Porsche 718 Cayman GT4 RS im Test

Porsche 718 Cayman GT4 RS im Test
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Wie aus alten RS-Zeiten

© Rossen Gargolov 18 Bilder

Ein grauer Star beim Test: Das Sehvermögen dürfte beim Porsche 718 Cayman GT4 RS wohl nicht leiden. Die Ohren schon eher, schließlich gibt’s bei 9.000/min bis zu 105 dB(A) aufs Trommelfell – Helm auf, und los geht’s.

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Die Versuchung ist einfach zu verlockend. Welche genau? Na, diesen Test mit dem Klang des Sechszylinder-Boxermotors des Porsche 718 Cayman GT4 RS einzuleiten. Wobei: Dieses Klacken und Prasseln – das kommt gar nicht vom Motor. Das sind die kleinen Steinchen, die die vorderen Semislicks vom Asphalt aufsammeln und an den verschlankten CFK-Kotflügeln vorbeischleudern, direkt in die seitlichen Lufteinlässe aus Sichtcarbon. Dort bleiben die Kieselchen am feinmaschigen Wabendraht hängen und sammeln sich in der unteren Karosseriespalte, sodass man eigentlich einen Pinsel oder Besen bräuchte, um sie dort herauszufegen. Ich ahne, was Sie jetzt denken: Endet das hier etwa als schwäbische Kehrwoche für Sportwagenfahrer?

Alle Details zum Porsche 718 Cayman GT4 RS im Video 1:56 Min.

Dieser Ton ist Musik

Jedenfalls kennt man derlei Purismus sonst nur von Rennwagen oder leer geräumten Trackday-Umbauten. Und eigentlich dachten wir auch, wir kennen ihn, den 718 Cayman, und natürlich den 4,0-Liter-Saugmotor. Letzterem haben sie in Flacht – dort, wo die GT-Abteilung und Rennsporttruppe von Porsche sitzt – erst dem 911-GT3-Heck entrissen, dann fünf Kilogramm abtrainiert, ihn um 180 Grad gedreht und dem GT4 RS direkt hinter die ultraleichten Carbonschalensitze gepflanzt. Dort wütet er nun, im Fahrzeugzentrum, wird so zum Dreh- und Angelpunk(t) des Fahrerlebnisses. Obwohl er mit 500 PS offiziell zehn PS im verlängerten Abgasstrang verliert – der Leistungsmessung zufolge sogar weitere acht –, gewinnt er durch den Ortswechsel an Stimmgewalt. Denn die kleinen, dreieckigen Fondfensterchen weichen zusätzlichen Ansaugungen. Diese liegen somit direkt auf Ohrenhöhe.

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Die fahrdynamischen Grenzen des GT4 RS lassen sich auf Landstraßen bestenfalls erahnen – dieser Porsche ist ein Tracktool mit Nummernschild.

Nur ein kleiner Gaspedalstreichler oder Zupfer an der schwarzen Schaltwippe mit dem eingestanzten gelben Minus-Symbol reicht: Das ultraschnelle PDK schaltet zurück, der Sauger holt nicht Luft, er inhaliert sie. Das landmaschinenhafte unruhige Rasseln und Brummen der tiefen bis mittleren Drehzahllagen, das Erinnerung an das luftgekühlte Früher weckt – es weicht plötzlich einem Boxer-Urschrei. Der Verzicht auf zweieinhalb Kilogramm Dämmmaterial wirkt in Verbindung mit besagter Ansaugung so, als würde man dem Hausarzt beim alljährlichen Check-up direkt ins Stethoskop brüllen. Derart brutal windet sich der Boxersound in die Gehörgänge. Wobei Sie in jeder Drehzahllage genau raushören, wie das Blut in Wallung gerät und durch die Arterien schießt, während der Herzmuskel immer schneller kontrahiert.

Dabei messen wir bei Maximaldrehzahl 105 dB(A): Das ist mit Abstand der höchste Wert, den unser Messgerät jemals angezeigt hat. Mehr als all die Lambo, Ferrari und natürlich 911 GT3, die stets nahe der Hunderter-Schallmauer blieben. Und nur noch mal zur Einordnung: Eine Steigerung des Schalldrucks um drei dB(A) entspricht einer Verdopplung der wahrgenommenen Lautstärke.

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PDK: Keiner zieht schneller

Doch bevor es eskaliert, nehmen wir einen Gang raus. Das geht natürlich nicht, weil das Doppelkupplungsgetriebe im GT4 RS alternativlos in der Preisliste steht. Schade eigentlich, denn man kann zwar den Wählhebel sequenziell zum Runterschalten anstupsen beziehungsweise zum Hochschalten daran ziehen. Doch das schafft nicht die gleiche Verbindung wie ein perfekt positionierter Hebel, den man selbstbestimmt durch die Gassen reißt. Aber sei’s drum. Die Entscheidung für das PDK ist eine nachvollziehbare. Schließlich ist der nächste Gang nicht nur schneller drin, sondern liegt auch früher an. Überhaupt: So perfekt, so auf den Punkt wie der Doppelkuppler arbeitet kaum ein anderes Getriebe. Die kurze Übersetzung sorgt mit der gemessenen Leistung dafür, dass der Cayman auch noch bei Tempo 250 im siebten Gang voll durchzieht – hier ist nichts mit Overdrive. Das merkt man natürlich auch an der Tankstelle. Denn die steuert man bei einem Testverbrauch von 12,5 Litern pro 100 km häufiger an, zumal der Tank um zehn auf 54 Liter schrumpft.

Sparmaßnahmen hier und da

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Um weiteres Gewicht zu sparen wird im Innenraum das Navi weggelassen: 5,5 kg Ersparnis.

Aber wir wollten es ja ruhiger angehen lassen, oder? Bei brummigem Halbgas zwischen drei- und viertausend Umdrehungen sind sogar zivilisierte Gespräche möglich. Was bleibt einem auch anderes übrig, wenn im Armaturenbrett ein riesiges Loch klafft, in dem sonst das 5,5 Kilo schwere Infotainment haust. Übrigens ist der Verzicht eine kostenlose Option. Das versteht man wohl als die Kunst des Weglassens: Schließlich ist Porsche seit jeher weltmeisterlich darin, mehr für weniger zu verlangen. So beginnt der Top-Cayman bei 144.194 Euro, wobei der Testwagen mit Weissach- samt Clubsport-Paket sowie Keramik-Bremsanlage und Magnesiumfelgen bei 184.553 Euro landet.

Klingt teuer und puristisch? Dabei geht es drinnen gar nicht so karg zu. Klar, man greift in Türschlaufen, statt an Griffen zu ziehen. Doch das gehört mittlerweile zur GT-Folklore. Die Fenster surren elektrisch auf und ab, während eine Klimaanlage für kühle Köpfe sorgt. Blankes Blech bekommt man ebenfalls nicht zu sehen, dafür liegt hier fein säuberlich vernähtes Leder und flauschiges Alcantara rum, das sie bei Porsche Racetex nennen. Schade jedoch, dass sie scheinbar nur ein Cuttermesser parat hatten, um Öffnungen für die Zusatzgurte in die Rückwand zu schneiden.

Alltag? Hmm eher nicht.

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Die Carbon-Schalensitze bieten erstaunlicherweise viel Komfort und haben eine sehr gute Passform. Die Fünfpunktgurte wollen verwendet werden.

Für den Alltag hängt auch ein bläulich schimmernder Dreipunktgurt an der B-Säule. Doch allein schon weil dem Fahrer die Aufnahme des Fünfpunktgurtes zwischen den Beinen baumelt und natürlich des rennmäßigen Gefühls wegen legt man die Hosenträgergurte an. Sich in den GT4 RS hineinzufädeln, gelingt übrigens locker auch ohne Yoga-Grundkurs. Zwar wollen die hohen Wangen der serienmäßigen Carbonschalen überwunden werden. Diese passen aber auf Anhieb, gerade so, als hätten sie sie bei Porsche nur für einen selbst gegossen. Tatsächlich geht das auch: Gegen 2.678 Euro Aufpreis scannen sie einem den Allerwertesten und modellieren die Schale danach. Aber auch ohne sind die Sitze überraschend langstreckentauglich.

Natürlich ist dieser Cayman nicht für ausgedehnte Wochenendbummeleien gedacht – wobei Sie vorn tatsächlich zwei Trolleys unter die Haube packen können. Im Alltag mangelt es dem Uniball-Fahrwerk jedoch einfach an Gummi und den MacPherson-Federbeinen an Federweg, um Bodenwellen wirksam abzumildern. Auf Landstraßen, deren letzte Asphaltmaniküre schon ein paar Winter überfällig ist, schüttelt es einen somit arg durch. Zudem reißt dort schnell mal der Bodenkontakt ab, was jedoch nur zum Problem wird, wenn Sie vorher ESP und Traktionskontrolle mit einem Knopfdruck rauswerfen.

Schweres Leichtgewicht

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Leichte Magnesium 20-Zöller im Kombination mit gripstarken Michelin Pilot Sport Cup 2 Semislicks. Dahinter macht die Keramik-Bremsanlage auf sich aufmerksam.

Dieser ist übrigens einer der wenigen Knöpfe hier im Cockpit. Ja, die sparen in Flacht eben Gewicht, wo sie können. Insgesamt wollen sie dem RS gegenüber dem GT4 noch mal 35 kg abgerungen haben. Wobei der Testwagen sogar sündhaft teures Magnesiumschuhwerk trägt, das alleine fast zehn Kilo spart und ungefederte Massen reduziert. Blöd, dass man die Räder nur bekommt, wenn man das Weissach-Paket bucht. Und weil’s stabilisiert, ordert man gleich noch das Clubsport-Paket mit Überrollkäfig, der nicht nur die Sicht nach hinten, sondern auch das Auto erschwert.

Auf die Waage drückt dieser GT4 RS so 1.435 Kilogramm. Damit ist er kein Super-Leichtgewicht. Genau genommen wiegt er sogar ein paar Kilo mehr als ein aktueller, deutlich größerer 911 GT3 mit Handschaltgetriebe. Uff, das hätten wir so nicht unbedingt vermutet. Wo der Hund begraben liegt? Die Frage könnte wohl eher lauten: Wie lange liegt er dort? Denn die Cayman-Konstruktion ist mutmaßlich älter als die des 911, bei dem noch mehr Leichtbau-Materialien zum Einsatz kommen.Die gute Nachricht: Von der Masse spürt man wenig bis gar nichts. Übrigens auch nicht beim Bremsen: also jetzt bei Tempo 100 voll in die Eisen treten, das Geraffel der Fünfpunktgurte auf dem Beifahrersitz beugt sich den Fliehkräften, weil man natürlich immer vergisst, die Gurte miteinander zu verklinken. Doch da steht der RS bereits nach 32,1 Metern still.

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Aus doppeltem Tempo vervierfacht sich der Weg – ja, das ist Physik und grandios gut. Genauso unnachgiebig beißt die 7.914 Euro teure Keramikbremse auch noch nach mehreren Runden auf dem Track zu. Doch wenn sich zur negativen Längs- auch Querbeschleunigung gesellt, kommt trotz aktiviertem ESP etwas Unruhe ins Heck: Die Hinterhand löst sich scheinbar durch Überbremsen, worauf das ESP hart regelt, sodass die Vorderachse den Biss verliert. Hinzu kommt, dass die Hinterachse zwar stets hohen Grip aufbaut, dieser aber ebenfalls schlagartig abreißen kann. Ja, der Grenzbereich – er liegt extrem weit oben, ist aber ein schmaler Grat im GT4 RS. Und man erreicht ihn ohnehin nur auf abgesperrter Strecke.

Der Perfektion geopfert

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Beim Quertreiben verhält sich der GT4 RS wie ein typischer Mittelmototorsportler mit schmalem Grenzbereich.

Genau dort stehen wir jetzt noch mal auf der Bremse und gleichzeitig auf dem Gas. Prompt aktiviert sich die Launch Control, und die analoge Drehzahlnadel pegelt sich bei über 6.000 Umdrehungen ein. Mit schnalzendem Bremspedal sackt die Drehzahl kurz ab, die Traktionskontrolle arbeitet fühl-, hör-, erlebbar im Ausnahmezustand. Immer wieder springt die Nadel kurz auf und ab, weil die Hinterräder nach Traktion suchen, bevor sie bei 9.000/min der Gangwechsel erlöst. Das fühlt sich viel wilder an als in einem Cayman GTS 4.0. Klar, der leistet 100 PS weniger, dafür regelt er jedoch unmerklich, schlupffrei, perfekt. Warum wir darauf herumreiten? Weil der GT4 RS – Porsche-untypisch – mehrere Anläufe braucht und die Werksangabe mit 3,5 Sekunden trotzdem um ein Zehntel verfehlt. Hat man da etwa die Perfektion dem Spektakel geopfert?

Spitzfindig, zugegeben. Zumal es kaum Unterhaltsameres als diesen Mittelmotorsportler gibt. Allein wie dieser Kurven mit seiner variabel übersetzten Lenkung seziert (12,4 : 1 bis 16,9 : 1). Ohne übertrieben spitz anzulenken, dreht diese fein aus der Mittellage heraus, gerade so, als könnte sie Gedanken und Strecke lesen. Die gelbe Mittelmarkierung verharrt anschließend auf der eingeschlagenen Position. Korrekturen? Nicht nötig. Perfekte Haltekräfte begleiten einen durch die Kurve, bevor sich der RS leicht übersteuernd aus ihr herausstemmt. Untermalt wird das Ganze vom Sound dieses Motorenkunstwerkes, bevor es in der Boxengasse verstummt.

Und hören Sie mal, selbst nach dem Abstellen ist es nicht still. Nur diesmal sind es keine fliegenden Steinchen, sondern die Abgasanlage, die knisterknackend herunterkühlt.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • Langstreckentaugliche Schalensitze
  • Leichter Einstieg
  • Top-Ergonomie
  • Hochwertige Verarbeitung
  • Schwerer als ein 911 GT3
  • Unübersichtliche Karosserie vor allem nach hinten
  • Wenige Ablagen
  • Teure und empfindliche Magnesiumfelgen

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • Nur auf glatten Rennstrecken, wo er auch hingehört
  • Sehr straff auf schlechten Landstraßen
  • Auf Dauer zu lauter Motor

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • Sehr reaktionsstarker sowie kräftiger Saugmotor
  • Extrem schnell schaltendes Doppelkupplungsgetriebe
  • Hoher Verbrauch

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • Sehr feinfühlige Lenkung
  • Enorm präzises Handling
  • Feines Bremspedalgefühl
  • Wechselnde Balance im absoluten Grenzbereich

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • Sehr gute Bremswerte
  • Überrollbügel
  • Fünfpunktgurte
  • Eingeschränkte Nasseigenschaften der Cup-2-Reifen

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • Nachhaltig: weil Erster und Letzter seiner Art
  • Hoher Reifen- und Bremsenverschleiß auf dem Track

Vor- und Nachteile

Kosten
  • Teuer, aber sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Voraussichtlich enorm wertstabil
  • Lange Kundenwartelisten
  • Horrende Ersatzteilpreise

Fazit

Fünf Sterne für einen Track-optimierten Mittelmotorsportler? Klar, allein schon wegen des Sechszylinder-Boxers! Dieser Porsche fühlt sich nach alten RS-Zeiten an: ungehobelt, direkt und vor allem laut.

Tabelle (techn. Daten)

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