Die Automarke Borgward verschwindet wieder

Borgward am Ende
Traditionsmarke meldet Insolvenz an

Der chinesische Autohersteller mit deutschen Wurzeln scheint jetzt endgültig am Ende zu sein. Wie chinesische Medien berichten, hat der Autobauer am 8. April 2022 in Peking Insolvenz angemeldet. Borgward habe seit seiner Gründung Verluste gemacht, heißt es. Zuletzt habe das Unternehmen seine Schulden nicht mehr begleichen können. Die Insolvenz drohte dem Unternehmen bereits im Juni 2021, konnte aber damals kurzfristig noch abgewendet werden. Im Oktober 2021 strengten die Gläubiger dann aber eine Beschlagnahme der Vermögenswerte von Borgward an, um die Schulden zu begleichen.

Rückblick: In Deutschland schon 2020 verschwunden

Es grenzt an Detektivarbeit; als würde man einen vermissten Zeugen suchen. Gibt es jemanden, der wahlweise das Ableben oder das Aufleben von Borgward in Deutschland bezeugen kann? Die letzte "News" auf der deutschen Website stammt vom 14. Dezember 2018 und vermeldet Xiuzhan Zhu als neuen Chef. Auch Einträge in sozialen Netzwerken enden 2018. Aktuelle Stellenanzeigen gibt es nicht, der Showroom in der Stuttgarter Innenstadt ist seit der Vorstellung des SUV BX7 leer und dunkel. Marketingchef Tom Anliker hat längst die Firma gewechselt und das einzige Lebenszeichen des Pressesprechers ist eine von Outlook generierte Abwesenheitsnotiz. Was lustig ist, denn eine kurze Recherche ergibt, dass auch der Sprecher mittlerweile beim selben Online-Gebrauchtwagenmarkt gelandet ist wie Anliker. Die Abwesenheitsnotiz ist also mehr als gerechtfertigt. CEO Zhu hat seine Zugehörigkeit zu Borgward indes mit keinem Wort auf den einschlägigen Businessprofilen vermerkt.

Tom Anliker, Vicepresident Marketing Borgward Group AG
Borgward

Weit hinter den Zielen

Nun kann von einem durchschlagenden Erfolg im – laut eigener Aussage – wichtigen Kernmarkt Deutschland kaum die Rede sein. Die Zahl der verkauften Autos ist so gering, dass sie beim Kraftfahrbundesamt in keiner Zulassungsstatistik auftaucht. Auf Anfrage erfährt man: Neun Exemplare des BX7 waren im gesamten Jahr 2019. Selbst auf dem Heimatmarkt China ist der Absatz schwer eingebrochen. 800.000 Autos wollte man ab 2020 jährlich produzieren und global vertreiben – verkauft wurde im Reich der Mitte innerhalb des ersten Halbjahres vierstellig.

Borgward BX7 TS Limited Edition Fahrtermin 2018
Heiko Simayer

Auch weil der chinesische Neuwagenmarkt generell einen Durchhänger hat, verliert Investor Beiqi Foton die Lust an der Marke und verkauft Anfang 2019 das Gros der Anteile an den Mobilitätsdienstleister Ucar. Der allerdings ist nicht so finanzkräftig wie der milliardenschwere Lkw-Hersteller, stabilisiert die Verkaufszahlen aber zunächst durch die Übernahme von Borgward-Modellen in den eigenen Mobilitätsdienst, der dem amerikanischen Uber ähnelt. Neben qualitativen Mängeln an den Autos sorgt auch das Negativ-Image von Ucar-Chef Lu Zhengyao für Probleme – ihm wird Betrug vorgeworfen, die Aktienkurse brechen ein. Um andere Sparten seines Firmen-Imperiums zu retten, verkauft er die Automobil-Abteilung an BAIC. Allmählich gleicht die Marke Borgward einem "Schwarzen Peter", der von Investor zu Investor geschoben wird.


Kein Werk in Bremen

Den Deutschen (potentiellen) Kunden wird es währenddessen auch recht schwer gemacht. Weil es kein deutsches Werk in Bremen gibt, und auch nicht geben wird, muss das bislang einzig theoretisch verfügbare Modell online bestellt werden. "Unsere Fertigung in Bremen wird das weltweite Kompetenzzentrum für Elektromobilität", verspricht der damalige Vorstandsvorsitzende Ulrich Walker 2017 noch vollmundig. Am ersten Juli 2019 verstreicht die letzte Reservierungsfrist für das Gelände am Güterverkehrszentrum ungenutzt, wie der Weser Kurier berichtet. Borgward ist raus aus der Nummer in Bremen, wenn man es mal salopp formulieren möchte.

Ulrich Walker, CEO Borgward Group AG
Borgward

Wir haben unterdessen versucht, auf der Website ein persönliches Angebot anzufordern oder eine Probefahrt zu vereinbaren. Die Masken mit den persönlichen Daten lassen sich zwar ausfüllen, doch beim finalen Klick auf den "Abschicken"-Button passiert nichts, er ist deaktiviert. Ähnlich schwierig gestaltet sich die Service- und Support-Situation, seit die Borgward Group AG in die Borgward Group GmbH überführt wurde. Die Werkstattkette ATU, die jüngst 45 Filialen schließen musste, hätte das Partner-Netzwerk in Deutschland stellen sollen, doch die Kooperation beendete das Unternehmen zum Anfang des Jahres. Mittlerweile ist die Firma Autodis S.A. mit Sitz in Luxemburg für die Bestandskunden verantwortlich, nachdem auch ein geplanter Deal mit der Autovermietung Sixt geplatzt war.

Ärger für Bestandskunden

Die Kommunikation gestaltet sich jedoch schwierig, wie uns ein Borgward-Besitzer erläutert. So kann aus einem routinemäßigen Software-Update schon einmal eine Email-Oddysee werden, an deren Ende die Erkenntnis steht: Werkstatttermine werden nur für Fahrzeuge vereinbart, die in Luxemburg zugelassen sind. "Mit dem Auto sind wir auch nach 20.000 Kilometern immer noch absolut zufrieden, aber der Support per Mail und Telefon ist eine Katastrophe", erzählt der Fahrzeughalter. Letztendlich habe sich ein Borgward-Mitarbeiter aus Stuttgart persönlich um die Software gekümmert. Aha! Es gibt also doch noch jemanden, oder?

Borgward BX-i7 Elektro-SUV
Borgward

Nein, die Lichter der Konzernzentrale in Stuttgart sind längst ausgeknipst, die Mitarbeiter entlassen. "Strategische Neuausrichtung", heißt es in einer offiziellen Begründung. Konzernzentrale ist fortan Peking. Ob dieser Schritt von Anfang an geplant war? Wir haben mit dem ehemaligen Global Design Director Roland Sternmann gesprochen: "Letztendlich diente die ganze Aktion wohl nur dem Imageaufbau für den chinesischen und asiatischen Markt. Wobei man eher hinter dem schnellen Erfolg her, als an Nachhaltigkeit interessiert war. Leider eine vertane Chance den guten Namen von Borgward wieder zum Strahlen zu bringen."

Ob Sie dieser gescheiterten Bemühung nachtrauern möchten, können Sie in unserer Fotoshow beim Blick auf den SUV BX7 entscheiden.