Es hing in den Neunzigern ziemlich schief, das vom Golf GTI anno 1976 scheinbar für die Ewigkeit in Öl und Gummi gemalte Bild der beeindruckenden Fahrdynamik.
Lohnt sich der Aufpreis von 6.550 Euro?
Erst Nummer fünf rückte es wieder gerade, und Nummer sechs legt noch einen drauf – während der neue Polo GTI in der Klasse darunter am nächsten Denkmal für Agilität arbeitet. Die Werkzeuge: kompakte Karosserie, ein aufwendiger, weil doppelt aufgeladener Vierzylinder mit 180 PS sowie optische und technische Anleihen beim großen Bruder. So bemüht sich auch im Polo die elektronische Differenzialsperre XDS um Traktion, die Insassen nehmen im Test-Wagen auf Sportsitzen mit dem bekannten Karomuster Platz. Dort hocken Fahrer und Beifahrer allerdings etwas zu hoch, blicken auf ein Kunststoff-Cockpit zweiter Wahl – zumindest im Vergleich zum Golf. Bei ihm rasten Hebel weniger geräuschvoll, Tasten lassen sich sanfter drücken. Lohnt sich dafür der satte Aufpreis von 6.550 Euro?
In puncto Drehfreude erweist sich der Polo-Vierzylinder als echter Sportmotor
Selbst angesichts des naturgemäß deutlich geräumigeren Innenraums kommen Zweifel auf, denn für diese Summe ließe sich der VW Polo GTI 297 Mal über die Nordschleife des Nürburgrings scheuchen, denn eine Runde dort kostet 22 Euro. Und so wirklich schlecht sitzen selbst die Fondpassagiere nicht. Der von 280 auf 185 Liter geschrumpfte Kofferraum – dort findet die Batterie ein neues Zuhause – wird schon eher zum Ausschlusskriterium für GTI-Fahrer, die sich keinen Zweitwagen leisten wollen. Ja nun, ein Leichtathlet muss ja nicht zwangsläufig Meister im Tapezieren sein.
Jetzt geht es auf den Pylonen-Spielplatz, wo der VW Polo GTI seine Stärken ausspielen kann – sollte er zumindest. Bereits auf der Fahrt funkeln angriffslustig die mittlerweile unvermeidlichen LED-Tagfahrlichter, während sich die Stirn des Piloten in Falten legt. Arbeitet wirklich ein per Turbo und Kompressor aufgeladenes 1,4-Liter-Triebwerk unter der Haube? Der brummige, wenig begeisternde Klang erinnert eher an einen Dreizylinder. Ebenso rasant, wie die Nadel des Drehzahlmessers im Test die 6.000er-Marke ins Visier nimmt, weicht die Enttäuschung: In puncto Drehfreude erweist sich der Vierzylinder als echter Sportmotor.
Meist kommt der Polo pubertär mit quietschenden Reifen vom Fleck
Um flotte Gangwechsel bemüht sich derweil das Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen, die rechte Hand des Fahrers bleibt arbeitslos. Folgt der seinem Spieltrieb, besteht die Gefahr, sich zu verzetteln. Es verlangt im Test einige Konzentration, den passenden Gang für optimalen Vortrieb zu finden. Selbst Anfahren gelingt nur mit Übung, meist kommt der VW Polo GTI pubertär mit quietschenden Reifen vom Fleck . Das Getriebe ist mit ein Grund für die Differenz der Beschleunigungswerte.
Beim Sprint von null auf 100 km/h liegt die gefühlte Ewigkeit einer ganze Sekunde zwischen den VW-Geschwistern. Einzig in der Elastizitätsprüfung holt der Polo auf, um gleich darauf bei der Fahrdynamik vom Golf erneut nur die Rücklichter zu sehen, der in dieser Disziplin mit Hilfe seiner aufpreispflichtigen adaptiven Dämpfer im Test facettenreich zaubert. Sie verhelfen ihm zu einem überragenden Handling, geprägt von spontanem Einlenken und bei Bedarf gezielt einsetzbaren sanften Lastwechseln.
Und beim Familienausflug federt das Fahrwerk im Komfort-Modus derart soft, als ob es GTI noch nicht einmal buchstabieren könnte. Taucht dennoch überraschend eine Biegung auf, spannen die Dämpfer sofort und unmerklich wieder die Muskeln an, der tief in den straff gepolsterten Sitzen kauernde Fahrer muss lediglich den optimalen Lenkeinschlag bestimmen. Früh wieder aufs Gas gehen darf er überdies, da das elektronische Sperrdifferenzial gekonnt mit dem Drehmoment zwischen den Vorderrädern jongliert.
Der Golf hat die GTI-Nase vorn
VW Polo GTI-Piloten werden weit weniger elegant in das Geschehen eingebunden, Bodenwellen dringen im Test spürbar bis in die zu weichen Sitze vor, und auch die Lenkung übermittelt Stöße und das Zerren der Antriebsräder. Selbst wer solche Härte schätzt, vermisst im Polo jene kompromisslose Agilität, die die Eckdaten des Knallbonbons versprechen. Immerhin: Trotz Super-Plus-Pflicht liegen die Kraftstoffkosten aufgrund des niedrigen Verbrauchs deutlich unterhalb des Golf – das Fahrspaß-Niveau allerdings ebenfalls.
Selbst klanglich zeigt sich der kernig röhrende Zweiliter-TSI überlegen, was gerne per Schaltpaddel ausgekostet wird. Warum der große GTI zudem im Test bei den Fahrleistungen deutlich vorne liegt, erklärt das Leistungsgewicht der beiden: Im Golf muss ein PS 6,7, im kleinen Bruder dagegen 6,9 Kilogramm bewegen – ein Manko im Polo GTI-Kunstwerk, das seine Betrachter weit weniger fesselt als das hochpreisige Golf-Gemälde. Einen echten GTI gibts eben nicht zum Poster-Tarif.
VW Golf GTI GTI | VW Polo GTI GTI | |
Grundpreis | 32.500 € | 23.695 € |
Außenmaße | 4268 x 1799 x 1442 mm | 3976 x 1682 x 1452 mm |
Kofferraumvolumen | 380 bis 1270 l | 204 bis 882 l |
Hubraum / Motor | 1984 cm³ / 4-Zylinder | 1390 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 162 kW / 220 PS bei 4500 U/min | 132 kW / 180 PS bei 6200 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 244 km/h | 229 km/h |
0-100 km/h | 6,4 s | 7,4 s |
Verbrauch | 6,3 l/100 km | 5,9 l/100 km |
Testverbrauch | 9,1 l/100 km | 9,2 l/100 km |