Honda Civic e:HEV im Test: Japanischer Hybrid-Sportler

Honda Civic e:HEV im Test
:
Hybrid-Sportler mit Sparpotenzial

Honda Civic e:HEV Sport © Achim Hartmann 25 Bilder

Alles neu beim Honda Civic: Die Benziner und der Diesel fliegen raus, rein kommt der aufwendige eHEV-Hybridantrieb. Dazu: neues Gewand, neues Cockpit und ein ganz neues Selbstverständnis. Sollte reichen, um aus den Versenkungen des Kompaktsegments aufzuerstehen, oder?

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Leicht hatte es die zehnte Generation des Civic auf dem deutschen Markt nicht, trotz drehfreudiger Turbobenziner, eines sehr sparsamen Diesels und des frontgetriebenen Superhelden Type R. Vielleicht war die spacig-cartoonige Gestaltung vielen Kunden zu extrem? Schließlich trug er an gefühlt jedem Karosserieteil eine Sicke, eine Kante oder einen Lufteinlass. Dazu noch eine auffällige Plastik-Samuraimaske auf dem Gesicht, als führe er einen heiligen Kampf gegen die Biederkeit des Automobil-Designs.

Das ist die elfte Generation Honda Civic im Detail 9:04 Min.

Damit soll nun Schluss sein, schließlich will der Honda Civic aus den Tiefen abgedrehter Manga-Verfilmungen ins Hauptprogramm wechseln. Ob es dabei nur für vorabendliches Spießer-TV oder die guten Fessel-Thriller-Sendeplätze reicht, muss er nun im Test zeigen. Optisch präsentiert er sich spürbar geglättet sowie schlichter und weit weniger polarisierend als der Vorgänger. Geblieben ist das unkonventionelle Fastback-Design, das den Civic mit 4,55 Metern in die Nähe der Klassengrenzen streckt.

Nur noch als Hybrid oder Type R

Einzige Antriebsoption: der eHEV-Hybridantrieb. Lediglich der ab Anfang 2023 erhältliche Type R erhält einen Zweiliter-Turbo. Im regulären Civic kommt dabei eine überarbeitete Einheit aus dem Honda CR-V zum Einsatz. Heißt: Zweiliter-Atkinson-Saugbenziner mit 143 PS Leistung, der eine Motor-Generator-Einheit antreibt, die wiederum zusammen mit einer 72-Zellen-Batterie die Versorgung des 184 PS starken elektrischen Antriebsmotors übernimmt. Die genaue Funktionsweise ist in der Bildergalerie dargestellt. Dabei soll vor allem die höhere Energiedichte der Hybrid-Batteriezellen dem Antrieb die Lethargie nehmen.

© Achim Hartmann

Der Civic e:HEV kommt mit einem 2.0 Liter Vierzylinder-Benziner ohne Aufladung mit einer Leistung von 143 PS und einem maximalen Drehoment von 186 Nm. Den direkten Antrieb übernimmt jedoch ein 135 kW starker Elektromotor. Bei voller Leistungsabgabe wirken beide Antriebe zusammen und ergeben eine maximale Systemleistung von 184 PS und 315 Nm Drehmoment.

In der Stadt startet der Civic rein elektrisch und fühlt sich im ersten Moment nach Elektroauto an: direktes Ansprechverhalten, kräftiger 315-Nm-Antritt an der Ampel und angenehm ruckfreie Kraftübertragung. Schließlich muss kein Getriebe die Kraft erst übersetzen und verkuppeln. Der Verbrenner schaltet sich alsbald unauffällig dazu. Honda bewirbt ihn mit einem Wirkungsgrad von 41 Prozent. Auch wenn das einem elektrischen Synchronmotor bestenfalls ein schiefes Grinsen in die Wicklungen treibt, hat das Honda-Konzept, den Verbrenner als eine Art Stationärmotor zur Energieerzeugung für den antreibenden E-Motor zu nutzen, sein Sparpotenzial schon in anderen Modellen bewiesen.

Die Übergänge zwischen den Antriebsmodi sind fließend und unmerklich, erst bei höherer Leistungsabfrage außerorts spürt man, dass der Pufferspeicher den Antriebsmotor nicht allein versorgen kann. Nach einer kleinen Verzögerung hat der Verbrenner genug Energie erzeugt, dann geht es durchaus munter vorwärts. Besonders angenehm: Während andere Honda-Modelle nun mit lautstark aufheulendem Motor das Ende der Beschleunigungsorgie erflehen, bleibt der Civic erstaunlich gesittet und wird nur unter Volllast wirklich wahrnehmbar. An der zeitweise hohen Drehzahl besteht akustisch kein Zweifel, auch nicht daran, dass der Motor versucht, Gangstufen zu simulieren; aber das Geräusch dringt nur leise und weniger plärrig intoniert in den Innenraum.

Kräftig und sparsam

© Achim Hartmann

Der Testverbrauch liegt bei 6,2 l/100km. Das geht aber durchaus sparsamer. Lediglich 4,4 Liter benötigt der Civic auf der sparsam gefahrenen Eco-Runde. Der Sportverbrauch fällt mit 10,2 Litern jedoch eher hoch aus.

Der Antrieb legt jedoch nicht nur seine akustische Präsenz ab, sondern auch richtig los. 7,5 Sekunden dauert der Sprint bis 100 km/h, zügig geht es weiter bis 140, bevor der Civic langsam die weiße Fahne bis zur antriebsbedingten Höchstgeschwindigkeit von nur 180 km/h hisst – nicht unbedingt Blockbuster-würdig, aber auch nicht zum Eindösen. Das etwas verzögerte Ansprechen auf der Autobahn kann mit dem Sportmodus angepasst werden, in dem der Verbrenner mit erhöhter Drehzahl läuft.

Die Schaltwippen am Lenkrad passen die Rekuperation an, die aufgrund des kleinen Akkus nie sonderlich stark ausfällt. Am einfachsten ist es jedoch, schlicht das Bremspedal zu betätigen. Der Übergang zwischen Rekuperation und hydraulischer Bremse sowie das Pedalgefühl selbst sind vorzüglich abgestimmt.

© Honda
Honda Civic Type R (2022) Heißer Japaner auch in R-S-Spezifikation

Allgemein macht der Honda das Leben mit der komplexen Technik angenehm einfach. Der Antrieb arbeitet ruckfrei, leise, und seine Effizienz ist nicht an bestimmte Bedingungen wie etwa das externe Akku- Aufladen gebunden. Apropos Effizienz: Der Honda belohnt Pedalstreichler mit knausrigen 4,4 Litern pro 100 km auf der Eco-Runde und 5,7 Litern im Pendlerbetrieb. Erst bei hoher Last zeigt er eine andere Seite und drängt in hohe Verbrauchsregionen. Auf der schnellen Autobahnetappe kann er den Verlust des Diesels nicht kompensieren.

Handling auf Golf-Niveau

Die Fahrassistenz zeigt sich ebenfalls unkompliziert. Der Abstandstempomat ist zwar manchmal etwas nervös auf der Bremse, aber er arbeitet gut mit dem präzise durch leichte Lenkimpulse regelnden Spurhalter zusammen.

Abseits der großen Fernstraßen lenkt der Civic mit schöner Präzision, aber nicht sonderlich direkt in Gebirgsbiegungen. Bergdoktor statt Dr. No? Im Sportmodus kommt neben etwas Handmoment noch ein wenig Feedback hinzu, und bei strafferer Gangart sorgt der Civic noch für genug Unterhaltung, durcheilt Kurven lange neutral, bevor er unter spürbarer Seitenneigung leicht ins Untersteuern schiebt. Auf der Teststrecke wedelt er auf Golf-Niveau um Hütchen und durch die Ausweichgasse. Dabei behält das passive Fahrwerk eine straffe Grundnote, gibt der Karosserie auf gröberen Unebenheiten aber die nötigen Freiheiten, diese auch sauber auszuschwingen.

Erwachsener außen wie innen

© Achim Hartmann

Das Cockpit erinnert ein wenig an Audi A4 und A5. Bessere Bedienung, Ergonomie und Qualität bei weniger Ablagen. Apple CarPlay und Android Auto gibt es serienmäßig. Lautstärkeregelung und Klimabedienung erfolgt glückerweise über hochwertige Drehregler anstatt Touch-Bedienung.

Auch innen sieht man das Bestreben hin zur Primetime. Verschwunden sind die wilden Tachografiken und die Game-Boy-Tasten am Lenkrad. Anstelle derer finden sich Anleihen von Audi mit dem durchgehenden Lüftungsgitter und herrlich taktil klickenden Drehreglern zur Klimasteuerung. Bei der Bedienung macht Honda einen erfreulichen Schritt zurück. Der Lautstärkedrehregler ist wieder da, die Lenkradtasten sind klar beschriftet, und eine Direktwahltaste erlaubt den direkten Zugriff auf das Assistenzmenü.

Klar, auch hier lenkt der Touchscreen ab, aber nicht mehr als nötig. Am Rand sitzen haptische Home- und Zurück-Buttons, die flache Menü-struktur, die klare Darstellung und eine konfigurierbare Schnellwahlleiste erleichtern die Bedienung. Erst im Navigationsbereich wird es kleinteiliger, und das Suchen von DAB-Sendern in einzelnen Ensembles nervt. Die Sprachsteuerung ist einfach gehalten, blendet bei Aktivierung die möglichen Sprachbefehle ein und versteht diese auch zuverlässig. Selbst so ausufernde Straßennamen wie die Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße in der niederbayerischen BMW-Region Dingolfing – echt jetzt.

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Honda Civic: 11 Generationen seit 1972 Eines der meistverkauften Autos der Welt

Es gibt auch Minuspunkte

Und während Innenraumteile gut eingepasst sind, das Wischwasser präzise aus wischerintegrierten Düsen sprüht und viel weicher Kunststoff verbaut ist, kann der Civic nicht verstecken, dass er ein Volumen- und kein Premiummodell ist. Nicht alle Schalter sitzen perfekt, die Armlehne wackelt, die Rückfahrkamera mimt in Sachen Auflösung den Röhrenfernseher, die Lackierqualität ist mäßig, und den Sitzen würde mehr Oberschenkelauflage und eine Verstellmöglichkeit für die Sitzflächenneigung guttun. Im Kofferraum bietet der Honda viel Fläche, aber die Ladehöhe ist begrenzt. Genial hingegen: das platzsparende, seitlich angebrachte Heckrollo.

© Achim Hartmann

„Mit 1,85 Metern stößt man sich im Civic-Fond schon den Kopf – und das bei 4,55 Metern Außenlänge“.

Dennoch beschränkt die Dachlinie das Platzangebot. Ein Ford Focus verlädt auf 17 Zentimetern weniger Außenlänge kaum weniger als die 410 Liter des Civic, bietet aber seinen Passagieren deutlich mehr Kopffreiheit im Fond. Im Honda sollten die Passagiere am besten langbeinige Sitzzwerge sein, denn Kniefreiheit gibt’s mehr als genug.

Erhältlich ist der Civic nur mit viel oder sehr viel Ausstattung. Elegance bietet bereits die volle Infotainment- und Assistenzausstattung, der Testwagen stammt aus der Linie Sport (33 200 Euro) mit 18-Zöllern, Phonebox und weiteren Optikfeatures – angesichts von Technikaufwand und Ausstattung ein fairer Preis. Ein VW Golf 2.0 TSI mit 190 PS kostet bei gleicher Ausstattung rund 7000 Euro mehr.

So könnte es die elfte Civic-Generation auf dem deutschen Markt deutlich leichter haben – als gereifter Darsteller für ein breites Publikum statt als mutiger Comic-Held.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • angenehm einfache Bedienung
  • taktil klickende Regler
  • großer Kofferraum
  • viel Kniefreiheit im Fond ...
  • ... aber wenig Kopffreiheit
  • Platzangebot in Relation zu den Karosserieabmessungen nur durchschnittlich
  • schlechte Übersichtlichkeit
  • pixelige Rückfahrkamera
  • mäßige Lackierqualität

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • komfortable Fahrwerksabstimmung
  • sanftes Anfahrverhalten
  • gute Geräuschdämmung
  • Sitze mit zu kurzer Schenkelauflage

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • purtstark
  • akustisch zurückhaltend
  • kein reiner Elektromodus
  • verzögerte Leistungsabgabe

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • lineare, präzise Lenkung
  • kein Getrieberuckeln
  • neutrales Kurvenverhalten ...
  • ... ohne große Dynamik zu entfachen
  • ausgeprägte Seitenneigung

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • funktionale Assistenzsysteme serienmäßig
  • passable Bremswege
  • ACC lässt rechts überholen

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • sehr niedriger Verbrauch bei ruhiger Fahrweise
  • hoher Sportverbrauch

Vor- und Nachteile

Kosten
  • gemessen an Ausstattungsniveau fair eingepreist
  • durch Linienbindung kaum Möglichkeiten zur Individualisierung

Fazit

Erfreulich unaufgeregt wie der ganze Civic : Die Bindung an den seriellen Hybridantrieb ist kein K.-o.-Kriterium, sondern bietet echtes Sparpotenzial ohne Einbußen bei Komfort und Beschleunigung.

Tabelle (techn. Daten)

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