Finanzprobleme bei Byton: Frisches FAW-Geld

Deutscher Byton-Standort nach Insolvenz
Ein einsamer Bonsai-Baum hält die Stellung

Ein Gewerbegebiet im 20 Fahrminuten nordöstlich von München gelegenen Ismaning – abbiegen in die kleine Straße "Am Lenzenfleck" und bei der zweiten Querstraße Fischerfleck steht es weit sichtbar an der Ecke: Das Hauptgebäude von Bytons deutschem Standort. Das chinesische Elektroauto-Startup existiert zwar noch, aber die Standorte in Kalifornien und Deutschland sind wegen immenser finanzieller Schwierigkeiten dicht.

Areal wirkt neu

Das Gebäude sieht aus wie neu und vor allen Dingen wirkt das komplette Areal so, als würden hier am Montagmorgen wieder jede Menge Mitarbeiter ihrem Job nachgehen. Links auf dem Parkplatz vor dem Gebäude stehen zwei Byton-Ladesäulen – wahrscheinlich die einzigen in Deutschland. Daneben weist ein Autokennzeichen mit der Aufschrift "Pool car" darauf hin, wofür dieser Stellplatz gedacht war.

Byton Standort in Ismaning
Gregor Hebermehl

Bonsai-Baum hinter Glas

Die Fenster sind verhangen, nur beim Eingang ins Treppenhaus lässt die spiegelnde Glastür ein wenig den Blick durch. Auf dem Boden ist ein runder Teppich mit Byton-Logo zu erkennen, rechts hinten steht ein mit Rollen versehener Tisch – und auf ihm vielleicht der Grund, warum hier noch Licht ins Gebäude fallen darf: Ein einsamer Bonsai-Baum reckt sich aus seinem Topf.

Byton Standort in Ismaning
Gregor Hebermehl

Bei Familie Mustermann

Im abgezäunten Hinterhof steht ein großes Zelt – der Besucher vermutet darin natürlich Byton-Prototypen. Wahrscheinlich ist es einfach leer. Schließlich sind selbst die Namens-Schilder von den drei Klingelknöpfen verschwunden, die am Tor auf der Rückseite des Gebäudes angebracht sind: Der Schriftzug "Mustermann" versetzt die schon ein wenig verwittert wirkenden Knöpfe wieder in ihren Auslieferungszustand.

Byton Standort in Ismaning
Gregor Hebermehl

Alle Schilder noch montiert

Angeblich hatte Byton bereits 2020 monatelang keine Miete mehr für das Gebäude bezahlt – inzwischen soll der Mietvertrag vom Vermieter gekündigt sein. Trotzdem prangen noch die Byton-Firmenschilder am Gebäude. Und selbst das große, freistehende und von einem kleinen Dach geschützte Byton-Schild an der Straßenecke sieht aus, als hätten es Bauarbeiter erst gestern aufgestellt.

Aber das Gebäude strahlt eine totale Stille aus, die der einsame Bonsai-Baum nur noch verstärkt.

Byton Standort in Ismaning
Gregor Hebermehl

Werk in China ist fertig aufgebaut

Eigentlich schien es so, als laufe bei Byton alles nach Plan. Immer wieder sammelte das Elektroauto-Startup Geld von Investoren ein, legte einen erfolgreichen Auftritt auf der IAA 2019 hin und startete im Februar 2020 am Standort in Nanjing die Vorserien-Produktion seines ersten Modells M-Byte. Für Ende 2020 war der Start der richtigen Serienfertigung (das Werk ist inzwischen fertig aufgebaut) geplant, Anfang 2021 sollte der Export des Elektro-SUVs in die USA und nach Europa starten.

Produktionsstopp, Entlassungen und Finanzlücken

Im Zuge der Corona-Krise ist Byton jedoch in arge finanzielle Probleme geraten, weshalb die Chinesen zum 1. Juli 2020 ihre Produktion stoppten. "Die neue Corona-Pandemie hat die Finanzierung und den Produktionsbetrieb von Byton vor große Herausforderungen gestellt", erklärte das Unternehmen damals laut "Wirtschaftswoche" und "Handelsblatt". Man habe sich nach Abstimmung mit den Aktionären entschlossen, einen Plan zur Senkung der Personalkosten und zur strategischen Neuorganisation auf den Weg zu bringen. Andere Medien berichteten gar, dass Byton seine Aktivitäten für ein halbes Jahr komplett eingestellt hat.

Auf seine Firmentöchter in den USA und Deutschland trifft das definitiv zu; die dort angestellten Mitarbeiter wurden entlassen. Nun wurde vom Amtsgericht München zudem ein Insolvenzverfahren gegen die im nahen Ismaning ansässige Byton GmbH eröffnet. Damit dürfte ein Europa-Start des M-Byte in noch weitere Ferne gerückt sein. Wie die "Wirtschaftswoche" berichtet, sollen die Angestellten zuvor bereits monatelang keine Gehälter erhalten haben. Entsprechende Klagen gegen die Firma seien daraufhin eingereicht worden.

Die Covid-19-Krise "kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt", hieß es im Sommer 2020 bei Byton. Sie habe dazu geführt, "dass die geplante Finanzierungsrunde nicht abgeschlossen werden konnte und bereits zugesagte Investitionen nicht erfolgt sind". Dabei soll es sich vor allem um Geld aus den USA und Japan gehandelt haben. Als Startup, das noch keine Umsätze generiere, sei Byton jedoch von diesen Investitionen abhängig. "Als junges Unternehmen, das kurz vor dem Start der Serienproduktion steht, hat uns diese Entwicklung an einem empfindlichen Punkt getroffen." Mit dem Produktionsstopp und Entlassungen von Mitarbeitern steuerte das Unternehmen gegen. Zudem verzichtete das Top-Management auf einen Großteil seiner Bezüge.

Rückt Byton unter das Dach von FAW?

Dennoch scheint das E-Auto-Startup (zumindest der übriggebliebene chinesische Teil) wieder eine Perspektive zu sehen. Wie chinesische Fachmedien berichten, hat sich Byton erfolgreich darum bemüht, neue staatliche Investoren zu finden. Wichtigster Geldgeber: First Auto Works (FAW), ein staatlicher Auto-Gigant, der unter anderem auch Partner von Volkswagen und Toyota ist. Der drittgrößte chinesische Autohersteller hatte sich im Mai 2019 mit 100 Millionen Dollar am Startup beteiligt und gehörte bereits bei einer früheren Finanzierungsrunde zu den Hauptinvestoren. Mit dem neuen Geld sichert sich FAW nicht nur große Teile von Byton, sondern integriert die noch junge Marke ins Konzernportfolio. Ein Schritt, vor dem Ex-Byton-Chef und -Mitgründer Carsten Breitfeld immer gewarnt hatte. Der hatte das Unternehmen im April 2019 verlassen und arbeitet inzwischen für Faraday Future, ein ebenfalls finanziell schwer angeschlagenes E-Auto-Start-up.

Teil dieses Deals scheint ebenfalls zu sein, dass Byton Vertragshersteller für FAW wird und künftig ein Elektro-Modell der Konzernmarke Hongqi fertigt, um einen Teil seines neuen Werks auszulasten. Zu FAW hat sich inzwischen mit Foxconn ein weiterer Großkonzern gesellt. Der Electronic-Manufacturing-Dienstleister (EMS) ist vor allem als Auftrags-Fertiger für Apple bekannt und versucht schon länger, im Bereich der Elektromobilität Fuß zu fassen, um sich unabhängiger von Apple zu machen. Foxconn produziert in geringem Umfang bereits Fahrzeugteile für Tesla und hat eine modulare Produktionsplattform für E-Autos entwickelt. Das Unternehmen stellt Byton nicht näher spezifizierte industrielle Ressourcen in Höhe von 200 Millionen US-Dollar zur Verfügung.