Wäre der Golf III ein Restaurant, in der Küche würde es wohl "gut bürgerlich" zugehen. Sicher ist der kompakte Volkswagen für all jene, die den spektakulären Auftritt favorisieren, nicht unbedingt erste Wahl – zumindest bis jetzt. Der deutsche Designer Andreas Richter hat sich den Golf geschnappt und virtuell komplett umdekoriert. Aus Hatchback wird Drift-Pickup, aus bieder wird Badboy.
Im krassen Kontrast zu diesem digital entworfenen Biest stehen die Merkmale, die den Golf III seinerzeit ausgemacht haben. Erstmals gibt es Airbags für den Wolfsburger, eine Klimaanlage und elektrische Fensterheber. Auch wenn das nach heutigen Maßstäben überschaubar aufregend klingt, wurden doch rund 4,8 Millionen Exemplare gebaut und fast jeder kennt zumindest jemanden, der mal einen besessen hat. Immerhin: Als Motorisierung stand auch der VR6 zur Auswahl. Jener quer eingebaute Sechszylinder, der mit seinen 15 Grad Zylinderwinkel als Mischung aus V- und Reihenmotor gilt.
Kompressor-V8 und Hinterradantrieb
Eine ganz besondere Kreation der Wolfsburger Ingenieure, aber keine, die Andreas Richter seinem Drift-Pickup zugedacht hat. "Ich habe dem Pickup einen V8 mit Heckantrieb aus einem Formula Drift Wagen verpasst. Virtuelle 1.200 PS gehören natürlich mit dazu", erklärt Richter. Mit diesem Layout dürfte das Mehrgewicht auf der Vorderachse in Kombination mit dem neuen Antriebskonzept das Heck noch etwas leichter ums Eck schieben – zumal das ja auch durch den Wegfall des Daches eine zusätzliche Diät durchlaufen hat.

Unter dem Bodykit bleibt nur wenig Luft über dem Asphalt. Besonders der Frontspoiler sieht aus, als würde er selbst geringste Unebenheiten von der Straßenoberfläche rasieren. Dazu kommen breite Schlappen mit ordentlich Auflagefläche für dichten Qualm bei der Querfahrt. Alles in allem also ein recht begehrenswertes Spielzeug für abgesperrte Strecken. Schade nur, dass es bislang lediglich virtuell existiert. Das trifft übrigens auch auf die anderen Kreationen von Andreas Richter zu, in denen sich Golf III-Elemente finden. Da gibt es etwa einen mit der Front des BMW E30, eine Kreuzung mit dem Vento und weitere Widebody-Varianten.
Petrolhead ohne Auto
Was für ein Typ bastelt solche Autos zusammen? Muss ein krasser Petrolhead sein, oder? Tatsächlich besitzt Richter aktuell gar kein reales Auto: "Da ich seit vier Jahren in Berlin lebe, kann ich alles ganz gut mit den Öffentlichen erreichen." Doch die Liebe zum Golf III entspringt schon der echten Welt. Nach einem alten Ford Fiesta Kasten-Umbau war der Wolfsburger das zweite echte Auto des Designers. "Im Laufe der Zeit habe ich die zeitlos elegante Linienführung des Golf erkannt", erinnert er sich.

Die Ambitionen zum Automobil-Design reichen dagegen weiter in die Vergangenheit. "Bei mir fing das schon im Kindergarten an. In meiner Heimatstadt Kappeln gab es einmal im Jahr eine große Monstertruck-Show, auf die ich mich immer riesig gefreut habe. Etwas später kam mit dem Playstation-Spiel "Need For Speed Underground" die Leidenschaft für Karosserie-Breitbauten dazu." Das Handwerkszeug für das designen von Autos hat sich der gelernte Tischler durch stundenlanges Herumprobieren und zahlreiche Youtube-Tutorials selbst angeeignet. "So richtig zufrieden werde ich mit meiner Arbeit allerdings erst dann sein, wenn meine Bodykits auf den Markt kommen und von Golf-Liebhabern akzeptiert werden", prognostiziert der Autodidakt. Wir finden: Du bist auf einem sehr guten Weg.