Kia Stinger 3.3 T-GDI gegen BMW 440i Gran Coupe im Test

Kia Stinger 3.3 T-GDI und BMW 440i im Test
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Was kann Kias sportlicher Gran Turismo?

© Achim Hartmann 27 Bilder

Mit dem Stinger traut sich Kia zum ersten Mal auf gehobenes Terrain: Die sportliche Limousine soll mit den deutschen Premium-Angeboten konkurrieren. Im Vergleich mit dem BMW 440i Gran Coupé xDrive zeigt der Stinger 3.3 T-GDI, wie gut er dafür gerüstet ist.

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Beginnen wir mit einer Zahl: 20.650 Euro. Das ist der Preisunterschied zwischen den beiden Testwagen. Denn der BMW 440i Gran Coupé xDrive Luxury Line kostet mit all den Sonderausstattungen, die dieser Testwagen mit sich bringt, genau 77.130 Euro, 3.300 allein für den Lack in Frozen Silver Metallic übrigens.

Da hat es der Kia-Interessent um einiges leichter, der Stinger 3.3 T-GDI ist nur in der Ausstattungslinie GT komplett mit Allradantrieb zu haben, zum Preis von 54.900 Euro. Da nun beinahe alles serienmäßig an Bord ist, bietet die Liste wenig Chancen, den Neupreis in die Höhe zu treiben: das Glasdach für 690 Euro sowie die Metallic-Lackierung, in diesem Fall High Chroma Red, für 890 Euro. Macht zusammen 56.480 Euro.

Kräftiger Kia-Motor

Das ist dennoch nicht gerade wenig Geld, erst recht nicht für einen Kia, die Produkte der koreanischen Marke waren bisher eher in anderen Preisregionen beheimatet. Womit wir jetzt die volle Wahrheit schreiben müssen: Der Stinger ist nicht wirklich der erste Versuch von Kia, im sportlicheren Sektor aufzutreten. Der Kia Elan, ein Lizenzbau des Lotus Elan der frühen 90er-Jahre, wurde zwischen 1996 und 1999 in nur wenigen Hundert Exemplaren gebaut und auch in Europa verkauft. Damit es nicht heißt, wir wüssten das nicht.

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Der kräftige 3,3-Liter-V6-turbo mit 370 PS sitzt längs unter der Haube, da der Stinger auf einer Heckantriebs-Plattform aufbaut.

Jetzt aber zurück zum Stinger. Den versteht sein Hersteller ja als „modernen Gran Turismo mit Power und Stil“, sein Design basiert auf der GT-Studie von 2011. Nun kann man zu ihren Gunsten anführen, dass sie trotz der sechs Jahre, die seit ihrem Debüt vergangen sind, nicht sehr gealtert ist. Der Kia steht gut da, orientiert sich etwas an europäischen Vorbildern, ohne diese zu offenkundig zu kopieren. Mit dem Stil ist das ohnehin so eine Sache, da ist es schon einfacher, für Power zu sorgen. Ein 3,3-Liter-V6-Turbo mit 370 PS sitzt unter der Haube, und zwar längs, weil der Stinger auf einer Heckantriebs-Plattform aufbaut. Serienmäßig dabei: Allrad und Automatikgetriebe, ferner Adaptivfahrwerk, doch dazu später mehr.

Beinahe 50 PS weniger hat der BMW 440i mit seinem Dreiliter-Reihensechszylinder aus der Motorenfamilie B58, was deswegen erwähnenswert ist, weil sich BMW den Luxus weiterer Dreiliter-Sechszylinder-Baureihen leistet: den Vorgänger N55 (etwa im 435i) sowie den S55 in M3 und M4. Mit dem B58 im 440i darf man sehr zufrieden sein, weil es beim Auto wie sonst im Leben ja auch nicht nur auf die schiere Kraft ankommt, sondern vor allem darauf, wie man mit ihr umgeht.

Damit sind wir nun mitten im Vergleichstest, und zwar auf der Autobahn, wo der BMW keine Mühe hat, dem stärkeren Kia zu folgen. Beim Beschleunigen und im Zwischenspurt sind sie praktisch gleich schnell. Der einzige Unterschied: Beim 440i ist die Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h begrenzt, der Stinger darf bis 270 km/h rennen. Ein zwar recht theoretischer, dennoch erwähnenswerter Unterschied.

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Fahrbericht Kia Stinger GT Schick, sportlich und konkurrenzlos günstig

Wirklich distanzieren kann er den BMW so auf der Autobahn freilich nicht. Eher verdrießt er seinen Fahrer mit der etwas unharmonischen Leistungsabgabe. Auf den ersten Millimetern Gaspedal produziert der Kia-V6 eher wenig Leistung, um dann heftiger als erwartet zuzuschlagen. Der Sechszylinder brüllt dann zornig los, so vehement, dass er mitunter sogar sein Getriebe überrascht. Das reagiert darauf mit unwilligen Schaltrucken, gern beim Beschleunigen aus sehr langsamer Fahrt.

Diese Eigenheiten fallen umso mehr auf, wenn man direkt danach in den 440i steigt. Von Antriebseinheiten verstehen sie bei BMW schließlich was. Den Erfahrungsvorsprung seiner Entwickler zeigt der Sechszylinder mit feinfühliger Gasannahme, gleichmäßiger Leistungsentfaltung und seidiger Laufkultur. Zudem gibt die Achtstufenautomatik hier den perfekten Partner, schaltet ebenso sanft wie passend, reagiert blitzschnell auf manuelle Eingriffe.

Beim Kia kann der Fahrer ebenfalls an den Paddeln zupfen, das Getriebe reagiert darauf jedoch lange nicht so beflissen. Was es zum Antrieb noch zu sagen gibt? Der BMW verbraucht im Durchschnitt rund einen Liter weniger auf 100 Kilometer. Das ist zwar bei Autos der 60.000-Euro-Klasse eher weniger entscheidend, das ressourcenschonendere Automobil ist in diesem Fall dennoch der 440i xDrive. Ach ja, die Allradantriebe: Traktionsprobleme gibt es bei keinem der beiden, heckbetonter wirkt der Kia.

Agiler und präziser ist der BMW

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Gewohnt hohe Verarbeitungsqualität im Innenraum des 4er. Auch die Bedienung über das bekannte i-Drive kann überzeugen.

So reagiert der Kia auch mit stärkerem Eindrehen auf Lastwechsel, bleibt aber dennoch gut kontrollierbar. Das liegt unter anderem an der sehr gut abgestimmten Lenkung, da macht Kia tatsächlich von Modellgeneration zu Modellgeneration enorme Fortschritte. Im Stinger sind die rückmeldungsarmen, unpräzisen Lenkeinheiten älterer und preiswerterer Kia-Modelle nichts weiter als eine ferne Erinnerung.

Dass sich der Vierer doch noch eine Nuance präziser und feinfühliger einlenken lässt, schmälert die Qualität des Stinger nicht. Der BMW biegt insgesamt agiler ab, bleibt neutraler und wirkt deutlich kurvenwilliger als sein koreanischer Konkurrent. Das gilt im Übrigen umso deutlicher, je mehr Fahrassistenzsysteme beim Kia gerade in Aktion sind. Derer gibt es gar nicht so wenige, sie funktionieren meist auch sehr ordentlich, doch die übernervöse Auffahrwarnung und der in der höchsten Empfindlichkeitsstufe sehr rigoros in die Lenkung greifende Spurhalteassistent nerven gehörig.

Also schaltet man sie ab, was immerhin sehr unkompliziert vonstattengeht. Womit wir bei einem Kapitel angekommen sind, bei dem Kia-Produkte immer gut abschnitten: der Bedienung. Die funktioniert im Stinger nicht mehr so reibungslos, es gibt ja auch viel mehr zu bedienen als in einem Rio oder Venga.

So ist zwar der Touchscreen blickfreundlich hoch montiert, dafür muss man zum Betouchen den rechten Arm weit anheben und ausstrecken. Das erschwert das zielgenaue Treffen auf dem Bildschirm und ist anstrengend. Zudem sind die silbrigen Menütasten im dämmrigen Cockpit schlecht ablesbar und die Darstellung auf dem ebenfalls serienmäßigen Head-up-Display ist sparsam.

All das klappt beim 440i reibungsloser, geschmeidiger. Dadurch wirkt der BMW wertiger und reifer, was ebenso an der sorgfältigeren Detailqualität und der ausgefuchsteren Werkstoffwahl liegt. Auch hier hat Kia noch etwas Nachholbedarf, der Stinger wirkt da kaum anders als viel preiswertere Modelle der Marke.

© Hans-Dieter Seufert
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Vermutlich haben Sie es sich bereits gedacht, der Kia Stinger wird diesen Vergleichstest einige Punkte hinter dem BMW 440i Gran Coupé beenden – trotz der Zähler, die er mit dem günstigeren Preis, der Ausstattung und der viel längeren Garantiezeit einsammelt. Daher wollen wir hier noch ein paar gute Seiten des Kia aufzählen. Dazu gehört etwa das Raumangebot, denn Platz für Insassen und Gepäck hat er spürbar mehr als der deutlich knapper geschnittene BMW, wenngleich es dem Stinger im Fond an Kopffreiheit fehlt. Der Federungskomfort ist sehr beachtlich, obwohl in diesem Fall der 440i mit seinem aufpreispflichtigen Adaptivfahrwerk (1.100 Euro) noch etwas besser abschneidet, weil er feiner anfedert und auch grobe Unebenheiten gelassener wegsteckt.

Auch darum ist der BMW der bessere Kauf. Den Preisunterschied muss man freilich verkraften. Er reichte etwa für den Kauf eines Tiefgaragenstellplatzes in München. Oder zwei Kia Elan in gutem Zustand.

Fazit

1. BMW 440i Gran Coupé xDrive Luxury Line
433 Punkte

Feinerer Motor, ausgewogeneres Fahrwerk, bessere Qualität, höherer Komfort – der BMW liegt in den meisten Disziplinen vorn. Wenig überraschend, dass er erheblich teurer ist.

2. Kia Stinger 3.3 T-GDI GT
408 Punkte

Der Stinger ist kein schlechtes Auto,doch in einigen Details könnte er etwas mehr Feinschliff vertragen. Toll sind der kräftige Motor, die exakte Lenkung und der Preis.

Tabelle (techn. Daten)

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