Abgasmanipulation Fiat/Iveco: Jede Menge Reisemobile betroffen

Mögliche Abgasmanipulation Fiat/Iveco
Jede Menge Reisemobile betroffen

Forster LivinUp
Foto: Forster

Der Fiat Ducato ist das Basismodell für Reisemobile schlechthin. Nahezu jeder namhafte Reisemobil-Hersteller setzt auf den Ducato als Unterbau für eigene Modelle. Der Fiat Ducato ist aber auch ein Transporter mit Dieselmotor und somit Teil der Untersuchungen im Abgasmanipulationsskandal rund um die italienische Marke Fiat und deren Schwesterfirma Iveco.

Wenn manipuliert, dann Schadenersatzanspruch

Im Juli 2020 durchsuchten Ermittler der Staatsanwaltschaft Frankfurt die deutsche Firmenzentrale von FCA in Frankfurt sowie Räumlichkeiten der Schwesterfirma Iveco in Ulm und weitere Objekte in Italien und der Schweiz. Der Konzern steht unter dem Verdacht bei der Abgasmessung mit unzulässigen Abschalteinrichtungen betrogen zu haben. Etwa 200.000 Fahrzeugen von Fiat, Jeep, Alfa-Romeo und Iveco aus dem Bauzeitraum 2014 bis 2019 mit den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 seien betroffen. Darunter sind alle Fahrzeugtypen, vom Kleinwagen bis zum Transporter. Und damit eben auch Sonderformen wie Wohnmobile.

Vergleichstest Fiat Ducato
Karl-Heinz Augustin

Sollten illegale Abschalteinrichtungen nachgewiesen werden, dann drohen den Reisemobilbesitzern laut Juristen Rückrufaktionen und zudem sei mit hohen Wertverlusten zu rechnen. Die Erfahrung aus dem Pkw-Dieselskandal zeigt, dass illegal manipulierte Autos rund 20 bis 25 Prozent mehr an Wert verlieren als vergleichbare, nicht-manipulierte Fahrzeuge. Die betrogenen Halter hätten entsprechend Anspruch auf Schadensersatz. Und zwar nicht gegen den Reisemobil-, sondern den Motorhersteller.

KBA startet ersten Rückruf

Über die notwendigen Informationen zur Einschätzung, ob und in welchen Fahrzeugen eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. Software vorhanden ist, verfügen nach ADAC-Angaben lediglich der Hersteller und das Kraftfahrtbundesamt (KBA). Letzteres hat am 5. Februar 2021 einen ersten Rückruf für 872 Iveco Daily (weltweit 20.085) aus dem Bauzeitraum 2015 bis 2019 gestartet. Die Problembeschreibung lautet: Durch eine ungeeignete Software können Störungen auftreten, durch die sich Verringerung von Stickoxiden ggf. verschlechtert. Als Abhilfemaßnahme ist eine Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware vorgesehen. Dieser Rückruf könnte als Hinweis auf eine Abgasmanipulation gewertet werden.

Erste Urteile

Die Staatsanwaltschaft hatte Besitzer betroffener Fahrzeuge aufgefordert Anzeige gegen Fiat zu erstatten. Über 300 liegen mittlerweile vor, fast 90 Prozent davon kommen von Reisemobilbesitzern. Am 26. Februar 2021 hat ein Gericht erstmals ein Urteil in Sachen Fiat gesprochen. Das Landgericht Freiburg wies die Klage eines Kunden ab (Az. 14 O 333/20). Der Kläger habe nicht substantiiert darlegen können, dass ihm gegen den Fahrzeughersteller ein Schadensersatzanspruch zusteht.

Das Landgericht Koblenz hingegen entschied am 1. März 2021, dass FCA wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB dem Kläger eines Wohnmobils Schadensersatz zu bezahlen hat (Az. 12 O 316/20). FCA muss dem Kläger 52.484,12 Euro bezahlen. Der Verbraucher muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Was ist zu tun?

Der ADAC erklärt dazu, Voraussetzung, um zivilrechtliche Schritte einzuleiten, ist eine konkrete Betroffenheit des jeweiligen Fahrzeugs. Für Schadensersatzansprüche ist außerdem der Nachweis erforderlich, dass der Fahrzeughersteller bewusst getäuscht hat und damit einen Schaden verursacht hat. Wer jetzt tätig werden sollte sind Fiat-Besitzer, deren Diesel nicht älter als 24 Monate ist und die Euro-6-Norm erfüllt (Euro 6d oder Euro 6dtemp sind nicht betroffen). Denn diese Fahrzeuge befinden sich noch innerhalb der Sachmängelhaftungsfrist. Der ADAC empfiehlt sich hier anwaltlichen Rat einzuholen, inwieweit Sachmängelhaftungsansprüche im Raum stehen.

Darüber hinaus erklärt der Automobilclub, dass bei Fahrzeugen, die bereits älter als 24 Monate sind und sich damit außerhalb der Sachmängelhaftungsfrist befinden, aktuell noch kein Risiko droht, durch Zeitablauf Rechte zu verlieren. Die Verjährungsfrist beträgt für diese Verstöße drei Jahre ab Kenntnis (d.h. ab dem öffentlichen Bekanntwerden der Manipulationen). Geht man davon aus, dass die Manipulationsvorwürfe einer breiten Öffentlichkeit erst in diesem Jahr bekannt geworden sind, wird die Verjährungsfrist daher voraussichtlich erst Ende des Jahres zu laufen beginnen. Sie endet dann frühestens am 31.12.2023.

Derzeit sind noch keine Gutachten veröffentlicht, die eine (vorsätzliche) Manipulation eindeutig belegen. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft noch. Sollten die Ermittlungen den Vorwurf der betrügerischen Manipulation bestätigen, kann das Ergebnis im Zivilverfahren verwendet werden. Zuletzt entschied bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sämtliche Abschalteinrichtungen illegal sind, wenn diese zu unterschiedlichen Abgasausstoß zwischen Prüfstand und Normalbetrieb führen.