Toyota GT 86 im Test

Toyota GT 86 im Test
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Die Rückkehr der Emotion

Toyota GT 86, Frontansicht © Hans-Dieter Seufert 30 Bilder

Wer Fahrspaß gesucht hat, war bei Toyota – zumindest in den letzten sieben Jahren – an der falschen Adresse. Doch jetzt kommt der GT 86. Hält er, was seine dynamische Hülle verspricht?

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Irgendwann kam er also doch. Der Tag, an dem einige Toyota-Entwickler – gelangweilt vom immerwährenden Lobpreisen der Hybrid-Technologie – einen Drehzahlmesser mit weit reichender Skala in die Hand nahmen und begannen, einen kompakten Sportwagen drumherum zu konstruieren. Die Voraussetzungen konnten kaum besser sein: Historie? Vorhanden . Einen Chef mit schwerem rechten Fuß? Ebenfalls. Und einen Partner, der bis heute seine Kultur querdynamischer Stimmungsaufheller pflegt – Subaru. Wie eigentlich immer, werkelte man dort am Boxermotor herum, versuchte, das Konzept weiter zu verfeinern.

200 PS-Aggregat hängt gut am Gas

Jetzt steckt ein Vertreter der Zweiliter-Klasse zwischen den aufwallenden Kotflügeln der Zwillinge Toyota GT 86 und Subaru BRZ, angereichert um einige Toyota-Spezialitäten wie die kombinierte Direkt- und Saugrohr-Einspritzung. Zudem betont Toyota gerne die quadratische Auslegung des Triebwerks, nicht ganz zufällig mit den Maßen 86 x 86 Millimeter, wie es bereits bei Celica und MR2 selig der Fall war. Beim Drücken des Startknopfs verschwinden derlei Fakten vorerst im Handschuhfach. Klar, jetzt irgendwo zwischen 1.500 und 2.500 Umdrehungen im Stadtverkehr rumtrödeln ginge problemlos, kein aufgekratztes Ruckeln des Saugers oder anstrengendes Dröhnen der Auspuffanlage (die zwei Endrohre messen übrigens – na? – 86 Millimeter im Durchmesser), stattdessen alles schön brav hier.

Doch dem Traum aller Schwiegermütter gab Toyota lange genug, es wird Zeit, beinahe in Vergessenheit geratene Drehzahlregionen aufzusuchen. Mit der ungestümen Spontaneität eines unterforderten Huskys schnappt sich das 200 PS starke Aggregat jeden noch so kleinen Gasbefehl und wirbelt befreit über 7.000/min – eine geradezu obszöne Zahl, die Auris und Avensis die Schamesröte in den Zylinderkopf treibt. Den Toyota GT 86 juckt das nicht, er beißt bei jedem Gangwechsel erneut gierig zu.

Toyota GT 86 in 7,6 Sekunden auf Tempo 100

Gangwechsel? Ach was, Gangschnipser! Auf kurzen Wegen, mit einer Prise führungsintensivierender Knorpeligkeit, ploppt der Schalthebel durch die Gassen. Die Anschlüsse passen perfekt, sofort, und ohne langweilende, Euro 5-bedingte Drehzahlanhebung darf der Vierzylinder weiterboxen. Einzig die Übersetzung des sechsten Gangs scheint nicht optimal gewählt, sie irrt ein wenig zwischen drehzahlsenkender Schon- (dafür zu kurz) und echter Fahrstufe (dafür zu lang) umher.

Für den Sprint von null auf 100 km/h spielt das keine Rolle, den soll der Toyota GT 86 in 7,6 Sekunden absolvieren – und tut es in 7,3 und klingt dabei sogar ein bisschen verwegen, trommelt sonor die typische Boxer-Melodie. Offenbar eilt es, das dröge Image der Marke schleunigst aufzupolieren. Vielleicht sogar nachhaltig? Dieses Attribut hören die Japaner doch sonst so gerne.

Apropos: Sogar sparsam kann der Saugmotor, nippt auf der auto motor und sport-Verbrauchsrunde 6,0 L/100 km und im weniger drehzahlscheuen Testalltag 9,5 L/100 km. Bei all diesen Talenten fiel allerdings die Durchzugskraft durch den Rost. Woher soll sie auch kommen bei einem maximalen Drehmoment von 205 Newtonmeter, das bei 6.400/min erreicht wird? Noch bevor sich darüber Ernüchterung breit macht, tauchen die ersten Kurven auf.

Gewichtsverteilung von 56 zu 44 Prozent

Moment, da war doch was. Richtig, der Heckantrieb, gewürzt mit einer Gewichtsverteilung von 56 zu 44 Prozent und einem Torsensperrdifferenzial, das, nein, nicht mit 86, sondern mit 25 Prozent sperrt. An den Achsen drehen sich vergleichsweise bescheidene Räder der Dimension 215/45-17, was durchaus ernüchternde Rückschlüsse auf ein tendenziell untersteuerndes Eigenlenkverhalten zulässt. Pustekuchen.

Stattdessen schiebt der GT 86 verbissen neutral durch Biegungen aller Art, revoluzzert unter dem Jubel aller Lastwechsel-Freunde mit dem Heck – wenn sie es denn darauf anlegen. Auf Frontantrieb eingeschworene Fahrer überrascht diese Art der Quirligkeit möglicherweise. Sie können jedoch auf ein sensibles ESP vertrauen, das nicht sofort den gesamten Fahrspaß aus dem Coupé herausregelt. Die Elektronik erlaubt im Sportmodus, die Grenzen etwas intensiver auszuloten, und lässt sich überdies vollständig deaktivieren.

Noch mal von vorne. Biegung über die kurvenäußere Kotflügelwölbung anpeilen, einlenken. Überhaupt die Lenkung: Elektro-mechanisch und mit 13:1 übersetzt, agiert sie mit einer selbstverständlichen Präzision, frei von jeglicher Hyperaktivität, die alle anderen Konstruktionen in dieser Preisklasse infrage stellt. Dazu trägt auch die eher weich gewählte vordere Federrate von 23 Newton pro Millimeter bei, die eine gute Bodenhaftung der Vorderräder gewährleistet. Das bedeutet jedoch nicht, dass der GT 86 mit erwähnenswertem Federungskomfort aufwartet, da sind die straffen Dämpfer vor. 

Toyota GT 86 mit Suchtpotenzial

Egal, weiter im Text. Erneut brilliert das Duo McPherson-Vorder- und Doppelquerlenker-Hinterachse, stabilisiert die 4,24 Meter lange Toyota GT 86-Karosserie bis auf ein mildes Wippen und gibt so im Zusammenspiel dem Fahrer das nötige Vertrauen, um noch eine Schippe draufzulegen.

Dabei hilft natürlich, dass der Fahrer einen ergonomisch einwandfrei eingerichteten Arbeitsplatz vorfindet. Frei von optischem Tand liegt alles zum Fahren Relevante in optimaler Griff- und Sichtweite – speziell der mittig angeordnete Drehzahlmesser. Dennoch schien es den Entwicklern wichtig, trotz allen Kostendrucks ein angenehmes Ambiente zu schaffen. Weiche Kunststoffe, hübsche Kontrastnähte, einige sauber eingepasste Blenden sowie ein insgesamt hohes Qualitätsniveau – darüber würden sich auch andere Modelle der Marke freuen. Dazu eine umfangreiche Serienausstattung, die sich zwar ein einfach bedienbares Infotainmentsystem sowie eine Klimaautomatik leistet, jedoch selbst eine Einparkhilfe als Fahrerassistenzsystem negiert. Stattdessen hilft das ausgewogene Gesamtpaket dem Fahrer nach Kräften, das suchtgefährdende Querdynamik-Potenzial dieses – ja, richtig – Toyota zu nutzen.

Es muss ein sehr sonniger Tag gewesen sein, damals im Jahr 2006, als einige Entwickler mit dem Projekt GT 86 begannen.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • gutes Platzangebot vorne
  • routinierte Verarbeitung
  • problemlose Bedienung
  • akzeptabler Kofferraum
  • ordentliche Materialqualität
  • kaum brauchbare Fondsitze
  • schlechte Übersichtlichkeit nach hinten

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • keine störenden Wind- und Abrollgeräusche
  • bequeme Sportsitze
  • eingeschränkter Abrollkomfort

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • drehfreudiger Saugmotor
  • spontanes Ansprechverhalten
  • kultivierter Motorlauf
  • gute Fahrleistungen

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • sehr agiles Handling
  • sichere Fahreigenschaften
  • präzise Lenkung
  • stabiler Geradeauslauf
  • gute Traktion

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • konstant verzögernde Bremsanlage
  • feinfühlig regelndes ESP
  • durchschnittliche Verzögerungswerte

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • günstiger Testverbrauch
  • niedriger Minimalverbrauch
  • geringe Emissionen

Vor- und Nachteile

Kosten
  • umfangreiche Garantie
  • niedriger Grundpreis
  • reichhaltige Serienausstattung
  • kurze Wartungsintervalle
  • teure Vollkasko

Fazit

Warum sich Toyota mit dem GT 86 so lange Zeit gelassen hat? Weil man ein derart gelungenes Gesamtpaket nicht eben so nebenbei entwickelt. Einzig die Bremse könnte kräftiger zupacken.

Tabelle (techn. Daten)

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