Wir wollen uns nicht den Vorwurf machen lassen, wichtige Informationen zurückgehalten zu haben. Also: Wenn sich das Kamel, auf dem Sie sitzen, erschreckt, nicht versuchen, es über die Zügel zu lenken. Die führen bei Reitkamelen über die Nasenlöcher, und diese reißen aus, wenn Sie zu stark ziehen, was eher ungünstige Auswirkungen auf den Versuch hat, das Tier zu beruhigen. Reden Sie ihm lieber gut zu, und versuchen Sie, es dazu zu bringen, im Kreis zu laufen, bis es müde wird. Gelingt das nicht: festhalten. Da Kamele ein Spitzentempo von 65 km/h erreichen können, wählen Sie den Notabstieg also lieber, bevor das Vieh losrennt. Nehmen Sie dazu die Füße aus den Steigbügeln, rutschen Sie dem Kamel dann den Buckel herunter, und federn Sie Ihren Hopser auf dem Boden mit den Knien ab.
Was das mit dem runderneuerten L200 und dem aufgefrischten Navara zu tun hat? Alles, denn man weiß nie, ob man kurz vor Tamanrasset auf eine Karawane trifft. Oder ein Kamel aus Buxtehude holen und in einen Anhänger reiten muss. Die Anzahl der Aufgaben steigt ja mit den Möglichkeiten, die ein Wagen bietet. Die Schaffenskraft der Pickups zeigt sich bereits in Anhängelasten von 3,1 und 3,5 Tonnen, 932 und 962 Kilogramm Zuladung, 50 und 60 Zentimeter Wattiefe sowie 20,5 und 21,9 Zentimeter Bodenfreiheit. Dazu haben beide einen zuschaltbaren Allradantrieb mit Geländereduktion.

Beim Nissan funktioniert der 4x4 nur auf rutschigem Boden verspannungsfrei, und statt einer mechanischen Differenzialsperre an der Hinterachse nutzt er elektronisch gesteuerte Bremseingriffe. Mitsubishi betreibt mehr Aufwand beim Super Select 4WD II – der Zweite, klingt dynastisch, was zu einem Truck passt, der sich seit 1978 und sechs Generationen durch die Weltgeschichte wühlt. Bis 100 km/h lässt sich die Vorderachse zuschalten. Sein Verteilergetriebe mit Visco-Kupplung schickt standardmäßig 40 Prozent der Kraft nach vorn, 60 nach hinten. Die Untersetzung mit gesperrtem Mittendifferenzial fixiert die Verteilung auf die 50:50, mit denen der Nissan mit Allrad stets herumkraxelt.
Für ein Schotterleben
Je steiniger der Weg, je schwerer die Last, je schroffer das Wetter, desto mächtiger können die Trucks ihre Talente zeigen. Als Doppelkabine bieten beide ordentlich Platz für fünf, doch auf den steillehnigen, dünn gepolsterten und tief montierten Rückbänken reist man nicht sehr bequem. Zudem möblieren sich die Cockpits in chromaufgetakelter Rustikalität. Alles eingängig einsortiert und solide, dazu ordentliche Sitze in erhabener Aussichtsposition – wobei erst Parkkameras genügend Überblick verschaffen, um die Trucks in Lücken zu rangieren. Während Nissan das Infotainment euphorisch zu einer der großen Errungenschaften der Modellpflege stilisiert, vermochte Mitsubishi die Redaktion damit zu überraschen, dass der L200 gar kein Navigationssystem mitbringt.

Was einer gewissen Folgerichtigkeit nicht entbehrt bei einem Wagen, der am liebsten dort fährt, wo es keine Wege mehr zum Navigieren gibt. Denn Straße an sich, gerade wenn sie meint, ihre Richtung ändern zu müssen, ist nicht die Sache der Pickups. Auch die müssen hier durch die Fahrdynamikprüfung – Slalom und Spurwechsel. In beiden Disziplinen sind sie so langsam, dass wir rechnerisch Minuspunkte verteilen müssten – machen wir aber nicht, weil wir da keine Bestzeiten erwarten, sondern ein stets sicheres Fahrverhalten. Das liefern sie mit rigiden ESP-Eingriffen. Allerdings wanken sie dabei enorm, der Navara enormer noch als der L200. Bei dem verhärtet die Lenkung bei schnellem Lenken. Diese Pickups und Pylonengassen ähneln der Sache mit dem Kamel und dem Nadelöhr.

Auf der Landstraße gilt es, das Kurventempo behutsam zu wählen. Denn sonst brauchen beide sehr viel Platz zum Herumwanken. Beim L200 mindert aktivierter Allrad die ausgeprägte Untersteuertendenz, welcher sich der Navara intensiv hingibt.
Nissan jubelt, mit dem modifizierten Fahrwerk – Mehrlenker-Hinterachse mit Schraubenfedern statt Starrachse/Blattfedern wie beim L200 – erreiche der Truck ein „kultiviertes Fahrerlebnis“. Das dürfte Pickup-Neulingen das Erlebnis eines Kulturschocks ermöglichen, denn das Set-up verbindet rumpeligen Komfort mit talentfreiem Handling – auch wegen der Lenkung mit nebulöser Rückmeldung und schwammiger Präzision. Bei Unebenheiten ist er nicht wählerisch, er rempelt drüber weg – egal ob kurze Stöße oder lange Wellen.
Ein herzliches Wankeschön
Dass der L200 bei der Bewertung von Federung, Lenkung und Handling einmal höher punktet, sollte nicht zu der Erwartung führen, er zeige darin ein echtes Können. Das ist auch bei den Bremswerten bescheiden. Er verzögert nur schwach statt so miserabel wie der Navara, der schon zuvor (Heft 16/2018) mit schlechten Bremswerten auffiel. Obwohl er seit dem Facelift hinten Scheiben- statt Trommelbremsen und vorn größere Scheiben hat, gelingt es ihm, noch schlechter zu bremsen als zuvor.

Dabei gibt es eine Menge zu bremsen – wegen des zulässigen Gesamtzuggewichts mit Anhänger von 6.130 Kilogramm (L200: 6.150 Kilogramm) und der Wucht der Motoren. Der 2,3-Liter des Nissan spritzt nun mit um 200 auf 2.200 bar gesteigertem Druck ein und zerrt den Truck geräuschvoll bis auf 180 km/h – ungeachtet der Automatik, die ihre sieben Stufen trödelig durchsortiert und auf spontane Leistungsanforderungen wenig schlagfertig reagiert. Auf der Autobahn lässt sie den Navara oft in Stufe sechs herumtouren, was man über manuelles Hochschalten am Wählhebel ändern kann.
Der L200 hält dafür gar Schaltpaddel am Lenkrad bereit. Herrje, ist er zur Dynamik entschlossen? Nee, der 2,2-Liter selbstzündet kernig voran, derweil die Automatik betulich ihre sechs Gänge durchwandlert. Um dem 40 PS und 50 Nm stärkeren Nissan zu folgen, muss er sich aber anstrengen – abzulesen auch am höheren Testverbrauch (10,6 zu 9,9 l/100 km).
Nun könnte man noch die schmalspurige Assistenzausrüstung vor allem des Nissan kritisieren, der nicht mal einen Totwinkelwarner hat. Einerseits ist die Gefahr gering, dass kurz vor Tamanrasset ein Rennkamel zum Überholen ansetzt und dabei vom Navara-Fahrer übersehen werden könnte. Andererseits kosten die Testwagen weit über 40.000 Euro. Da müssten sie mehr Modernität bieten, um uns vom Höcker zu hauen.
Mitsubishi L200 Doppelkabine 2.2 DI-D 4WD Plus | Nissan Navara Double Cab 4x4 N-Guard | |
Grundpreis | 41.190 € | 50.020 € |
Außenmaße | 5305 x 1815 x 1780 mm | 5330 x 1840 x 1805 mm |
Hubraum / Motor | 2268 cm³ / 4-Zylinder | 2299 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 110 kW / 150 PS bei 3500 U/min | 140 kW / 190 PS bei 3750 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 171 km/h | 180 km/h |
0-100 km/h | 13,7 s | 11,0 s |
Verbrauch | 7,9 l/100 km | 9,9 l/100 km |
Testverbrauch | 10,6 l/100 km | 9,9 l/100 km |