Volvo S60 (2019) im Test

Volvo S60 (2019) im Test
:
Ein Volvo, wie man ihn (fast) erwartet

© Hans-Dieter Seufert 16 Bilder

Bisher haben alle nur geschrieben,was es beim S60 nicht mehr geben wird – einen Diesel. Wir klären im Test lieber, was der Volvo kann, der nicht aus Göteborg, sondern aus Charleston/USA kommt.

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Oben dann, wo sich die Gegend von der eigenen Dramatik des schroffen Anstiegs mit einer weiten Hochebene beruhigt, halten wir an. Um nachzuschauen. Aber an der Straße liegt es nicht. Sie hangelt sich in denselben Kurven wie immer aus dem Tal am Fels entlang hinauf. Wenn aber sie hier die Konstante ist, kann sie der Volvo nicht mehr sein.

Womit nicht zu rechnen war. Spätestens seit dem 140 von 1966, aber eher immer schon, kaufte man einen Volvo in der Erwartung, sicher und zuverlässig anzukommen. Aber nicht in jener, dass es beim Fahren zu solch leichtfertigen Vergnüglichkeiten wie Handling kommen könnte. An dieser Konstanten änderte sich auch 2015 nichts, als Volvo von Ford-Unterzeug auf die eigene Skalierbare Plattform- Architektur wechselte. Einen XC/V/S90 mag man für seine Volvoness, die sich vor allem im Gefühl der Geborgenheit ausdrückt. Womöglich lässt sich die nicht mit Dynamik verbinden, dachten wir schon. Na, denkste.

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Obwohl sie beim S60 zur Design-Dynamik entschlossen waren, passt das mit Raumangebot und Rundumsicht.

Schön hingekriegt?

Es klingt banal, ist jedoch eines der größten Komplimente, die man einem Auto machen kann: Der S60 fährt, nun, schön. Gleich erklären wir genau, was wir damit meinen. Zunächst zu den Formalitäten: Als letztes Modell wechselt die Limousine auf die neue Plattform. Mit der reckt sie sich 12,6 cm in die Länge, 9,6 cm beim Radstand, duckt sich 5,3 cm tiefer, was ihrer Eleganz zuträgt.

Zudem verschafft es ihr mehr Platz als im Vorgänger. So wuchs der Kofferraum von 380 auf 442 Liter Volumen, erweiterbar per geteilt klappbarer Fondlehne. Die äußeren Rücksitze sind bei der Version R-Design ebenso geformt wie die vorderen, zur Förderung von Seitenhalt und Langstreckenbequemlichkeit. Tatsächlich säße man auf der tief montierten Bank behaglich mit fünf Zentimetern mehr Normsitzraum als bisher und trotz der flachen Dachlinie mit genügend Kopffreiheit, kniffen die Isofix-Schächte nicht so unschicklich.

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Isofix-Schächte drücken Passagieren in den ..., na, Sie wissen schon was wir meinen.

Pilot und Co sitzen auf brillanten Sportsesseln, die man abends am liebsten ins Wohnzimmer räumen würde, so bequem sind sie. Sie integrieren den Fahrer tief ins Cockpit, das den markentypischen Stil der legeren Aufgeräumtheit pflegt. Das ist wie die Wohnungen von Menschen, die zur Begrüßung immer sagen, herrje, man möge doch bitte die Unordnung verzeihen. Dabei liegt nur eine aufgeblätterte Zeitschrift auf dem Beistelltisch und eine Strickjacke über dem Sofa – wie Requisiten, um die restliche Ordnungsperfektion in noch größerer Vollendung zu inszenieren. Doch so wie es in jeder Wohnung eine Rumpelkammer fürs Altglas gibt, hat der S60 eine für all die Funktionen, die sonst Tasten im Armaturenbrett belegten: den Neun-Zoll-Hochkant-Touchscreen.

Müssen wir denn immer an der Bedienung herummäkeln? Nun: ja. Seit 2015 waren Dutzende Volvo-Modelle bei uns, wir haben einen V90 im Dauertest. An Umgang mit dem Bediensystem mangelt es uns nicht. Wenn wir aber noch immer in den Menüs herumstöbern, sich eine Logik nie intuitiv erschließt, ist das System zu kompliziert. Wobei die Bedienung das einzige Detail am S60 darstellt, mit dem man sich nicht so leicht arrangieren kann. Mit dem Rest des Wagens gelingt das umso leichter.

Obgleich seine Antriebsvielfalt ja eine Einschränkung erfahren hat. Der Verzicht auf den Diesel, informiert die Presseabteilung, stehe „in Einklang mit der konsequenten Elektrifizierungsstrategie“. Nun, in Einklang mit einer konsequenten Marke-tingstrategie steht er wohl auch. Beim S60, den Volvo vor allem in den Benzinern zugeneigten Märkten USA und China verkauft, verlangt es keine große Heldenhaftigkeit, den Diesel aus dem Programm zu nehmen.

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65,7 km/h im Slalom! Der neue Volvo S60 überzeugt.

Es ist ja auch nicht so, dass die Beschränkung auf die Benziner für den Fahrer einem Akt der Entsagung gleichkäme. Den Zweiliter gibt es mit Turbo als T4 (190 PS) und wie im Testwagen als T5 (250 PS), dazu mit Turbo, Kompressor und E-Antrieb als Plug-in-Hybrid T8 (390 PS). Alle Modelle verkuppelt Volvo serienmäßig mit der Automatik, die im T5 eilfertig und weich durch ihre acht Stufen wandlert, erst bei beherzterer Fahrt zu hektischer Betriebsamkeit neigt.

Von eiligem Anfahren lässt sie sich etwas überrumpeln, weil der T5 mit 250 PS eben loslegt, wie man das von 250 PS erwartet. So mag man dem Motor beim Ausdrehen kantige Manieren vorwerfen, nie aber Mangel an Entschlossenheit. Zudem bietet er eine große Bandbreite an Verbrauchswerten, die von 7 bis 11,5 l/100 km reicht. Im Testschnitt sind es dem Temperament angemessene 9,5 Liter.

Doch beschränkt sich das Temperament nicht auf zügiges Geradeausfahren, der S60 erweitert es auf kurzweiliges Herumkurven. Als R-Design kommt er mit 20-Zoll-Rädern sowie strafferem Set-up, das die Karosserie 15 mm tieferlegt – an der Doppelquerlenker-Vorderachse mit kürzeren Federn, an der Hinterachse mit anderen Dämpfern, denn das Federn übernimmt dort eine Querblattfeder aus Verbundstoff. Für diese Konstruktion griffen die Techniker die Idee der Multilink-II-Hinterachse am 960 von 1994 auf – was unter Kennern des Wagens die Erwartungen an ausgefeilte Handling- oder Komforttalente durchaus einzubremsen vermag.

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Die Bedienung? Ach, reden wir doch lieber darüber, dass der S60 das größte Glasdach aller Volvo hat.

Da biste Blatt!

Dann fährst du den Berg hoch und denkst, dass die erste Kurve heute aber besonders geschmeidig und schnell um die Ecke biegt. Als das der zweiten und der fies zumachenden dritten auch so leichtfertig gelingt, ist klar, dass es nicht an der Straße liegen kann, sondern nur am S60. Der lenkt präzise und direkt, präziser und direkter auch als der V60, dem er nur eine straffere Servokennlinie, aber damit auch mehr Rückmeldung voraushat. Trotz mehr Last auf der Vorderachse (58 statt 54 Prozent wie beim V60) bleibt die Limousine lange neutral, wankt kaum, gibt sich erst spät mildem Untersteuern hin und muss sich kaum mal vom routinierten ESP einbremsen lassen.

Selbst Komfort hat der S60 drauf. Flauschig wird es zwar nie, denn mit den großen Rädern rollt er herb ab, überpoltert grobe Unebenheiten mitunter. Aber lange Wellen steckt er gut und ohne Nachschwingen weg. Weitstrecken kann er eh, auch wegen des niedrigen Geräuschniveaus.

Schließlich gilt es, die umfassende Sicherheitsausstattung zu würdigen, die von Crashpolstern in den Sitzgestellen für In-den-Graben-Abkommen-Unfälle bis zur aktiven Spur- und Tempoführung reicht. Das Notbremssystem City Safety hilft nun auch beim Ausweichen und schreitet ein, wenn ein entgegenkommender Wagen die Mittellinie überfährt. Zudem kann es zwischen Fußgängern, Radlern, wilden Biestern (Elche, Kühe, Pferde) und Motorradfahrern unterscheiden – was einem selbst ja nicht immer so leichtfällt.

Wie jeder Volvo macht der S60 die Straßen für alle sicherer. Doch er macht sie auch schöner – für den Fahrer.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • für die Klasse großzügiges Raumangebot vorn und hinten – da aber nur für zwei
  • hochwertige Material- und solide Verarbeitungsgüte
  • ordentliche Rundumsicht
  • für eine Limousine gute Variabilität, aber ...
  • ... kleiner Standardkofferraum
  • Bediensystem auch nach vier Jahren Übung in anderen Volvo-Modellen strukturschwach

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • brillante Vordersitze
  • niedriges Geräuschniveau
  • straffe, dabei angemessen komfortable Federung, aber ...
  • ... teils harsches Ansprechen auf kurze Unebenheiten

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • temperamentvoller, homogen ansprechender Turbobenziner
  • gut adaptierte Automatik
  • etwas maue Laufkultur

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • sehr sicheres Kurvenverhalten
  • gripstarke Traktion
  • präzise, gefühlvolle Lenkung
  • dynamisches, für einen Volvo gar hervorragendes Handling
  • sperriger Wendekreis

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • umfassende Crashsicherheit
  • große, bestens aufgestellte Assistenzausstattung
  • vehemente Bremsen

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • Partikelfilter Serie
  • den Fahrleistungen ange- messener Testverbrauch
  • günstiger Eco-Verbrauch
  • absolut gesehen hoher Kraftstoffbedarf

Vor- und Nachteile

Kosten
  • reichhaltige Ausstattung
  • Grundpreis und Unterhalt auf klassenüblichem Niveau
  • jährliche Wartung

Fazit

Der S60 ist ein Volvo, wie man ihn erwartet: sicher, stilvoll, sicher, langstreckenbequem, sicher, solide, sicher, bedienumständlich und übrigens sicher. Nicht zu erwarten war, dass er so agil, so schön fährt.

Tabelle (techn. Daten)

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