Nach Darstellung des Autoclubs versuchen viele italienische Kommunen Bußgelder für zu schnelles Fahren, falsches Parken oder die Einfahrt in eine Innenstadtzone über private Inkasso-Firmen in Deutschland zu vollstrecken. Der Vorteil für diese Praxis: Während über den offiziellen Weg der EU-Bußgeldvollstreckung der Erlös im Vollstreckungsstaat, also in Deutschland, bleibt, fließen die Inkasso-Gelder so in weiten Teilen nach Italien.
Der erste Inkasso-Fall, dem sich der Club annimmt, betrifft ein ADAC-Mitglied, das 2021 mit seinem Fahrzeug in eine verkehrsberuhigte Innenstadt einfuhr. Der Verstoß kostet rund 100 Euro. Über ein Inkasso-Unternehmen aus Köln erhielt der Fahrer eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 434,93 Euro.
Privat-Inkasso ohne Rechtsgrundlage
Nach Auffassung des ADAC dürfen polizeiliche Bußgelder ausschließlich im Rahmen der europäischen Bußgeldvollstreckung über das Bundesamt für Justiz (BfJ) eingetrieben werden. "Eine Beteiligung privater Inkasso-Unternehmen ist hierzulande nicht vorgesehen, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage", sagt Auslandsjurist Michael Nissen, Leiter Internationales Recht beim ADAC.
Des Weiteren sieht der Autoclub in dieser Praxis einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung. Die Weitergabe personenbezogener Daten einer öffentlich-rechtlichen Behörde an ein privates Unternehmen sei unzulässig, so Nissen. Entsprechend legte der Autoclub eine datenschutzrechtliche Beschwerde beim Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen ein, da das betreffende Inkasso-Unternehmen den Sitz in Köln hat. Ein Fall aus Österreich bestärkt den ADAC, hier hatte ein Autofahrer wegen eines Tempoverstoßes in Italien von einem österreichischen Inkasso-Unternehmen eine Zahlungsaufforderung erhalten. Der datenschutzrechtlichen Beschwerde wurde stattgegeben.
Inkasso-Gebühren zu hoch
In einem Musterverfahren geht der ADAC auch gegen die hohen Zuschläge der Inkasso-Firmen vor. "Innerhalb von Italien können Kommunen Inkasso-Dienstleister einschalten, aber die dürfen nur das Bußgeld, jedoch keine Inkasso-Gebühren verlangen", erklärt der ADAC-Jurist Nissen. "In Deutschland machen die von italienischen Kommunen beauftragten Firmen aber ihren eigenen Aufwand geltend." Bei einem weiteren Mitglied des Clubs wurden aus einem 100-Euro-Bußgeld 323,44 Euro. Das Musterverfahren wird beim Oberlandesgericht in Köln geführt, da auch in diesem Fall ein Kölner Inkasso-Unternehmen involviert ist.
Zum Hintergrund: Bußgelder und Strafen aus dem EU-Ausland werden in Deutschland seit 2010 über das BfJ eingetrieben: Ab einer Höhe von 70 Euro inklusive Verwaltungskosten. Wichtig, Fahrverbote können dabei nur im Ausland durchgesetzt werden, Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei gibt es auch nicht. Bußgelder aus Nicht-EU-Ländern können hierzulande nicht vollstreckt werden (z.B. aus der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen oder Großbritannien).
Grundsätzlich sollten Autofahrerinnen und -fahrer Bußgeldbescheide aus dem Ausland nicht ignorieren. Rechtskräftige Bußgelder verjähren im EU-Ausland oftmals erst nach einer langen Zeitperiode, in Italien zum Beispiel nach fünf Jahren. Die Strafen können bei Verkehrskontrollen, aber auch bei Passkontrollen an einem Flughafen in den betreffenden Ländern vollstreckt werden. Erhalten Sie eine überhöhte Zahlungsaufforderung eines privaten Inkasso-Unternehmens, lohnt sich auf jeden Fall der Weg zum Anwalt oder zu einer Rechtsberatung.