VW Golf GTI Performance gegen Ford Focus ST: Das Kompakt-Test-Duell in Hockenheim

VW Golf GTI Performance gegen Ford Focus ST
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Das Kompakt-Test-Duell in Hockenheim

VW Golf GTI Performance, Ford Focus ST, Frontansicht © Hans-Dieter Seufert 20 Bilder

Als Performance-Modell mit Differenzialsperre will der VW Golf GTI Nummer 7 seinen Kultstatus untermauern. Erster Vergleichstest gegen den Ford Focus ST.

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Er kam als wilder Hund zur Welt: Mit 810 Kilo, 110 PS, 0-100-Sprintwerten unter 10 Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von 182 km/h narrte die rasende Sardinenbüchse VW Golf GTI ab 1976 reihenweise Platzhirsche wie Opel Manta, Ford Capri und Co. Doch der Brandstifter von einst verkümmerte über die Jahrzehnte zum Schatten seiner selbst (Vergleichstest aller VW Golf GTI-Generationen). Tiefpunkt: GTI-Generation Nummer sechs. Für echte Sportfahrer bremsten Bits und Bytes sämtliche Funken Wildheit aus. Kein abschaltbares ESP, kein mechanisches Sperrdifferenzial - längst waren andere kompakte Sportgeräte agiler und schneller. Mit dem VW Golf GTI der siebten Generation soll das Feuer nun wieder auflodern.

Dafür entwickelten die GTI-Väter in der Wolfsburger Entwicklungsabteilung den alten Bekannten EA888 weiter. Der Vierzylinder-Turbo trägt nun einen neu entwickelten Zylinderkopf mit wassergekühlter Abgasführung zum Turbolader. Dank zweifach schaltbarem Ventilhub auf der Auslassseite soll der Ladungswechsel optimiert worden sein. In der Basisversion leistet der Neuling mit 220 PS nun zehn PS mehr als sein direkter Vorgänger. Unser Testwagen tritt als „GTI Performance“- Variante dank einer zusätzlichen Leistungsspritze ab Werk mit 230 PS an.

Tuning ab Werk: VW Golf GTI mit 230 PS

Für 1.125 Euro Aufpreis enthält die Performance-Version außerdem eine Vorderachs-Differenzialsperre sowie eine rundum innen-belüftete Bremsanlage (Basis GTI: nur vorn innenbelüftet) mit größeren Bremsscheiben (340 mm vorn, 310 mm hinten, Basis-GTI: 314 mm vorn, 300 mm hinten).

Während sich der GTI Performance warmläuft, rauscht es plötzlich lauthals in der Boxengasse zu Hockenheim. Hier zieht kein unerwarteter Tornado über den Rennkurs, sondern der Vergleichstestgegner, ein Ford Focus ST faucht aus der Boxengasse. Einst GTI gegen Capri, heute VW Golf GTI gegen Ford Focus ST. Anders als der Vorgänger mit herrlich wummerndem Reihen-Fünfzylinderturbo geht der ST nun mit einem aufgeladenen EcoBoost-Vierzylinder mit zwei Liter Hubraum und 250 PS auf die Jagd.

VW Golf GTI ist fast drei Sekunden schneller auf 200 km/h

Sein bassiger Muckibuden-Klang ist jedoch nicht waschecht. Was hätte wohl die Cowboy-Stiefel-Generation zu dem im Ford Focus ST arbeitenden Sound-Symposer gesagt? Egal, solche Elektronik-Tricks werden wir wohl nie wieder los. Bei starker Beschleunigung öffnet ein elektronisch gesteuertes Ventil, welches das Motorgeräusch über ein Rohr intensiviert in den Instrumententräger überträgt.

Apropos starke Beschleunigung: Sowohl Volkswagen als auch Ford hetzen mit manuellem Sechsganggetriebe los, wobei die VW Golf GTI-Schaltbox die deutlich knackigeren Gene in der Entwicklung mitbekommen hat (VW: Sechsgang-DSG gegen 1.900 Euro Aufpreis). Den Sprint bis 100 km/h gewinnt der GTI im Test mit 6,2 Sekunden und damit 0,4 Sekunden vor dem Ford Focus ST. Bis zur 200-km/h-Marke sind es sogar fast drei Sekunden Vorsprung.

Ford Focus ST: Liebenswürdiges Raubein

Doch für uns spielen Stammtisch-Beschleunigungswerte ebenso wie die Höchstgeschwindigkeit (Ford Focus ST: 248 km/h, VW Golf GTI: 250 km/h) nur eine untergeordnete Rolle – bei sport auto zählt die Querdynamik zur Hartwährung.

Bereits im 18-Meter-Slalom treten die unterschiedlichen Charaktere der Kompaktsportler zu Tage. Während der VW Golf GTI mit neutraler Balance durch die Pylonengasse carvt, keilt der Ford Focus ST gern mit dem Heck aus und schaukelt sich auf. Der Capri wäre wohl auf den Focus ST stolz gewesen. Doch leider macht das raubeinige Fahrverhalten im Slalom nicht unbedingt schnell. Die Pylonenwertung gewinnt der GTI im Vergleichstest mit 1,8 km/h Vorsprung auf den Kompaktsportler von Ford.

Jetzt geht’s zum sport auto-Hauptgang, den Rundenzeiten auf dem Kleinen Kurs des Hockenheimrings. Startreihenfolge Colorado-Rot vor Deep Black Perleffekt – der Ford Focus ST darf vor dem VW Golf GTI ran. Nach den ersten Kurven laufen im ST bei abgeschaltetem ESP die Freudentränen der traditionellen Sportfahrer. Der Ford Focus ST lenkt für seine Fahrzeuggattung extrem direkt ein. Die Lenkung arbeitet ebenfalls äußerst präzise, wenn auch mit etwas zu leichtgängiger Rückmeldung. Auf Lastwechsel reagiert der Ford mit extrem agilen Heckschwenks. Alle sportlich orientierten Piloten mit einer gewissen Portion Fahrkönnen werden von dem agil drückenden Hinterteil begeistert sein.

Ford Focus ST mit deaktivierten Fahrhilfen ist nichts für Fahranfänger

Größter Lacher der ST-Pressemitteilung: „Das serienmäßige Sportfahrwerk bietet weniger routinierten Fahrern ein hohes Maß an Sicherheit.“ Dieses PR-Geschwätz müssen wir verneinen. Fahranfängern sollte man den Ford Focus ST mit dieser agilen Abstimmung des Sportfahrwerks zumindest mit deaktivierten Fahrhilfen besser nicht überlassen.

Zurück zum stürmenden Ford Focus ST nach Hockenheim. Es wäre alles gut, wenn der agil abgestimmten Hinterachse auch die entsprechende produktiv mitarbeitende Vorderachse gegenüberstehen würde. Der Fronttriebler kann seine 250 Pferde nur bedingt zügeln und auf den Asphalt bringen. Eine elektronisch simulierte Pseudo-Sperre namens TVC (Torque Vectoring Control) soll eigentlich für Traktion sorgen, doch der Ford Focus ST fällt mit durchdrehendem, innerem Vorderrad am Kurvenscheitel auf. Früh und hart ans Gas? Geht im Focus ST nicht. Unter Last drängt der Focus verstärkt ins Untersteuern.

Und genau an diesem Punkt der Kurvendiskussion zieht der neue VW Golf GTI mit besserer Traktion viel präziser ums Eck. Anders als bisher arbeitet im Kompakt-Hirsch von VW eine elektronisch geregelte Vorderachs-Differenzialsperre, die über eine Lamellenkupplung bis zu 100 Prozent Sperrwirkung aufbauen und im Extremfall das gesamte Antriebsmoment nur über ein Vorderrad übertragen soll.

VW Golf GTI: Kein wilder Hund wie 1976

Warum nicht gleich eine rein mechanische Differenzialsperre? VW will dadurch störende Antriebseinflüsse in der Lenkung vermeiden. VW Golf GTI Nummer sieben ist kein Hardcore-Typ wie anno 1976, sondern eine gelungene Mischung aus Alltagsrenner und Kompaktsportler, der sich auf der Rennstrecke deutlich besser als sein direkter Vorgänger schlägt. Die neue, serienmäßig Progressivlenkung ist direkt, wenn auch nicht ganz so direkt wie die Lenkung im Focus ST. (Max. Lenkradumdrehungen Ford Focus ST: 1,8, VW Golf GTI: 2,1). Dank progressivem Übersetzungsverhältnis arbeitet die GTI-Lenkung beispielsweise beim Einparken angenehm leichtgängig. Im Grenzbereich überzeugt sie mit sportlich-strafferen Lenkkräften als das Pendant im Ford Focus ST.

VW Golf GTI: Neutral und schnell

Wie bei VW Golf GTI Nummer sechs lässt sich auch im Nachfolger das ESP nicht vollständig abschalten. Positiv an diesem aus Sportfahrersicht eigentlich negativen Zustand ist die Tatsache, dass die Eingriffsschwelle nun im Modus „ESC Sport“ wesentlich höher gesetzt werden kann. Die ESP-Eingriffe und die Regeleingriffe des weiterentwickelten XDS+ (soll Einlenkverhalten über gezielte Bremseingriffe verbessern), erfolgen am Limit wesentlich später und sanfter als zuvor. Für Sportfahrer könnte die Eingriffsschwelle zwar noch höher liegen, Grund zum Meckern über „bevormundetes Fahren“ hält sich jedoch bei der aktuellen Generation in Grenzen.

Neutral und ohne spürbare Lastwechsel dreht der VW Golf GTI seine Runden. Die Performance-Bremse überzeugt auf der Rennstrecke mit besserem Ansprechverhalten sowie kürzerem Pedalweg als die Ford Focus ST-Bremse. Mit 1.18,0 Minuten rennt der neue GTI nicht nur 1,8 Sekunden schneller um den Kleinen Kurs als sein Vorgänger, sondern putzt auch Focus ST (1.18,7 min) und vergleichbare Kompaktsportler wie Mercedes A 250 Sport (1.18,3 min) und BMW 125i (1.20,1 min) weg.

Ein wilder Hund ist das Elektronik-Tier von heute zwar nicht mehr, doch der Ur-GTI wäre stolz auf die Leistung seines Enkels. Übrigens: Zwischen der Ikone von 1976 und dem aktuellen VW Golf GTI liegen auf dem kleinen Kurs in Hockenheim 12,2 Sekunden.

Tabelle (techn. Daten)

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