Irgendwo in schummrigen Ecken, auf Dachböden und in Kellern dämmern sie dahin. Vergilbt, ein wenig modrig, aber noch lange nicht bereit fürs Altpapier: „Hobby“-Hefte, jene zweiwöchentliche Bibel für alle Technophilen, Zukunftsgläubigen, Heimwerkenden („Strahltriebwerk im Eigenbau“) der fünfziger bis siebziger Jahre. Im Hobby-Kosmos fabulierten die Autoren unter anderem über atomgetriebene Flugzeuge oder atomgedüngte Gärten, mindestens aber die flächendeckende Verbreitung von Elektroautos mit Strom aus, na, Sie ahnen es schon: Atomenergie. Und wer regelmäßig Sammelcoupons hamsterte, bekam als Belohnung dafür postergroße Explosionszeichnungen zugesandt.
Der Lexus LS 600h bietet die Möglichkeit rein elektrisch zu fahren
Gäbe es das Magazin heute noch, würden sich statt der drögen Techno-Starschnitte durchaus Probefahrt-Gutscheine für den Lexus LS 600h anbieten. Freunden ingenieuser Visionen bleiben Mund und Augen offen stehen angesichts der Kombination aus V8-Benziner, zweistufig untersetztem Elektromotor plus Leistungsverzweigung mittels Planetengetriebe sowie der Möglichkeit, rein elektrisch zu fahren. Gegen diese Maxiportion Technik-Sushi erscheint die Hybrid-Serienpremiere von Mercedes wie eine schwäbische Brotzeit: einfach und lecker – aber effizient sättigend.
Der Mercedes S 400 Hybrid bezieht zusätzliche 160 Nm aus dem Elektromotor
Schließlich lächeln sogar Menschen mit Komfortgeschmack und Luxus-Appetit zufrieden, wenn der S 400 mit seinem 3,5-Liter-V6 dezent grummelnd ablegt und sich nach Druck aufs schwergängige Fahrpedal einen kurzen Extraschluck (160 Newtonmeter) aus seiner Elektromotor-Pulle gönnt. Rein elektrisch fahren kann der Mercedes nicht (deshalb Mildhybrid), dafür macht sich das Gesamtsystem mit 75 Kilogramm klein und leicht. Platzsparend im Wandlergehäuse des Siebengangautomaten untergebracht, dient der knapp fünf Zentimeter schmale, scheibenförmige Synchronmotor von ZF zugleich als Anlasser und Lichtmaschine. Ähnlich wie der Lexus gewinnt auch der S 400 (zum Fahrbericht) beim Gaswegnehmen oder Bremsen Energie zurück (Rekuperation). Diese fließt zu der im Motorraum platzierten Lithium-Ionen-Batterie mit 0,9 Kilowattstunden Kapazität.
Die Bremskraft fällt bei beiden eher durchschnittlich aus
Bis zu einer Verzögerung von 0,15 g drosselt das elektronisch geregelte Bremspedal ausschließlich über den Generator, erst danach greifen die Beläge hydraulisch nach den Scheiben. Und so synthetisch wie es klingt, fühlt sich die Bremspedal-Simulation auch an. Da wünschen sich nicht nur Sportfahrer konventionelle Stopper zurück. Zumal der Bremsweg mit rund 39 Metern aus Tempo 100 – wie beim Lexus – eher durchschnittlich ausfällt. Auch seine bei Schleichfahrt ruckelige Start-Stopp-Funktion giert nach Feinschliff.
Die Beschleunigungswerte unterscheiden sich nicht wesentlich
Und die Beschleunigung? Malt der vom 15-Kilowatt-Stromer frischgemachte 279-PS-V6 (mit modifiziertem Zylinderkopf und der Möglichkeit des sparsamen Atkinson-Verbrennungsverfahrens) beim Ampelsprint schwarze Striche auf den Asphalt? Nein, die Werte unterscheiden sich kaum von denen des ausstattungsbereinigt 4.500 Euro günstigeren S 350 – aber auch nicht wesentlich von denen des 445 PS starken LS 600h (zum Vergleichstest). Wer erwartet, dass der Lexus-Sumo den Hybrid-Daimler mit der Macht seiner zwei opulenten Herzen nach Messwerten ungespitzt in den Boden trampelt, sieht sich enttäuscht.
Im Lexus LS 600h steckt eine Gesamtleistung von 445 PS
Doch selbst wenn die Kontrahenten auf dem Papier nur Zehntel trennen – die LS-Antriebseinheit überzeugt in der Praxis auf ganzer Linie. Sogar Menschen, die sich sonst an archaischem Motorbau erfreuen, Fächerkrümmer preisen und die Kontur scharfer Nocken am Leerlaufschwanken identifizieren, staunen. Etwa wenn sich der 394 PS starke V8-Benziner und der 224-PS-Elektromotor zur Systemleistung von 445 PS addieren. Es scheint, als ob Horden von Ingenieuren nur damit beschäftigt waren, die Kooperation der Komponenten zu verfeinern – vom Start per E-Motor inklusive sanftem Losrollen (rein elektrisch) über das unmerkliche Starten und Einklinken des Benziners bis hin zum feinen Einpegeln der Drehzahl durch das Planetengetriebe mit Sonnen- und Hohlrädern.
Toll – und damit die volle Punktzahl wert. Zumal der Fünfliter-V8 – im Gegensatz zum Mercedes-V6 – auch unter Last noch standesgemäß klingt. Obwohl der dicke Lexus-Verbrenner publicitymäßig im Schatten der Hybrid-Peripherie steht, haben die Ingenieure an allen Schrauben gedreht. Elektrisch verstellbare Einlassnockenwellen gehören genauso dazu wie die Kombination aus Saugrohr- und Direkteinspritzung. Der V8 bekommt seinen Kraftstoff damit stets effizient und schadstoffreduzierend geliefert.
Der Mercedes S 400 Hybrid ist fast 20.000 Euro günstiger
Die jeweils passende Drehzahl serviert das stufenlose Getriebe mit einer Mischung aus Servilität und großer Übersetzungs-Spreizung. So kann es sein, dass trotz stämmiger Beschleunigung die Drehzahl bei 2.000/min verharrt, bei hohem Autobahntempo 2.500/min nicht überschreitet. Erst wenn es ans Eingemachte und das Gaspedal Richtung Teppich geht, schnellt die Nadel bis jenseits 6.000/min. Irgendwie unwürdig für eine Hybrid-Limousine, die hektikfreies Gleiten bevorzugt, ihre Insassen für 103.900 Euro mit Leder umhüllt, Sitzflächen beheizt oder belüftet, vielkanalig beschallt und auf Luftfedern bettet. Lediglich auf kurze Unebenheiten sprechen 19-Zoll-Räder und Federelemente unwillig an. Die 85.323 Euro teure S-Klasse – ebenfalls luftgefedert und adaptiv gedämpft – rollt auf ihren 17-Zöllern geschmeidiger, obwohl Poltergeräusche auf Holperpisten bisweilen am Eindruck des fliegenden Teppichs rütteln.
Bei der Ausstattung punktet der Mercedes S 400 Hybrid
Eine lässliche Sünde, wenn man in den vielleicht besten Optionssitzen der Welt lümmelt, sich die Massagefunktion (Tipp: langsam und stark) auf die Favoritentaste gelegt hat und von Assistenzsystemen umsorgt dem Ziel entgegenstrebt. Egal ob hervorragende Lichtautomatik, Spurwechsel-, Spurhaltehilfe oder Abstandsregeltempomat – die S-Klasse liefert alles (teils gegen Aufpreis). Da muss sogar der sicherheitsseitig ordentlich gerüstete Lexus passen. Auch bei manchen Details könnten die Japaner noch nachlegen. So verströmt die Klimaanlage Zug- statt Wohlgefühl, manche Taste Kompaktklasse-Aroma. Hinzu kommt das von der mächtigen Nickel-Metallhydrid-Batterie reduzierte Kofferraumvolumen von 390 Litern (S-Klasse: 560 Liter).
Der Mercedes S 400 Hybrid verbraucht deutlich weniger Kraftstoff
Zu allem Überfluss verbraucht der knapp 360 Kilogramm leichtere S 400 auch noch deutlich weniger Kraftstoff, zirkelt mit seiner präziseren Lenkung williger um enge Ecken, vermittelt in schnellen Autobahnkurven mehr Rückmeldung und Zielgenauigkeit als der Lexus LS 600h. Obwohl der sogar eine variable Lenkungsübersetzung ins Rennen schickt. Immerhin: Auf rutschigem Geläuf kann der Lexus mit der Traktion seines Allradantriebs kontern. „Hobby“-Leser dürften also begeistert sein – trotz des deutlichen Mercedes S 400 Hybrid-Testsieges.
Mercedes S 400 Hybrid | Lexus LS 600h | |
Grundpreis | 87.287 € | 103.900 € |
Außenmaße | 5096 x 1871 x 1479 mm | 5030 x 1875 x 1480 mm |
Kofferraumvolumen | 560 l | 390 l |
Hubraum / Motor | 3498 cm³ / 6-Zylinder | 4969 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 220 kW / 299 PS bei 6000 U/min | 290 kW / 394 PS bei 6400 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 250 km/h |
Verbrauch | 7,9 l/100 km | 9,2 l/100 km |