Sicher ist, dass man diesen Test nicht liest, weil man sich unbedingt zwischen Alfa Romeo und VW entscheiden müsste.Wer sich einen Alfa kaufen will, der tut das einfach. Und er beschließt nicht plötzlich, dass ein Volkswagen doch die bessere Wahl wäre – ganz egal, wie’s hier ausgeht zwischen Arteon und Giulia .
Giulia und Arteon im Vergleich
Ach ja, die Giulia. Ich weiß ja nicht, welche Assoziationen das Wort „Giulia“ im Normalfall weckt. Ich weiß nur, dass ein weiblicher Vorname als Modellbezeichnung eines Autos besser dazupassen sollte. Das kann nur bei den Italienern klappen, oder können Sie sich vorstellen, dass Volkswagen den Passat bald Franziska oder Leonie nennt?
Beim Arteon handelt es sich im Gegensatz zum mythologisch behafteten Phaeton um einen Kunstnamen ohne große Bedeutung. Das „Art“ könnte man noch interpretieren, aber nein, im Vergleich zur Giulia wirkt jede Modellbezeichnung irgendwie kalt und technisch. Technisch, das passt zum Arteon, der sowohl den (Passat) CC als auch den Phaeton ablöst und damit zu VWs neuer Toplimousine wird – wohlgemerkt: auf Basis des Modularen Querbaukastens. Teurer als der Arteon ist im VW-Portfolio nur noch der Touareg, und damit ist eine Sache klar: Eine richtige Oberklasse-Limousine – wie einst der Phaeton – kann und will der Arteon nicht sein. Dahinter mag stecken, dass der Phaeton eine wirtschaftliche Katastrophe war und die Idee, eine VW-Luxuslimousine zu bauen, von einem gewissen Herrn Piëch kam, der heute nicht mehr allzu viel im Tagesgeschäft mitzureden hat.

Der momentan stärkste Arteon (Gerüchten zufolge kommt noch ein V6) leistet 280 PS und 350 Nm Drehmoment. Standesgemäß, könnte man sagen. Die Kraft liefert der mittlerweile in fast jeder Baureihe eingesetzte EA-888-Motor mit zwei Litern Hubraum, Direkteinspritzung und Monoturbo-Aufladung. Gekoppelt ist das Ganze an das Siebengang-DSG mit nass gelagerter Kupplung. Klingt nach business as usual und ist es auch. Das setzt sich fort beim Innenraum, der wie gewohnt sehr gut verarbeitet ist, aber gewisse Nuancen vermissen lässt, die aus dem Arteon etwas Besonderes gemacht hätten. Einzig die durchgängigen Lüftungsschlitze samt Analoguhr wie im Phaeton versuchen, edles Flair hereinzutransportieren. Sieht schon gut aus, keine Frage, aber letztlich unterscheidet nur dieser Designklecks einen in der Basismotorisierung mindestens 35.000 Euro teuren Arteon vom deutlich günstigeren Golf. Das digitale Kombi-Instrument gibt es mittlerweile sogar im Polo. Kann man alles gut finden, etwa mit Blick auf die genial simple Bedienung – mit Ausnahme der Gestensteuerung, die mal funktioniert und mal nicht.
Der Arteon ist ein sehr angenehmes Auto – in fast jeder Hinsicht. Für Außenstehende ein gefälliger, ungewohnter Anblick, für Drinsitzende entspannte Routine ohne Überraschungen. Oder doch, eine gibt’s: und zwar den Lap-Timer, der sich im Performance-Untermenü versteckt und ein bisschen wirkt wie ein schlechter Witz. Ärgerlich ist es irgendwie auch, dass das Fahrzeugsymbol im Kombi-Instrument beim Einschalten des ACC-Tempomats ein Golf ist – und kein Arteon. Dafür erkennt das System Tempolimits und passt die Geschwindigkeit auf Wunsch an. Zusätzlich bremst es vor Kurven ab und beschleunigt wieder raus, nur lenken muss man noch selbst – autonomes Fahren für Anfänger.
So richtig souverän ist keiner
Gondelt man mit dem Arteon im täglichen Trott herum, scheint alles in bester Ordnung. Das Fahrwerk gibt sich geschmeidig-gelassen, der Motor gießt sein Drehmoment auf den Antriebsstrang, das Infotainment werkelt problemlos, alle Displays brillieren mit hoher Auflösung, hach ja. Alles paletti also?
Prinzipiell ja, gäbe es da nicht das Getriebe, das ja gar nicht so schlecht wäre, würde es nicht im Arteon stecken. Es passt einfach nicht so recht zu einer gehobenen, bequemen Limousine, verschluckt sich gelegentlich beim Anfahren, schaltet außerhalb des Sportmodus nur mit Kick-down runter und raubt dem Arteon mit seinem teils unwirschen Verhalten ein gutes Stück Souveränität – klarer Nachteil des Baukastens. Ich gehe sogar so weit und behaupte, dass die alten tranigen Automaten aus dem Phaeton den Job souveräner erledigen würden. Sie passen nur nicht mehr in das Querlayout aus Motor und Getriebe.
Immerhin: Für überlegte und sanfte Gangwechsel gibt es bei uns sowieso keine Punkte. Deswegen kehrt der VW Arteon beim Standardsprint mit allen Phaeton-Modellen (samt W12) den Boden und zerrt sich dank Haldex-Traktion in nur 5,7 Sekunden auf 100. Nur eine Zehntelsekunde langsamer als behauptet.
Die Giulia hinkt mit 5,8 Sekunden knapp hinterher und verfehlt ihre Herstellerangabe von 5,2 Sekunden deutlich. Und das, obwohl der Zweiliter in der Veloce besser anspricht als das Triebwerk im Arteon, zusätzlich ist das ZF-Automatikgetriebe besser, sprich kürzer, abgestuft als das DSG und schaltet genauso schnell. Aber – und das wundert dich schon beim Einsteigen – der rote Bereich des Drehzahlmessers beginnt schon knapp hinter der 5. Ein Diesel? Nicht ganz, obwohl sich das Triebwerk fast so anfühlt.
Der Alfa, der Sound und die Fans
Untenrum zieht die Veloce auch ohne echte Launch Control stramm weg, presst sich drehmomentstark (400 Nm) durch den mittleren Drehzahlbereich, bevor ihr dann obenrum die Puste ausgeht. Und das ärgert jeden, der schon einmal die alten und „echten“ Alfa-V6-Motoren, wie den Busso-Dreikommazwo im GTV, gefahren ist. Die kamen zwar untenrum nicht aus dem Saft, machten aber dann so einen orchestralen Radau, als würden sie gleich von der Straße abbiegen in die Supertourenwagen-Meisterschaft.
Heute klingen 280 Alfa-PS beim Zwischenspurten so lasch und uninspiriert, dass man als Fan schon garstig werden könnte. Bleibt zu fragen, warum Alfa nicht den V6 aus dem Quadrifoglio in einer 300-PS-Version anbietet, damit Emozione reinkommt in ein Auto, das es nur in einer Disziplin aufnehmen kann mit so einem Hightechniker wie dem Arteon: in der Fahrdynamik. Sonst hat die Giulia überall das Nachsehen. Alles in allem ist das Infotainment schon okay, wirkt aber schon jetzt in die Jahre gekommen – verglichen mit dem des VW.

So richtig nervt eigentlich nur das Navi, das für einfache Strecken oft irrsinnige Ideen hat. Folge: Man lässt das Handy dann doch lieber parallel mitnavigieren. Ein großes Lob hat sich hingegen das Leder verdient, das fantastisch aussieht und hervorragend verarbeitet ist. In die Rubrik „Geschmacksache“ fallen die Schaltwippen hinter dem Sportlenkrad.
Fahrspaß macht nur einer
Und huiuiui, spricht die elektromechanische Servolenkung direkt an. Man braucht eine Weile, um sich daran zu gewöhnen. Feedback kommt da kaum durch, gut ist aber, dass das Chassis mit der schnellen Lenkübersetzung klarkommt und Impulse mit leichtem Einsacken umsetzt. Im Kurvenverlauf untersteuert die Giulia ein bisschen, was sich mit einem gezielten Lastwechsel kurieren lässt.
Danach geht’s mit minimalem Leistungsübersteuern raus aus der Kurve. Richtig cool! Problem: Es könnte noch mehr Spaß machen, würde sich das ESP deaktivieren lassen. Tut es aber nicht. Es gibt nicht einmal einen Knopf, der die Zügel lockert, nur den Sportmodus.
Beim Arteon gibt’s das. Im Slalom hat er trotzdem keine Chance gegen die besser austarierte und 65 Kilo leichtere Giulia, die sich stellenweise so anfühlt, als hätte Alfa vergessen, Stabis einzubauen, und den Oberbau nur lose auf das Chassis draufgesteckt.
Weniger wankt der Arteon nicht, nur anders. Bei ihm wirkt das Geschaukel nachhaltiger und schwerfälliger. Schnell lässt er sich trotzdem bewegen, auch wenn er absolut nicht zu Spielereien aufgelegt ist. Mit ihm arbeitest du Kurve um Kurve ab – als Pflichtaufgabe, nicht weil er es besonders gut könnte.

So richtig Spaß hast dabei weder du noch das Auto. Das Bremspedal erweicht recht rasch, das Getriebe verweigert hin und wieder Schaltbefehle; und wenn der Arteon sprechen könnte, würde er sagen: „Lass es bitte!“ Besser ist das, denn bei flotter Fahrerei fernab des Grenzbereichs fühlst du dich wohler im Arteon und er sich auch. Fürs Sportliche nimmt man die Giulia Veloce, die zusätzlich auch bequem beherrscht. Oder einen BMW 340i. Mit Sechszylinder und Sound. Viel teurer ist er nicht. Aber: Er ist halt kein Alfa.
Alfa Romeo Giulia 2.0 Turbo Q4 Veloce | VW Arteon 2.0 TSI 4Motion R-Line | |
Grundpreis | 52.000 € | 50.675 € |
Außenmaße | 4643 x 1860 x 1438 mm | 4862 x 1871 x 1450 mm |
Kofferraumvolumen | 480 l | 563 bis 1557 l |
Hubraum / Motor | 1995 cm³ / 4-Zylinder | 1984 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 206 kW / 280 PS bei 5250 U/min | 206 kW / 280 PS bei 5100 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 5,8 s | 5,7 s |
Verbrauch | 7,7 l/100 km | 7,3 l/100 km |