Mit den Herausforderungen wachsen? Wenn sich einer damit auskennt, dann der Hyundai Tucson. Damit meinen wir nicht, dass er in der neuen Generation um 2,5 cm Länge zulegt, sondern dass er sich den Skoda Karoq als Gegner wählt. Die starken Allrad-Benziner im Vergleichstest.
Es zählt zu den nachvollziehbarsten wie den meistenttäuschten Erwartungen von Aufsteigern, zu glauben, sie seien oben angekommen, wenn sie oben angekommen sind. Dabei hat man den Gipfel erst wirklich erreicht, wenn die eigene Anwesenheit dort nicht mehr als Zufall oder Besonderheit, sondern für selbstverständlich erachtet wird.
Seit seinem Start 2004 hat sich der Tucson mit jedem Modellwechsel weiter hochgearbeitet. Generation vier wächst nur sacht in den Dimensionen auf 4,50 Meter und doch über seine bisherigen Ambitionen und Talente hinaus, kommt mit 48-Volt-Mildhybrid, innovativer Assistenz und, nun, einfallsreichem Design. Ob das reicht, um sich bei den Kompakt-SUV an der Spitze festzukrallen? Klären wir im Vergleichstest mit dem aufstiegsroutinierten Skoda Karoq .
Zur Sache, Plätzchen
Skoda Karoq 2.0 TSI DSG 4x4: 190 PS, 9,0 l S/100 km Testverbrauch, 521–1.630 l Kofferraumvolumen, ab 39.370 Euro.
Klingt zunächst unfreundlich, aber da die Entwickler ja auf alle Techniken und Entwicklungen aus dem VW-Konzern zurückgreifen konnten, musste Skoda für die eigene Karriere eigentlich nur eines neu erfinden: sich selbst. Aber wenn das Große, das Ganze schon passt, kommt es umso mehr auf die Details an. Genau in denen liegt die Stärke des soliden Karoq. Der erleichtert den Alltag mit cleveren Kleinigkeiten wie vielen Ablagen, einer 230-Volt-Steckdose, Taschenhaken hier, Eiskratzer da und Spotlämpchen dort. Allerdings möbliert Skoda den Karoq als Sportline auch optional nicht mit den drei Einzelsitzen im Fond, die sich sonst verschieben, falten, neigungsverstellen, aus- oder zur Zweier-Lounge umbauen lassen. Stattdessen klappt die bequeme Rückbank nur geteilt, mit flacher Stufe und nicht ganz eben, hat dazu nur eine kleine Durchlade.
Der Hyundai organisiert die Variabilität geschickter und ohne Innenkante am Kofferraum, dazu legt sich die dreiteilige, neigungsverstellbare Rücksitzlehne fernentriegelt richtig eben. Zudem lässt sich das Laderollo im Souterrain verräumen. Auch die Passagiere verräumt der Tucson weitflächiger – mit sechs Zentimetern mehr Normsitzraum im Fond. Pilot und Co. sitzen sechs Zentimeter höher als im Karoq, mit bester Aussicht, doch mit der Position passt es nicht recht auf den breiten, beheiz- und belüftbaren Ledersesseln. Von hier aus gilt es, im hochwertigen Cockpit eine Funktionsfülle zu bedienen, die im Tucson nicht nur an Umfang, sondern auch an Komplexität eine für Hyundai neue Quantität erlangt hat.
Bisher war das immer alles so eingängig durchsortiert mit richtigen Schaltern und Tasten. Nun aber gilt es, sich durch komplexere Touchscreen-Menüs zu tasten. Die Drehregler für Navi-Zoom und Lautstärke haben die Innenarchitekten wegverschönert, vieles – auch die Klimaregelung – wird nun über berührsensible Tastenflächen organisiert. Allerdings sind die echte Sensibelchen, mitunter genügt ein versehentliches Drüberstreifen schon, um das Radio auszuknipsen. Klasse dagegen: Gegen 500 Euro Aufpreis gibt es für den Top-Tucson Totwinkelkameras.
Je nachdem, ob man nach links oder rechts blinkt, blenden sie ihr Bild in die digitale Tacho- oder Drehzahlanzeige ein. Das ist enorm hilfreich, aber nur bei guter Witterung. Bei schlechtem Wetter vernebelt Sprühregen die Sicht. Auch die anderen Systeme der umfangreichen Assistenzen wirken mitunter etwas benebelt. So setzt der Abstandstempomat des Testwagens bei sachtem Schneefall aus, der Spurhalteassistent grabscht grob und nicht immer zielsicher in die Lenkung.
Der Karoq assistiert weniger umfassend, aber auch weniger übergriffig. Doch stellt er bei der Bedienung vor allem des Infotainments noch größere Ansprüche an Entdeckergeist und Geduld von Fahrer und Beifahrer, die er auf seinen langstreckenbequemen, haltstarken Sportsitzen tiefer ins Auto integriert.
Der ist wohl mild geworden
Hyundai Tucson 1.6 T-GDI 48 Volt 4WD: 180 PS, 9,7 l S/100 km Testverbrauch, 577–1.759 l Kofferraum, ab 39.100 Euro.
Wo wir eh beim Integrieren sind: In den Antrieb integriert der Tucson ein 48-Volt-Mildhybrid-System mit Riemenstartergenerator, der über die Kurbelwelle mit 12 kW mitboosten kann. Oder er speist per Rekuperation Strom in die 0,44 kWh kleine Lithium-Polymer-Batterie, die das Bordnetz mit Energie versorgt, wenn der Tucson beim Rollen nicht nur den Leerlauf einlegt, sondern dazu den Motor ausknipst. Zu diesem antriebslosen Segeln takelt sich der Antrieb jedoch nur im Eco-Modus auf.
Da gelingt die Segelei oft, was den 1,6-Liter-Benziner aber nicht zu bemerkenswerter Effizienz verführt. Mit 9,7 l/100 km liegt der Tucson im Testverbrauch 0,7 l über dem ganz unhybridisierten Karoq. Und selbst mit dem kleinen Extraboost fühlt sich der Hyundai-Antrieb für 180 PS unmotiviert an, wenngleich das Doppelkupplungsgetriebe weich und emsig durch seine sieben Gänge schaltet.
Dagegen findet die Fahrt im Karoq mit dem kernigeren Zweiliter-Turbo zu einer Vehemenz, mit welcher der Skoda vor zehn Jahren bei den GTI hätte auftreten können. Trotz des besänftigenden Allradantriebs und des eher komfortablen als stürmischen Siebengang-DSG fühlt er sich mit 190 PS/320 Nm viel entschlossener an, was auch auf das straffe Fahrwerks-Set-up zutrifft.
Schon im Comfort-Modus der Adaptivdämpfer spricht der Skoda etwas herb auf Unebenheiten an, kommt nach langen Wellen dennoch leicht ins Pumpen. Das unterbindet die Sport-Kennlinie – den restlichen Federungskomfort aber auch größtenteils gleich mit dazu. Dafür geht es nun richtig los mit dem Handling. Mit der direkt ansprechenden, rückmeldungsforschen Lenkung biegt er resolut in Kurven, bleibt sehr sicher. Allerdings bremst er viel schwächer als der Hyundai.
Wegen intensiverer Unterhaltskosten verliert der Hyundai trotz fünf Jahren Garantie die Kostenwertung.
Den bremst im Handling seine Besonnenheit in Agilitätsbelangen. Seine Lenkung spricht sachter und indirekter an, meldet gedämpfter zurück. Er kurvt schneller noch durch die Fahrdynamik-Prüfungen und doch träger und komfortabler über Land. Auch für den Tucson gibt es nun Adaptivdämpfer (980 Euro), wobei die Kennlinien eng beieinanderliegen. Selbst im Sport-Modus steigert er sich nicht in harsche Dynamik-Ambitionen, steckt bis auf Querfugen herbe Unebenheiten gut weg. Auf Comfort spricht er sorgsam an, ohne in Kurven arg ins Wanken zu geraten.
Dazu bremst der Tucson besser und hat ebenfalls Detail-Cleverness parat: Der gripstarke Allrad lässt sich zum Anfahren auf starren Durchtrieb fixieren, die Klimaautomatik kooperiert mit dem Navi, schaltet vor Tunneln auf Umluft. Schließlich überragt seine Serienausstattung noch die Reichhaltigkeit des Karoq.
Mal was Neues: Wegen intensiverer Unterhaltskosten und des höheren Preises verliert der Hyundai trotz fünf Jahren Garantie die Kostenwertung. Doch in den Eigenschaftskapiteln punktet er so viel Vorsprung zusammen, dass er am Ende noch klar vorn liegt. Bedenkt man, gegen wen der Tucson gerade gewonnen hat und wo er nun steht, darf man also feststellen: Das ist ja wohl der Gipfel.
Fazit
Der Tucson hat mehr Platz, federt komfortabler, bringt mehr Komfort- und Assistenzausstattung mit. Mit bissiger Verzögerung bremst er den Karoq aus – trotz des müderen Motors.
Das vergnüglichere Handling und der effizientere, zupackendere Motor allein reichen nicht. Vor allem, weil der günstigere, aber engere Skoda nur durchschnittlich stark verzögert.
Tabelle (techn. Daten)
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