Avant, Touring, Variant, T-Modell, SW oder auch Combi sind bekannte Herstellerbezeichnungen, die mehr oder weniger offensichtlich auf eine Kombikarosserie hinweisen. "Shooting Brake" schreiben sich in der Mittelklasse nur die Reiserucksack-Varianten des VW Arteon und des neuen Genesis G70 in den Namen – obwohl sie keine zweitürigen Coupé-Kombis (so die ursprüngliche Begriffsdefinition) sind und mit ihren Silhouetten eher zu den regulären Kombis passen.
Im Vergleich mit dem Passat Variant zeigt der Arteon mit seinen rahmenlosen Türen und einem schnittigeren Heck aber immerhin, dass seine Designer dem Leitsatz "Form follows function" weniger penibel folgen mussten. Beim extra für Europa entwickelten G70 wird das mit den fensterlosen C-Säulen klar: Statt auf bestmögliche Rundumsicht zu setzen, wird die recht stark gewölbte und dunkel getönte Heckscheibe über schwarz lackierte Anbauteile optisch erweitert.
Feinstes Leder im Genesis G70

Neben der Optik legt der Genesis auch viel Wert auf angenehme Haptik. So verkleidet weiches, an vielen Stellen gestepptes Leder neben den Sitzen auch Türtafeln, Mittelkonsole und einen Teil des Armaturenbretts. Damit wird das Cockpit zum echten Highlight, wenngleich die Tasten und Drehregler sehr ordentlich, aber nicht edel anmuten. Weil das für den gesamten VW-Innenraum gilt, schlägt der G70 Sport Line ihn beim Qualitätseindruck deutlich, obwohl er mit vergleichbarer Ausstattung rund 8000 Euro weniger kostet.
Trotz des Ende 2020 durchgeführten Facelifts bleibt der Arteon bei einem trüben Rückfahrkamerabild und einem Head-up-Display mit ausfahrender Kunststoffscheibe. ImVergleich mit dem G70 fehlt ihm außerdem eine elektrisch verstellbare Lenksäule. Trotzdem herrscht in Sachen Funktionalität eine ausgeglichene Balance. Der Genesis punktet mit dreiteilig umklappbarer Rückbanklehne inklusive Fernentriegelung, Fächern unter dem Ladeboden, und der Beifahrersitz kann über Tasten an seiner Lehne von allen Plätzen aus verstellt werden. Zudem blendet der Tacho ein Videobild des toten Winkels ein, wenn der Blinker gesetzt ist.
Der Arteon kontert mit einem 230-Volt-Anschluss an der Mittelkonsole, einer Drei-Zonen-Klimaanlage sowie einer Durchlade. Auch sind seine Ablagen größer, zum Beispiel passen 1,5-Liter-Flaschen in die vorderen Türtaschen. Und obwohl modebewusster Praktiker, wartet er mit Ösen für ein Trennnetz an der B- und C-Säule auf.
VW Arteon kann Kombi

Grundsätzlich ist der Volkswagen erheblich besser darin, ein Kombinationskraftwagen zu sein. Das ist wegen des recht kleinen Kofferraums (403 l) des G70 und dessen eher engen Fonds zunächst keine Kunst. Doch den 18 cm längeren Arteon kannst du mit vorzüglicher Beinfreiheit auf den Rücksitzen und 565 Liter Gepäckraumvolumen (Passat: 650 l) locker zu Vergleichstests mit typischen Kombis schicken. Auch gegen solche, die sich zumindest sekundär gerne sportlich verausgaben, denn mit den Adaptivstoßdämpfern federt er bequem und erreicht dennoch eine hohe Lenkpräzision. Effet im Handling fehlt ihm als Fronttriebler zwar, aber entspannt schnell kurven kann er prächtig – wie der G70 ist er übrigens auch mit Allrad erhältlich.
Weil der Sportmodus des DSG "Sport" unpassend interpretiert, übernimmt man das Schalten über Land per Lenkradwippen lieber selbst. So baut der 200 PS starke Zweiliter-TDI mit der richtigen Drehzahl zügig Ladedruck auf und schiebt den Arteon ordentlich aus den Kurven. Im Alltag zeigt er sich jedoch anfahrschwach und auch beim Zwischenbeschleunigen aus niedrigen Drehzahlen reagiert er zögerlich, was den Fahrkomfort spürbar reduziert.
Genesis: Besseres Ansprechverhalten, schlechtere Beschleunigung
Viel besser macht das der gleich starke 2,2-Liter im G70, der jedoch im hohen Tempobereich etwas schwächer beschleunigt und mit 8,0 Liter pro 100 Kilometer 0,7 Liter mehr verbraucht. Das Automatikgetriebe legt auch in den Sportmodi verlässlich den richtigen Gang ein, nur lässt sich die Schaltstrategie mangels Individualmodus nicht mit der weichen Dämpfereinstellung kombinieren – wer das will, klickt auch hier die Schaltwippen. Ein kleiner Makel des Drehmomentwandlers: Im Komfortmodus ruckt es manchmal leicht, wenn er bergauf aus niedrigen Drehzahlen runterschaltet.

Wenn man die Drehzahl auf kurvigen Strecken in die Höhe treibt, betont das mechanische Sperrdifferenzial den Hinterradantrieb des G70 speziell auf feuchter Fahrbahn stark. Das ebenfalls abschaltbare ESP regelt jedoch bei deaktivierter Traktionskontrolle manchmal recht spät und dann überaus grob – damit lässt sich aber umgehen.
Das insgesamt noch komfortabel abgestimmte Adaptivfahrwerk federt straffer als das im Arteon, lässt aber trotzdem etwas stärkere Wankbewegungen zu. Den Fahrspaß trübt das keineswegs, doch zeigt sich bei den Fahrdynamiktests: etwas weniger Tempo, spürbar weniger Stabilität beim doppelten Spurwechsel.
Genesis: Keine tempofeste Spurtreue
Schon bei Autobahnrichtgeschwindigkeit läuft der G70-Testwagen nicht immer einwandfrei geradeaus. Ab 170, 180 km/h fallen die leichten Lenkkorrekturen dann immer häufiger auf, und im Bereich über 200 (Vmax: 225 km/h) fühlt es sich in leichten, lang gezogenen Kurven oft so an, als würde der Wind den G70 schubsen: Dann gilt es, mit der dafür etwas spitzen Lenkung feinfühlig zu korrigieren.
Ob’s einfach wirklich am Wind liegt? Wohl kaum, denn der Fahrer im nachfolgenden VW berichtet von tiefenentspannter Spurtreue. Hm, Luftdruck okay? Ja, passt punktgenau. Im Testzeitraum wird es warm genug, um auf Sommerreifen gegenzutesten – aber weil sich das Verhalten nicht ändert, können wir nur festhalten: Gefährlich wird’s nie, zumindest für Schnellfahrer aber definitiv nervig. Die Maluspunkte verteilen wir also auf den Geradeauslauf, aber auch auf die an sich ordentliche Lenkung, die jedoch weniger rückmeldet als die des Arteon.
VW: Touch too much

Der wiederum hält Feedback bei der Bedienung für eher unnötig. Direktwahltasten am Navischirm? Touch. Klimasteuerung? Touch. Lenkradtasten? Touch mit Vibration. Deshalb empfiehlt es sich, das große Infotainment wegzulassen: Der kleinere Bildschirm löst zwar niedriger auf, trägt dafür aber zwei Drehregler. Damit wird die Bedienung einfacher, denn das Infotainment ist in seinem Aufbau insgesamt gut verständlich gestaltet. Zusätzlich bietet der Digitaltacho funktional unterschiedliche Ansichten, doch um etwa ein Telefonat per Lenkradsteuerung zu beenden, muss das richtige Menü angewählt sein.
Im Genesis gibt es zwar eine Induktivladefläche fürs Handy, aber keine kabellose Unterstützung von Apple CarPlay und Android Auto. Dafür kann sich die Bedienung sehen lassen, denn mit den Direktwahltasten (Map, Media, Set-up, Favorit) sind die Hauptfunktionen sofort erreicht und die Klimatemperatur mit einem Dreh eingestellt. Schade jedoch, dass er weder den Dreh-Drück-Steller aus dem GV70 noch den Drehring des GV80 hat: Beide würden speziell dabei helfen, die recht kleinen Textzeilen in den Einstellungsmenüs präzise anzuwählen.
Ansonsten folgt er dem Konzept des Herstellers, der seine Autos nur in München ausstellt, Probefahrten aber bundesweit anbietet. Im Kaufpreis inbegriffen ist eine fünfjährige Garantie inklusive kostenfreier Wartung (bis zu 75 000 km), für die der Genesis abgeholt und zu einer freien Partnerwerkstatt gebracht wird.
Das passt zum Luxusambiente des G70 und trägt zur besseren Kostenbewertung bei. Für einen Sieg gegen den viel praktischeren Arteon reicht’s aber nicht – doch das darf ja egal sein, wenn der Shooting Brake gar kein Kombi sein muss.
VW Arteon Shooting Brake 2.0 TDI R-Line | Genesis G70 Shooting Brake 2.2 D Sport | |
Grundpreis | 57.410 € | 47.900 € |
Außenmaße | 4866 x 1871 x 1459 mm | 4685 x 1850 x 1400 mm |
Kofferraumvolumen | 565 bis 1632 l | 403 bis 1535 l |
Hubraum / Motor | 1968 cm³ / 4-Zylinder | 2199 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 147 kW / 200 PS bei 3600 U/min | 147 kW / 200 PS bei 3800 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 233 km/h | 225 km/h |
0-100 km/h | 7,7 s | 7,8 s |
Testverbrauch | 7,3 l/100 km | 8,0 l/100 km |