Die im Sommer 2022 aus "dem Umfeld der Automobilindustrie" zugespielten Dokumente sollen laut DUH zeigen, dass die genannten Autohersteller und der Zulieferer eine "aktive Rolle … bei der Beauftragung der Betrugssoftware – trotz nachgewiesener Kenntnis über die rechtlichen Probleme" gespielt haben. Entsprechendes würden Protokolle bis zurück ins Jahr 2006 beweisen. "Unterlagen von November 2009 verweisen mit Hinweis auf ein Protokoll vom 14. September 2006 unter Teilnahme von Bosch, Audi, VW, DC (DaimlerChrysler; Anm. der Red.) und BMW auf den Wunsch der Bosch-Kunden nach einer Funktion, die in bestimmten Betriebsbereichen geringere Umsätze der Harnstoffdosierung erreicht", so die DUH. Des Weiteren soll explizit auf die temperaturabhängoge Umschaltung vom Prüfmodus in den realen Straßenmodus genannt worden sein. Bosch soll bei diesen Verhandlungen auf die rechtlichen Probleme hingewiesen haben.
Bosch: Autohersteller müssen Abschalteinrichtungen verantworten
Weiter teilt die DUH mit: "Das Protokoll vermerkt mehrfach, dass die `Produktparameter (...) Auswirkungen auf (...) die Einhaltung behördlicher Vorschriften haben können´. In einem Diagramm zum `Funktionsprinzip Dosierung´ wird deutlich dargestellt, dass neben der normalen `Vorsteuerung´ der Harnstoffdosierung eine `alternative` Vorsteuerung programmiert und die `Umschaltung´ beispielsweise nach der Lufttemperatur erfolgt."
Aus einer Präsentationsfolie eines Arbeitskreises von Audi, VW, BMW und DC sowie Bosch vom 14. September 2016 heißt es: Die "Applikationsverantwortung sowie Rechtfertigung der Funktion selbst liegt beim Kunden". In einer weiteren Folie mit der Überschrift "Beispiel: Reaktion US-Behörden" wird auf einen Fall von Toyota verwiesen: Der japanische Hersteller musste 2002 in den USA eine Millionenstrafe zahlen und 150.000 Fahrzeuge nachrüsten, da eine Umschaltfunktion "bei Benzinemmissionen zwischen Labor und Fahrbetrieb" als Betrug gewertet wurde.
44 unterschiedliche Abschalteinrichtungen
Am 2. Oktober 2015 wurde der Bosch-Verstand nach Darstellung der DUH-Dokumente über die 44 unterschiedlichen Systeme der Autohersteller und deren Parameter informiert. Diese sollen unter anderem die Ad-Blue-Einspritzung zur Sickoxid-Minderung reduziert haben. Laut der Umwelthilfe nutzten "faktisch alle Autohersteller weltweit" diese Applikation. So sei bei zahlreichen Systemen für Autohersteller vermerkt: "Reduzierung über Bauteilschutzgründe hinaus", "SOF-Funktion kann indirekt als Timer für Zykluserkennung verwendet werden", "Zyklusoptimierung: Weniger Harnstoffverbrauch", "Optimierung im Zyklusbereich", "Könnte für Rollenbetriebserkennung verwendet werden", "Verstoß gegen OBD-Vorschriften".
Weitere Details will der Verein auf einer Pressekonferenz am Donnerstag (17.11.2022) bekannt geben. Stellungnahmen der Autohersteller liegen noch nicht vor.
Im September 2015 wurde bekannt, dass Volkswagen eine illegale Abschaltvorrichtung innerhalb der Motorsteuerung für Diesel-Fahrzeuge verwendet hat, die in den USA auf dem Prüfstand die Abgasnormen erfüllte, im realen Betrieb des Fahrzeugs jedoch abgeschaltet war. Die Software wurde in elf Millionen VW-Fahrzeugen mit den EA-189-Motoren verwendet. Auch die Nachfolge-Motoren der Baureihe EA288 waren betroffen. In Europa waren auch Modelle von Audi und Porsche in den Diesel-Skandal involviert. In der Folge des Skandals musste VW-Chef Martin Winterkorn zurücktreten. Der Abgasskandal war das Initial für eine weitreichende und langjährige Krise in der Auto-Industrie, deren Auswirkungen noch heute zu spüren sind. In der Fotoshow zeigen wir Ihnen, welche Modelle damals betroffen waren.