Genesis GV60 Sport Plus im Test: Der perfekte E-SUV?

Genesis GV60 Sport Plus im Test
:
Leuchtendes Beispiel

Genesis GV60 © Achim Hartmann 15 Bilder

Da bringt Genesis den E-SUV namens GV60 an den Start, bietet fünf Jahre Garantie und kommt ebenso lange für die Wartung auf – liebe Konkurrenz: bitte dieses leuchtende Beispiel zum Vorbild nehmen! Wir wollen in der Überschrift aber auch auf die Lichtshow beim Startvorgang hinweisen. Eine Art Simsalabim-Effekt zum Staunen.

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Vielleicht haben es die Hersteller ja selbst festgestellt. Möglicherweise ist ihnen aufgefallen, dass sich die Silhouetten erstaunlich vieler E-SUV erstaunlich stark ähneln. Differenzierung? Definitiv: beim Markenlogo vorn sowie beim lichtanimierten Heck hinten. Davon abgesehen? Nun, man könnte mit Knallfarbe sowie Streitwagen-Rädern überraschen. Damit versucht es Genesis beim Nobel-Crossover Genesis GV60 Sport Plus.

Genesis GV60 19:36 Min.

Ein Hingucker, zweifellos. Wobei der Blick der Bewunderer stets fragt: Was ist das? Antwort: ein Genesis, was selten das Fragende aus dem Blick nimmt. Schließlich ist die Exklusivmarke der koreanischen Hyundai Motor Group als Wiedergänger erst seit 2021 in Deutschland aktiv. Mit Engagement: Gefühlt rollen im Monatstakt neue Modelle aus den Übersee-Containern – beispielsweise in unsere Tiefgarage und dort an die Wallbox. Der Genesis GV60 hängt als E-Fahrzeug zunächst am Elektronen-Tropf.

© Achim Hartmann

Der GV60 wirkt groß, ist aber vor allem massig und gehört mit rund 4,5 Metern Länge zu den kompakten E-SUV. Platz für vier bietet er reichlich, ist entsprechend familientauglich.

Hier reichert er seinen 77,4-kWh-Akku mit elf kW an und pumpt in 7,4 Stunden inklusive Ladeverlusten 82 kWh hinein. An der wirkmächtigen HPC-Säule zieht er mit bis zu 220 kW am Kabel – auch dank 800-Volt-Ladetechnik. Sie ist das Highlight der Elektro-Plattform, die sich der GV60 mit dem Kia EV6 und dem Hyundai Ioniq 5 teilt; beide Hochvolt-Wagen haben schon Lichtbogen durchs Heft glühen lassen.

Dass die Griffe erst ausklappen, sobald man sich mit dem Funkschlüssel in der Tasche nähert – Vorgeplänkel zur GV60-Show. Mehr schlecht als recht greift man danach, zieht die massiv erscheinende Tür auf, erklimmt den Fahrersitz und erblickt die Illuminations-Inszenierung: Auf der Mittelkonsole glüht eine Art Kristallkugel rötlich. Überdies ließe sich Türkis einstellen. Genesis schwirrt durch den Zeitgeist, bietet jeder Orientierung die Möglichkeit, sich farblich auszudrücken.

© Hans-Dieter Seufert

Beim Einsteigen glimmt eine gläserne Kugel in der Mittelkonsole. Nach dem Drücken des Startknopfs dreht sie sich automatisiert, und es erscheint das Wählrad fürs Getriebe.

Drückt man den Startknopf, dreht sich die Glitzerkugel um ihre Achse, kehrt bislang Verborgenes hervor – das Getriebe-Wählelement. Übergroße Golfball-Einbuchtungen bieten den Fingern eine Grifffläche. Zeitgleich ist ein zweiter Handschmeichler aus der Mittelkonsole gefahren, der den Dreh-Drück-Steller des iDrive-Systems von BMW kopiert und das Infotainment steuert. Toller Ideenklau, denkt man sich, während die ersten Bedien-Versuche intuitiv genau das bewirken, was man sich vorgestellt hat.

Nicht für Normalverdiener

Ein dingliches Element zusätzlich zum Touchscreen? Wie gestrig! Man könnte dem Fortschritts-Mantra glatt folgen, wären da nicht Uneinsichtige wie Genesis. Die sowohl an eine ablenkungsarme Bedienung glauben als auch sich aparte Materialien leisten. Schließlich kostet der GV60 nach Förderung mindestens 48 395 Euro, im Falle des getesteten Sport Plus sogar 63 035. Erneut ein elektrischer Familienwagen, bei dem Normalverdiener draußen bleiben müssen.

Gut, wenn teure Autos wenigstens exklusives Flair vermitteln: Velours an A-/B-/C-Säulen – Respekt, Genesis! Ob der Hyundai-Konzern wohl günstiger als die deutschen Elektro-Hersteller an Innenausstattung gelangt? Ob der gute Stoff zunächst in Südkorea abgeladen, bevor die B-Ware nach Europa verschifft wird? Denn hierzulande stößt man im Sichtbereich auf bemerkenswert viel Hartplastik. Und davon abgesehen auf bemerkenswert wenig Variabilität.

© Achim Hartmann
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Genesis dagegen, die neue Marke, hat sich wohl den alten Erfahrungsschatz der ausgestorbenen Vans teilweise angeeignet. Da wäre die Rücksitzlehne, die in verschiedenen Positionen rastet, sogar eine Art Liegestellung bietet und sich flach vorklappen lässt. Flach ist zudem der Übergang in den Kofferraum, was das Beladen mit Sperrgut vereinfacht. Für Kleinkram gibt es eine brauchbare Zusatz-Kammer unter der Fronthaube. Ebenfalls außergewöhnlich: ein Handschuhfach als Schublade.

Zu bemängeln hätten wir, dass die Oberschenkel der Rücksitzpassagiere nicht aufliegen. Dass die Seitenverkleidung des Gepäckabteils mit Hartplastik auskommen muss. Dass der Blick in den Beifahrer-Fußraum offen baumelnde Kabel zeigt. Und dass, auf der gegenüberliegenden Seite, die Lenksäule blankzieht. Gespart wird eben doch – vorwiegend im (fast) unsichtbaren Bereich.

Kein Kanaldeckel-Schmuser

Weithin sichtbar: der Boost-Knopf am Lenkrad-Pralltopf; er ruft das Wissen um aberwitzige 700 Nm samt 490 PS in den Hinterkopf zurück, und wir sirren los. Es lassen sich diverse Sound-Szenarios vorwählen, man könnte also auch losgrollen. Passt aber nicht zum schweren Wagen. Stattdessen die angenehm weiche Gaspedalkennung; so lässt es sich gemütlich in der Stadt mitfließen.

Ein Kanaldeckel-Schmuser ist der GV60 nicht, schließlich stecken auf seinen Radaufnahmen 21-Zoll-Räder – E-SUV-Klischee erfüllt. Beim hier getesteten Topmodell mit je einer Maschine pro Achse sind sie serienmäßig. Man muss ihr "Klonk, klonk" beim Überfahren eben ertragen. Später, auf der Autobahn, da überfließt der 2,2-Tonner Asphaltwellen, wogt sie aus, ohne sich in Schwingungen hineinzusteigern. Man spürt die kompensierende Macht der Masse. Sowie eine Sattsamkeit samt effektiver Geräuschdämmung.

© Achim Hartmann

Dank 490 PS, einem Drehmoment von 700 Nm und Allradantrieb schießt der Genesis in 3,9 s auf Tempo 100. Maximal sind 235 km/h drin.

Innere und äußere Opulenz finden hier zusammen. Einzig der Namenszusatz Sport Plus irritiert. Vielleicht bezieht er sich auf den Boost-Knopf (Foto oben), den wir zum Verifizieren drücken – bis zu zehn Sekunden lang liegt daraufhin die bereits erwähnte Brachialleistung an, die den brachialen Brocken mit Front- und Heckantrieb brachial anschiebt. Entweder in atemstockenden 3,9 Sekunden auf 100. Oder weiter, weiter und immer weiter, bis der Tacho 250 anzeigt, was etwa echten 235 km/h entspricht. Da haben sie tatsächlich etwas fürs Mundwinkel-Lifting getan, denkt man sich. Schließlich machen viele E-SUV bei 160 km/h dicht.

Wäre noch der Driftmodus zu behandeln. Den erwartet man kaum bei diesem Alltagswagen für Bessergestellte, weshalb man ihn hier nicht thematisieren müsste – tun wir aber doch: Von allen Regel-Ketten befreit, schwenkt das Heck rein per Gaspedal-Befehl aus, und die Hinterreifen schmauchen sich einen. Spätpubertäre Kinderei? Möglich. Von einer Meta-Warte aus betrachtet beweist er gleichwohl, dass E-Autos nicht ausschließlich den Planeten retten müssen, sondern technisch zumindest schabernackfähig sein können. Damit man mehr kauft als schwermütige Ernsthaftigkeit und selbstkasteiende Enthaltsamkeit.

© Achim Hartmann
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Andererseits sollte man das Driftvermögen nicht in die gedankliche Nähe von Wendigkeit bringen – da besteht keine Zwangskoppelung. Tanzt man mit dem Bären, dann swingt er besonnen durch Kurven. Treibt man ihn zur Eile, dann taumelt er und drängt übers Ziel hinaus. Entsprechend lässt der GV60 seine Hüften auch nicht gerade geschmeidig auf der Messstrecke schwingen.

Täuscht keinen Elan vor

Glücklicherweise haben die Entwickler der Versuchung widerstanden, scheinbare Agilität via direkter Lenkübersetzung und straffer Federung vorzugaukeln. Vielmehr wirkt das Fahrdynamik-Konzept in sich schlüssig, weil der schwere Wagen – außer mit dem Namenszusatz – keinen Elan vortäuscht, vielmehr seinen luxuriösen Auftritt mit wohltemperiertem Komfort unterfüttert. Damit distanziert er sich von den Schaumschlägern unter den E-SUV; man wünscht sich mehr von denen, die zur prinzipbedingten Unsportlichkeit ihrer Fahrzeuggattung stehen.

© Achim Hartmann

Dank 800V-Technik macht der Genesis GV60 an der Ladesäule eine gute Figur. Nach 19 Minuten hat er 80% nachgeladen.

Neugierig geworden? Der Erwerb eines GV60 ist nur wenige Klicks entfernt. Händler? Einen gibt es, in München, weitere sollen folgen. Vorführwagen werden Interessenten derzeit nach Hause gebracht. Werkstätten? Existieren in diversen Ballungszentren. Mitarbeiter würden Ihren Genesis abholen und Ihnen für die Zeit der Wartungsarbeiten einen Ersatzwagen überlassen.

Dieser Service kostet übrigens fünf Jahre oder 75.000 Kilometer lang nichts. Mindestens diesem Beispiel sollte die Konkurrenz folgen.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • Familiäre Platzverhältnisse
  • Ausreichender Gepäckraum
  • Bequemer Einstieg Hohe Materialqualität
  • Nicht alleine auf Touchscreen basierende Bedienung
  • Gut nutzbare Variabilität
  • Hilfreiche Kameras, aber ...
  • ... schlechte Übersichtlichkeit
  • Hohes Fahrzeuggewicht
  • Optionen an Pakete gebunden

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • Niedriges Geräuschniveau
  • Guter Federungskomfort auf langen Bodenwellen
  • Polteriges Ansprechen der 21-Zoll-Räder

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • Enorm kräftiger Antritt
  • Gut dosierbare Leistung
  • Diverse gut nutzbare Rekuperationsstufen
  • Ladefähigkeit bis 220 kW

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • Einfache Fahrbarkeit
  • Stabile Traktion
  • Zugängliches Handling
  • In sich ruhende, aber ...
  • ... gefühlsarme Lenkung
  • Gewicht stark zu spüren

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • Gute Verzögerungswerte
  • Zahlreiche Assistenzsysteme ...
  • ... teils nur im Paket

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • Niedriger Verbrauch
  • Hohe Reichweite
  • Materialien teils recycelt

Vor- und Nachteile

Kosten
  • Fünf Jahre Garantie und
  • keine Wartungskosten
  • Hol- und Bringservice
  • Vergünstigtes Laden an Ionity-Säulen sowie Pannendienst
  • Sehr hoher Kaufpreis

Fazit

Ein E-SUV, der nicht sportlich sein will, sondern Komfort bietet. Beim Federn. Bei der Ausstattung. Bei der Funktionalität. Bei der Reichweite. Bei der Ladegeschwindigkeit. Aber auch sehr teuer ist.

Tabelle (techn. Daten)

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