Große SUV mit starken Benzinern im Test

BMW X5, Mercedes GLE, Porsche Cayenne und VW Touareg tischen mächtig auf: Zweiachs-Luftfederung, Allradlenkung und -antrieb, mindestens 340 PS starke Sechszylinder-Turbobenziner. Damit fahren die schweren SUV bemerkenswert agil und komfortabel. Unterscheiden sie sich denn gar nicht? Oh doch!
Mann, ist der dick, Mann. Nein, das ist nicht der neue Werbeslogan für den Mercedes GLE – bekanntlich wollen die Schwaben ja immer das Beste oder nichts –, sondern unser spontaner Gedanke, als wir mit dem SUV in der Waschanlage stehen. Der Mercedes parkt hier nicht wie andere Autos fein säuberlich zwischen, sondern mit seinen 315er-Hinterradwalzen auf den Begrenzungsschienen. Dabei ist er mit 1,95 Meter – ohne Außenspiegel versteht sich – der Schmalste in diesem Vergleich, denn auf dem Parkplatz vor der Waschbox warten schon BMW X5 , Porsche Cayenne und VW Touareg , die alle noch ein paar Zentimeter breiter bauen.
Mit Sicherheit ganz groß
Doch Größe ist ja bekanntlich nicht alles, auch wenn der Anspruch hoch ist bei Mercedes. Und so viel sei schon vorab verraten: Der neue GLE wird dem in vielem gerecht. Sicherheit steht da natürlich ganz oben, und so verwundert es nicht, dass der Stern in diesem Kapitel ordentlich strahlt. Das liegt zum einen an der Assistenzarmada, deren Umfang wie beim BMW X5 nahezu lückenlos scheint: Deshalb sei hier nur der neue Staupilot erwähnt, der den GLE zum Fahrbahnrand lotst und somit zur Rettungsgassenbildung beiträgt. Allerdings kostet er im Paket mit den anderen technischen Unterstützern 2.892 Euro extra, denn im Grundpreis von 72.650 Euro für den 450 4Matic sind lediglich aktiver Notbrems- und Spurhalteassistent serienmäßig enthalten. Zweiter Punktebringer sind die hervorragenden Bremswerte: Mit kalter Anlage steht der mit 2.343 Kilogramm schwerste SUV im Vergleich nach Sportwagenverdächtigen 33,9 Metern aus 100 Kilometer pro Stunde als Erster.
Der 367 PS starke Sechszylinder läuft äußerst kultiviert, sehr leise und mit einem Schnitt von 11,7 Litern auf 100 Kilometern Testverbrauch auch am Sparsamsten.
Auf der Landstaße ebnet der Testwagen dank optionalem Luftfahrwerk nahezu alle Schlaglöcher, Querfugen und Bodenwellen ein – seien sie noch so tief oder scharfkantig. Lediglich auf kurzwelligen Asphalt reagiert der Benz verschnupft. Die 7.735 Euro teure E-Active Body Control arbeitet dabei äußerst wirkungsvoll gegen die Karosseriebewegungen an – nachhaltig begeistert hat uns aber der Curve-Modus. Hier spart sich der bestens gedämmte Mercedes GLE das übliche Soundgeprolle der Sportmodi und wirkt mit 48-Volt-Technik in Sekundenbruchteilen den Fliehkräften entgegen. So biegt der Benz unglaublich direkt ab und lässt sich zielgenau über verwinkelte Straßen scheuchen, ohne dass der Fahrer auch nur ansatzweise feuchte Hände bekommt.
Mercedes: Komfort-King
Überhaupt, so entspannt und komfortabel wie im GLE reist man in kaum einem anderen SUV. Der 367 PS starke Sechszylinder läuft äußerst kultiviert, sehr leise und mit einem Schnitt von 11,7 Litern auf 100 Kilometern Testverbrauch auch am Sparsamsten. Ihm steht ein 22-PS-Startergenerator zur Seite, der das Turboloch überbrückt, den Verbrenner im Stop-and-go-Verkehr schnell ab- beziehungsweise zuschaltet und den Antriebsstrang zum Segeln entkoppelt.
Fahrer und Beifahrer können sich über vielfältig justierbare Sitze samt passgenauer Armauflagen sowie gut erreichbarem Touchpad und -screen freuen.
Von diesem Technikzauber bekommen Fahrer und Beifahrer nichts mit. Sie freuen sich unterdessen über vielfältig justierbare Sitze samt passgenauer Armauflagen sowie gut erreichbarem Touchpad und -screen. In der Reihe dahinter bietet keiner mehr Bein- und Kopffreiheit, und auch das maximale Ladevolumen von 2.055 Litern ist nicht zu toppen. Für größere Transportaufgaben klappt die Lehne in drei Teilen um, und das Rollo verschwindet im Unterbodenfach, wo es jedoch mit Klappergeräuschen auf sich aufmerksam macht. Für Unterhaltung sorgt das serienmäßige MBUX-Infotainment, das durch Zuzahlung von 1.723 Euro unter anderem die Routenfindung via Augmented Reality erleichtert. Allerdings übertreiben es die Programmierer mit den Gestaltungsmöglichkeiten der Multimediawelt. Die zahlreichen bunten Animationen lenken jedenfalls oft genauso schnell ab wie die große Head-up-Display-Anzeige, die fast zu viele Informationen in die Scheibe projiziert. In puncto Bedienung hat der GLE also noch kleine Reserven.
BMW: hört aufs Wort
Hier zeigt der X5, wie es noch besser geht: Die intuitive Sprachsteuerung des OS7-Systems nimmt es locker mit der des MBUX auf. Einige Fahrzeugfunktionen, wie die Einstellungen für Soundsystem oder Head-up-Display, die sich bei den anderen in den Tiefen des Menüs verstecken, lassen sich einfach via Sprachbefehl aufrufen. Allerdings braucht es ebenfalls eine stabile Internetverbindung, ansonsten verfängt sich die freundliche Damenstimme in endlosem Nachfragen. Trotzdem kann man die Bayern nicht genug für ihre Bedienphilosophie loben, die es dem Fahrer überlässt, ob er die Sprach-, Touch-, Gestik- oder Dreh-Drück-Steuerung nutzen will. Kritik erntet an dieser Stelle nur das volldigitale Cockpit-Display, das die wichtigsten Fahrinformationen stets an die Bildschirmränder sortiert.
Kritik erntet an dieser Stelle nur das volldigitale Cockpit-Display, das die wichtigsten Fahrinformationen stets an die Bildschirmränder sortiert.
Abgesehen von glasverzierten Bedienelementen liegt der BMW X5 mit dem Mercedes GLE auf einem Qualitätslevel und somit eine Stufe über dem Porsche Cayenne und zwei über dem VW Touareg. Um den in diesem Umfeld kleinsten, absolut betrachtet aber immer noch ausreichend großen Innenraum des BMW X5 zu entern, müssen die Passagiere beim Einsteigen einen breiten Schweller überwinden.
Die Sitzposition ist, anders als die Werte suggerieren, deutlich höher, und im Fond bietet die glatte Lederbank nur wenig Halt sowie den kleinsten Normsitzraum. Im Heck ist ähnlich viel Platz wie im Benz: Die Klappe teilt sich beim Öffnen elektrisch auf, die Rücksitzlehne klappt fernentriegelt um, und eine Gasdruckfeder hebt die Bodenplatte zum Ladekeller an. Unterschiede offenbaren sich dagegen beim Fahren: Anders als die Konkurrenten setzt der X5 eine Wankstabilisierung mit 12- statt 48-Volt-Technik ein. Trotz sportlicher Grundabstimmung gerät seine Karosserie so auf schlechten Strecken und in den Fahrdynamikdisziplinen viel stärker ins Wanken. Da hilft es auch nicht, dass der BMW X5 mit der optionalen Hinterachslenkung und Sportdifferenzial direkt einlenkt.
Anders als die Konkurrenten setzt der X5 eine Wankstabilisierung mit 12- statt 48-Volt-Technik ein.
Längsdynamisch gleicht das der bärige Reihensechser aus: Der 40i knackt als Einziger die Sechs-Sekunden-Marke aus dem Stand auf hundert – was die optionale Sportabgasanlage stets lautstark inszeniert. Wie der Dreiliter-Motor des Mercedes versteht sich auch das BMW-Triebwerk blind mit seiner Wandlerautomatik, auch wenn diese nur acht statt neun Gänge bietet. Bei Autobahngeschwindigkeiten und wiederholt starker Belastung zeigen sich seine Bremsen noch standfester als die des GLE. Und natürlich fährt der mindestens 70.700 Euro teure Bayer alles auf, was der größtenteils aufpreispflichtige Assistenzbaukasten hergibt: So merkt sich der über zwei Meter breite SUV die letzten 50 Meter und nimmt dem Fahrer die Rückwärtsrangiererei auf dem Parkplatz ab.
Porsche: Kurvenstar
Bei so viel Technikunterstützung muss der Cayenne passen. Dabei wäre das autonome Park-Feature durchaus hilfreich, denn die Übersichtlichkeit nach hinten ist bescheiden. Das gilt auch für die Touch-Tasten der Mittelkonsole, die Porsche formschön unter Glas versteckt. Diese sind genauso anfällig für Fingerabdrücke wie der 12,3 Zoll große Touchscreen-Monitor – immerhin liefert Porsche ein Mikrofasertuch zum Putzen gleich mit.
Die Bedienelemente des Cayenne in der Mittelkonsole bestehen größtenteils aus Touchelementen.
Der Fond zeigt sich variabel: Die einzelsitzartig ausgeformte Rückbank lässt sich wie im Konzernbruder Touareg verschieben und die Lehnenneigung in mehreren Stufen variieren, wovon der Kofferraum mit 770 Litern profitiert. Die elektrisch öffnende Heckklappe gehört ebenso zur Serie wie das fummelige Gepäckrollo, für das jedoch kein Platz vorgesehen ist, wenn es nicht gebraucht wird. Deutlich besser gefallen die tief eingebauten Integralsitze, da fühlt man sich wie in einer Sportlimousine – und nicht nur deshalb, denn der Porsche Cayenne fährt auch genau so.
Kurven zerlegt er in Porsche-Manier mit seiner messerscharf-präzisen Lenkung. Im 18-Meter-Slalom und beim doppelten Spurwechsel deklassiert er die versammelte Konkurrenz. Die hohe Agilität geht dabei kaum zulasten des Federungskomforts, denn der Fahrer bekommt nur so viel zu spüren, wie er es von einem Porsche erwartet. Der Cayenne kann aber auch ganz anders: Mit einem Druck auf den Sport-Response-Knopf am Lenkrad erhöht er für 20 Sekunden das Drehzahlniveau, knallt dann die Gänge hart in den Achtgang-Wandlerautomat, beispielsweise für Überholvorgänge. Ja, schnell ist er also, doch das muss teuer erkauft werden. Zum höchsten Grundpreis von 76.690 Euro kommen fahrdynamische Extras in Höhe von knapp 18.000 Euro.
VW: Luxus-Schnäppchen
Das ist viel Geld, vor allem, weil man die gleiche Antriebs-Hardware auch im Touareg für 61.950 Euro bekommt. Doch VW spielt dem V6 TSI eine andere Software auf und verteilt die 340 PS und 450 Newtonmeter mit einem Torsen- statt Hang-on-Allradsystem, was enorme Auswirkung auf die Fahrdynamik hat. Auf Sicherheit gepolt, untersteuert der Touareg in Kurven gern und hat teils mit rigiden ESP-Eingriffen zu kämpfen. Obwohl auch hier sämtliche Fahrwerksoptionen verbaut sind, gerät er in Kurven leicht in Wallung und federt Unebenheiten unharmonischer ab.
Der VW Touareg ist das Luxus-Schnäppchen im Test. Er ist mit 61.950 Euro der einzige SUV aus diesem Test, der nicht die 70.000-Marke knackt.
Viel störender wirkt sich im Alltag aber die Anfahrschwäche aus. Überhaupt agieren Motor und Automatik betulicher, allerdings nur subjektiv, überzeugen zudem im Gegensatz zum Porsche mit ruckfreiem Langsamfahrtkomfort. Allerdings bremste der Touareg-Testwagen deutlich schlechter als seine drei Konkurrenten.
Ebenfalls nicht auf deren hohem Niveau empfängt den VW-Fahrer der großzügig geschnittene, jedoch plastiklastige Innenraum. Hier dominiert das 3.500 Euro teure hochauflösende Riesendisplay. Jedoch bleibt die Bedienung mit kleingeratenen Touch-Feldern und versteckten Funktionen wie der Oberschenkelauflagenverstellung kompliziert. Deutlich durchdachter ist da der Laderaum mit Lehnenfernentriegelung und der Rolloführung. Allerdings darf der Touareg mit 556 Kilogramm am wenigsten zuladen, dafür jedoch wie der Porsche bis zu 3,5 Tonnen ziehen.
Am Ende machen die Konzernbrüder Platz drei unter sich aus, wobei der Touareg erst in der Kostenwertung am Cayenne vorbeiziehen kann. Ganz oben steht aber der neue GLE, weil er eben weit mehr als einfach nur ein schwerer Brocken ist.
Fazit
Das enorme Platzangebot, beste Sicherheit, oberklassiger Komfort und der feine Antrieb bringen den teuren GLE uneinholbar in Führung.
Der X5 punktet mit Bedienfreundlichkeit sowie sehr guten Bremsen und liegt in allen Eigenschaftskapiteln nur hauchdünn hinter dem Mercedes.
Viel Platz, hohe Variabilität, niedrige Kosten sprechen für den Touareg. Das hohe Qualitäts-, Komfort- und Bremsniveau der anderen erreicht er nicht.
Das brillante Handling ist Grund genug, sehr viel Geld für den Cayenne auszugeben. Bedienschwächen und mangelnde Assistenz kosten Punkte.
Tabelle (techn. Daten)
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