarkt im Reich der Mitte, sondern drängen auch nach Europa. Nio beispielsweise: Der einstige Beinahe-Pleitier bringt neben gut funktionierenden Autos mit Premium-Anspruch nicht nur Akku-Wechselstationen mit, sondern investiert auch in Ladeinfrastruktur. Angestrebte Ladeleistung: 500 kW. Es ist nicht so, dass hierzulande die Binsenweisheit, ohne Ladeinfrastruktur kein Erfolg für die E-Mobilität, nicht ins Management der Autohersteller durchgedrungen wäre. Allein: Ein Hersteller-Ladenetz gibt’s bislang nur von Tesla.

© Nio
Nio-Start in Europa Drei Modelle, Wechselakkus, eigene 500-kW-Lader

Die Amerikaner werden übrigens demnächst ein Stück Kerntechnologie für ihre Autos von extern beziehen: Akkus. Die soll BYD liefern. BYD? Build Your Dream heißt das chinesische Unternehmen, das erst seit 2003 Autos baut. Vor allem aber stellen die Chinesen Batterien her. Zum Beispiel für Busse. Mit in Ungarn produzierten Elektro-Bussen, deren Akkus BYD selbst herstellt, hat der chinesische Hersteller schon in Europa Erfolg: Laut Handelsblatt beträgt deren Marktanteil 20 Prozent.

© Tesla
BYD liefert Batterien für Tesla Elon Musks neue Freunde aus China

Großer Akkuhersteller baut Autos, nicht umgekehrt

Das Besondere, das auch Tesla mit den Chinesen anbandeln lässt: BYD hat die günstige Lithium-Eisen-Phosphat-Technologie mit einem selbstentwickelten Cell-to-pack-Design so energiedicht gemacht, dass der Einsatz in Pkw sinnvoll wurde. Wegen der günstigen Zellchemie sind die Akkus erheblich billiger – ein Magnet für Tesla. Aber auch VW und Mercedes wollen Lithium-Eisenphosphat-Zellen für ihre Einstiegsmodelle einsetzen. Wo die wohl herkommen sollen?

© CATL
Natrium-Ionen-Batterie von CATL (2023) So gut ist die Billig-Batterie ohne Lithium

Dass der größte Batteriehersteller der Welt (CATL) ebenfalls aus China kommt und längst auch die deutschen Premiumhersteller beliefert sowie mit Natrium-Ionen-Akkus bereits erste Alternativen zum sich verknappenden Lithium entwickelt, passt da ins Bild. Genauso wie der Umstand, dass MG, einst der Stolz der britischen Autoindustrie und jetzt Marke des chinesischen Autokonzerns SAIC, unter anderem einer der zwei wichtigsten Kooperationspartner von Volkswagen in China, mit nennenswerten Zahlen in der deutschen Zulassungsstatistik auftaucht. Kein Wunder. MG bietet in Deutschland etwas an, das kein anderer Hersteller im Programm hat: Einen vollelektrischen Kompakt-Kombi (MG5). Startpreis laut Website: knapp 32.000 Euro.

© MG Motor Europe
MG5 Electric (2022) Elektro-Kombi ab 35.490 Euro im Anmarsch

Wo den Chinesen Marken fehlen, kaufen sie sie

Hinzu kommt: Europäische Marken wie Smart oder Volvo sind inzwischen chinesisch. Der Konzern Geely besitzt die Marken und die Unternehmen. Im Falle von Smart ist Mercedes noch Teil des Joint-Ventures, aber im Gegenzug ist Geelys Li Shufu mit 9,7 Prozent größter Anteilseigner an Daimler, das insgesamt bereits zu einem Fünftel in chinesischer Hand ist. Und die Geely-Tochter Volvo hat mit Polestar einen reinen Elektro-Ableger, der selbstbewusst sogar Porsche ins Visier nimmt.

Mit Software und Vernetzung fremdeln die "Blechbieger"

Und bei allen chinesischen Marken zu beobachten: Reine Fahrqualitäten mögen noch ihr größtes Lernfeld sein – da kaufen sie sich, wie zuletzt beim Design, unerschrocken europäische Expertise ein. Aber sie tun sich viel leichter mit dem Thema Smartphone auf Rädern. Vernetzung und aus europäischer Sicht vielleicht eher unnötige Infotainment-Features sind für die aufgeschlossene asiatische Kundschaft wichtig. Die wendet sich demzufolge ab vom bisherigen chinesischen Marktführer Volkswagen, der in seinen Modellen mit vergleichsweise kleinen Displays und selbst hierzulande phasenweise dysfunktionaler Software und Bedienung überraschte. Im Hintergrund versucht der Konzern mit der Ausgründung Cariad das Thema Software und Elektronik in den Griff zu kriegen – mit der klassischen Methode von Industrieunternehmen mit langer Tradition in Hardware-Massenproduktion: Ein großes Problem bekämpft man mit großem Ressourceneinsatz. Sprich: Cariad stellte tausende Software-Entwickler ein. Dass das nicht zum Ziel führen muss, mag man an den internen Streitereien im Mehrmarken-Konzern ablesen oder daran, dass viele der Softwerker schon wieder das Weite gesucht haben: Geringe Erfolgsaussichten sorgen für ein frustrierendes Arbeitsklima.

Hinzu kommt die aktuelle Versorgungskrise: Chips, Kabelbäume, Gas. Dafür kann die deutsche Industrie wenig – aber andere leiden weniger.

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