Pagani Zonda F im Supertest: Test des Pagani Zonda F auf der Nordschleife

Pagani Zonda F im Supertest
Test des Pagani Zonda F auf der Nordschleife

Inhalt von

Die kühle Businesssprache rund um das moderne Automobil, die uns fast täglich die fatalen Mechanismen der Konzernbelange näher bringt, hat seit dem Auftauchen so typischer Anglizismen wie Lean Production, Return on Investment und Unique Selling Proposition sicher für eine weltweit verbesserte Verständigung innerhalb der Branche gesorgt. Aber sie klingt nicht so, als seien Leidenschaft und Gefühl fester Bestandteil des weltumspannenden Deals. In dieser eher geschäftsmäßigen Stimmungslage, die dummerweise auch einen großen Teil der Kundschaft erfasst hat, kommen die Großserienhersteller nicht umhin, verstärkt für eine künstliche Belebung der Kaufanreize zu sorgen. Durch stark verkürzte Modellzyklen etwa – oder durch Annektion von an anderer Stelle entwickelten Technologien. Motorsport-Engagements und das Sponsoring völlig artfremder Veranstaltungen sind ebenfalls Bestandteil dieser Strategie. Vielfach werden auch – sofern es geschichtlich möglich ist – Bezüge zu den Ursprüngen der Marke hergestellt, die aber wegen ihrer an den Haaren herbeigezogenen Analogien nicht selten eher antiseptischer Natur sind. Das wohl am besten funktionierende Rezept, Legenden und Mythen ohne künstliche Winkelzüge zu kreieren, hat in der heutigen automobilen Geschäftswelt längst keine flächendeckende Zustimmung mehr. Die starken Einzelkämpfer, die in der frühen Automobil-Ära allein mit ihrem Namen, ihrem Können und ihrer Risikobereitschaft die Legendenbildung ihrer Produkte vorantrieben, sind nicht mehr gefragt – oder aber einfach ausgestorben.

Starke Einzelkämpfer sind heute selten

Großen Bekanntheitsgrad erhalten heutzutage allenfalls jene Automenschen, die entweder den Shareholder Value erfolgreich in die Höhe getrieben oder einer Marke gleich endgültig den Garaus gemacht haben. Wo sind die Enzo Ferrari, die Ferdinand Porsche und Ferrucio Lamborghini, die ihr technisches Wissen und ihr Handwerk mit der Leidenschaft eines Besessenen auf das Objekt übertragen konnten? Keine Bange: Es gibt sie noch – ganz vereinzelt – diese im positiven Sinn verrückten Einzeltäter, die den etablierten Großserienherstellern die Stirn bieten. Dass ausgerechnet aus dem Dunstkreis der norditalienischen Autometropole Modena, wo Ferrari, Lamborghini und Maserati als Tochterfirmen überlebt haben, ein Name heraussticht, der noch nicht den Begehrlichkeiten mächtiger Einkäufer erlegen ist, muss fraglos mit der Vitalität und der Persönlichkeit des Mannes zu tun haben, der hinter dem Firmennamen steckt – oder aber mit dessen Verhandlungsgeschick: Horacio Pagani. Die halboffizielle Allianz mit AMG als Motorenlieferant ist aus Sicht des italienischen Kleinstserienherstellers ein Glücksfall sondergleichen. Besonders angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem verwendeten Triebwerk um einen exklusiven Solitär handelt, dessen Verfügbarkeit mittlerweile aber – wie bei allen seltenen Objekten – eng begrenzt ist. Derzeit soll es noch rund fünfzig Exemplare geben. Der im Zonda selbstverständlich knapp vor der Hinterachse in einem an die Kohlefaserzelle angeschraubten Chrommolybdän-Rahmen untergebrachte 7,3-Liter-Zwölfzylinder-Sauger ist seitens AMG respektive Mercedes seit geraumer Zeit außer Dienst gestellt. Dieser ebenso eindrucksvolle wie mächtige Motor absolviert im rennsportmäßig arrangierten Umfeld des Zonda also quasi die Kür.

Die jüngste Evolutionsstufe des Supersportlers gibt sich durch das unscheinbare Zusatzkürzel F als solche zu erkennen. Der Zonda F folgt also auf den Zonda S, der im sport auto- Supertest schon einmal einen äußerst starken Eindruck hinterließ (Ausgabe 7/2002). Bei aller konzeptionellen und in groben Zügen auch optischen Übereinstimmung mit dem Vorgänger offenbart der neue Modeneser Sportwagen, dem unlängst zur Verstärkung auch eine offene Variante zur Seite gestellt wurde, sehr tief greifende Modifikationen – sowohl im Bereich des Motors als auch im Karosserie- und Chassis-Umfeld. Die Form und Ausführung der bildschönen Airbox ist ein erstes Indiz dafür, dass sich auf der Einlassseite strömungstechnisch viel getan hat. Die extrem aufwändig im Hydro-Verfahren geformten Saugrohre verjüngen sich zum Brennraum hin, woraus sich dem Vernehmen nach ein nicht unwesentlicher Venturi-Effekt ableiten lässt. Die so beschleunigte Ansaugluft sorgt in gewisser Weise für eine Aufladung, wodurch eine effektivere Verbrennung in den riesigen, mit jeweils vier Ventilen ausgestatteten Brennräumen gewährleistet sein soll.

Der Zonda F beschleunigt die Ansaugluft

In Kombination mit der neuen Abgasanlage aus auch in der Formel 1 verwendetem, superteurem und superleichtem Inconel leitet sich daraus ein insgesamt optimierter Gaswechsel ab. Er drückt sich nun nominell in einer Leistung von 602 PS (zuvor 555 PS) und einem Drehmoment von 760 Newtonmeter (zuvor 750 Newtonmeter) aus. So, wie beispielsweise beim Schalldämpfer aus Gewichtsgründen teures Titan Anwendung findet, so kommen unter anderem auch im Karosseriebereich nunmehr noch leichtere und folglich auch teurere Kohlefasermaterialien zum Einsatz. Die optischen Veränderungen sowohl an der Fronthaube als auch an der riesigen hinteren Motorabdeckung dienen wie alle übrigen Modifikationen am Kohlefaserkleid der weiteren Optimierung der aerodynamischen Eigenschaften. Mit dem nunmehr einteiligen Heckflügel resultiert daraus in erster Linie ein verbesserter cw-Wert – bei zwar etwas verminderten, aber immer noch deutlichen Abtriebswerten (siehe Kasten links). Seine optisch imposante Erscheinung, die sich in einer flächenmäßigen Ausdehnung von 4,43 Meter mal 2,05 Meter (Länge mal Breite) und einer angemessenen Höhe von 114 Zentimeter ausdrückt, spiegelt sich dank der verbreiteten Verwendung edler und vor allem leichter Materialien keineswegs in einem opulenten Gewicht wider.

Voll getankt bringt dieser, durch seine charakteristische Cockpit-Kanzel an die frühere Gruppe C-Ära erinnernde Bolide nur 1.371 Kilogramm auf die Waage. Sein Leistungsgewicht liegt damit voll getankt bei zarten 2,3 Kilogramm pro PS. Die fortwährende intensive Pflege, die Firmenpatriarch Horacio Pagani der seit 1999 existierenden Grundkonzeption angedeihen lässt, offenbart sich einmal mehr als eine höchst erfolgreiche Strategie. So hat die Verarbeitung des Zonda F bis ins letzte Detail eine geradezu zauberhafte Entwicklung genommen, vor der selbst gestandene Qualitätspäpste aus lauter Ehrfurcht auf die Knie sinken dürften. Und die extreme Detailverliebtheit, die Pagani seinem Schmuckstück auch an versteckten Stellen angedeihen lässt, müsste den Kostenverantwortlichen in der großen Automobilindustrie die Schamesröte ins Gesicht treiben. Auch die neuen konstruktiven Goodies wie die sündhaft teuren, über Pushrods betätigten Öhlins-Federbeine oder die wuchtige Karbon/Keramik-Bremsanlage von Brembo weisen auf die hohen Standards hin, die mit dem langfristig angelegten Projekt namens Zonda verfolgt werden. Der gebürtige Argentinier Pagani fühlt sich übrigens mental stark mit seinem Landsmann Juan-Manuel Fangio verbunden. Er sieht dessen Renn- und Geschäftserfolge gleichermaßen als die logische Konsequenz aus Beharrlichkeit, höchstem Talent und dem fortwährenden Streben nach Perfektion. Pagani ist deshalb auch niemand, der den Status Quo länger als eine halbe Stunde akzeptieren könnte: Seine Bewertungen und Analysen der im Rahmen des Supertests erzielten Fahrleistungen, Bremsmessungen und Rundenzeiten führten entgegen der Gepflogenheiten und völlig ungeachtet der erzielten Bestnoten zu tief greifenden Diskussionsrunden. Mit einem Sprintvermögen, das sich in einer Beschleunigung von null auf 100 km/h in 3,8 anstatt der angegebenen 3,6 Sekunden ausdrückt, ist der Zonda F jedenfalls aus unserer Sicht perfekt gerüstet, um auch dem größten öffentlichen Erwartungsdruck Stand zu halten.

In 3,8 Sekunden erreicht der Zonda F 100 km/h

Trotz der grundsätzlich guten Traktion, bereitgestellt durch die diesbezüglich förderliche Gewichtsverteilung von 41,8 zu 58,2 Prozent zu Gunsten der hinteren Antriebsachse sowie der nochmals verbesserten Sperrwirkung des Differenzials, ist dieser Hubraumriese von Zwölfzylinder jederzeit in der Lage, die optimalen Rahmenbedingungen locker zu überbieten. Es hängt beim Beschleunigen aus dem Stand also – wie in dieser PS-Liga üblich – stark davon ab, wie viel von der zur Verfügung stehenden Kraft mit Hilfe der in solchen Momenten stark beanspruchten Kupplung auf die breiten Antriebsräder gebracht werden kann. Dass der Zonda die 200-km/h-Hürde nicht, wie angesagt, in unter zehn Sekunden hinter sich brachte, sondern tatsächlich „nur“ in 11,4 Sekunden, ist nach Paganis Diktion zwar als kleine Schmach zu werten, fällt aber neutral betrachtet eher unter die Rubrik der Nebensächlichkeiten. Denn die Art der Horizonterstürmung, die sich beim konsequenten Tritt aufs Gaspedal einstellt und die Sinne wegen der seitlich förmlich wegfliegenden Landschaft aufs Äußerste in Beschlag nimmt, erlebt auch der abgeklärteste Profi als wahres Donnerwetter. Der im Rücken der Besatzung zunächst seidig und sanft agierende Big Block verwandelt sich mit zunehmender Drehzahl nämlich in ein reißendes Tier mit geradezu katzenartigen Reflexen – und das in einem vergleichsweise engen Drehzahlrahmen. Die Höchstleistung entwickelt der 60-Grad-V-Motor bei zivilen 6.150 Umdrehungen. Die kleinste Bewegung am Gaspedal hat jedoch schlagartige Wirkung auf das Geschehen, was beim Einsatz ohne ASR zu ernsthaften Zuckungen der Hinterhand führen kann – sofern die Querbeschleunigungswerte ein nennenswertes Maß auf der g-Skala erreicht haben.

Bei aller Brutalität, die sich motorisch in so eindrucksvoller Weise äußert, legt der Zonda F zugleich eine außergewöhnliche Geschmeidigkeit an den Tag. Das gilt sowohl für den Fahrkomfort als auch für den Geradeauslauf. Man glaubt mit zunehmendem Tempo und vor allem jenseits von 250 km/h förmlich zu spüren, welch stabilisierenden Einfluss die Aerodynamik auf das Fahrverhalten nimmt. Dass die Konzentration auf das Wesentliche auch beim Zurücklegen von 83,4 Metern pro Sekunde – das entspricht 300 km/h – nicht gestört wird, ist das eigentliche Faszinosum des Zonda F. Er darf sich mithin auf die Fahnen schreiben, zu den umgänglichsten und komfortabelsten Supersportlern überhaupt zu gehören. Da pfeift kein Fahrtwind durch die Türdichtgummis, und ebenso wenig quietscht eine Schraubverbindung. So wird der schöne, im Teillastbereich sonore Zwölfzylinder-Sound allein von den Abrollgeräuschen der breiten Michelin-Walzen ein wenig gestört. Die Möglichkeit, sich im Tempo dramatisch zu verschätzen, muss wegen der vorbildlichen Einbindung des Fahrers in das System zu den latenten Gefahren gezählt werden, die im alltäglichen Umgang mit dieser Preziose ruchbar werden. Die subjektiv erlebte Sicherheit, die sich spontan aus der guten Übersicht und der bemerkenswert umgänglichen Handhabung ergibt, findet auch bei objektiver Betrachtung ihre Bestätigung. Stellvertretend für die hohe Aufmerksamkeit, die sowohl den aktiven als auch den passiven sicherheitsrelevanten Bauteilen auf Grund der rigiden Zulassungsbestimmungen im Exportmarkt USA zuteil wurde, sei einmal mehr die Bremse in den Fokus gerückt. Grandiose Verzögerungsleistungen von bis zu 12,6 m/s², die in Bremswegen von knapp über 122 Metern aus 200 km/h gipfeln, sind aber nicht nur Folge des imposanten – und sündhaft teuren – Materialeinsatzes, sondern vor allem auch die einer hervorragenden konzeptionellen Grundeinstellung.

Nach 122 Metern steht der Zonda aus Tempo 200

Der besonderen Gewichtsbalance bei der beim Bremsen auftretenden dynamischen Radlastverschiebung kommt angesichts der hervorragenden Ergebnisse eine mindestens ebenso wichtige Bedeutung zu. Um Spitzenergebnisse einfahren zu können, ist es schlichtweg notwendig, nicht nur einen, sondern möglichst viele Stellhebel zu bewegen. Das Beispielhafte der Vorgehensweise zeigt sich beim neuen Zonda F in einer ganzen Reihe spürbarer Verbesserungen, die auch im Umfeld der dominanten Zwölfzylinder-Maschine vorgenommen wurden. Die nominelle Leistungsanhebung von vormals 555 auf jetzt 602 PS hat jedenfalls nicht das Entscheidende dazu beigetragen, dass sich der Zonda F in allen Supertest-Disziplinen zum Teil deutlich verbessern konnte. Auf das eine oder andere Dutzend Pferdestärken lässt sich in dieser Leistungsklasse getrost verzichten. Bekanntlich reduziert sich der Einfluss der Motorleistung ab einem gewissen PS-Angebot zu Gunsten der übrigen Einflussgrößen Gewicht, Aerodynamik und vor allem Reifen. Dass letzten Endes auch der Fahrer einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis nimmt, steht außer Frage. Aber da er ja nur dann im Vordergrund steht, wenn das Ergebnis unbefriedigend ist, steht sein Einfluss hier wohl nicht mehr zur Debatte.

Technische Daten
Pagani Zonda F
Grundpreis631.040 €
Außenmaße4435 x 2055 x 1141 mm
Hubraum / Motor7291 cm³ / 12-Zylinder
Leistung443 kW / 602 PS bei 6150 U/min
Höchstgeschwindigkeit321 km/h
0-100 km/h3,8 s