Ford Focus ST 2.0 TDCi gegen VW Golf GTD

Ford Focus ST 2.0 TDCi gegen VW Golf GTD
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Duell der kompakten Sportdiesel

Ford Focus ST 2.0 TDCi, VW Golf GTD, Frontansicht © Rossen Gargolov 26 Bilder

Das Team RS hat sich mal wieder was getraut und mit dem Ford Focus ST 2.0 TDCI einen Diesel wild gemacht. Auf der Strecke zahlt sich der Mut aus, dann jedoch schlägt VW mit der Kompetenzkeule GTD zurück.

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Am besten stellt man sich die beiden als Schulbuben vor. Der Golf ist der Primus, der Klassenbeste. Schon immer. Immer wieder. Er gibt auf alles die richtige Antwort, kann alles und sieht zu allem Überfluss nicht mal hässlich aus. Sein einziges Problem: Selbst diejenigen, die sich mit ihm umgeben, müssen konstatieren, dass er durch diesen bedingungslosen Perfektionismus ein bisschen dröge ist. Gerade dann, wenn er – wie zum Beispiel als GTD – auch mal etwas aus sich herausgehen könnte.

Für jene Gelangweilten hat Ford 1998 den Focus erdacht. Der war um einiges forscher in Auftritt und Benehmen, konnte mal dies ganz gut, mal etwas anderes, aber auch immer irgendetwas nicht. Außerdem war er nie da, wenn er hätte da sein sollen: Die erste Generation geriet mit ihrem New-Edge-Look ihrer Zeit voraus, die zweite hinkte ihr in allen Belangen hinterher, während die aktuelle derart übers Ziel hinausschoss, dass man sie mit der Modellpflege nun erst wieder einfangen musste – vor allem im Innenraum, wo das Raumschiff-Cockpit nun einer erdenbürgerlichen Lösung gewichen ist.

Ford Focus ST 2.0 TDCI mit einem PS mehr als der Golf GTD

Und auch die Sportmodellpolitik ist ab sofort sozialer ausgerichtet. Der 250-PS-Turbobenziner des bisherigen Focus ST bleibt zwar im Amt, bekommt aber einen Zweiliter-Diesel zur Seite gestellt, der 185 PS entwickelt – genau ein PS mehr als der Golf GTD. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

So oder so, aus der Reserve locken lässt sich der VW nicht. Zumindest merkt man ihm nichts an, wenn er so dasteht in seiner stilbildenden Geradlinigkeit und sachte vor sich hin selbstzündet. Seine Markteinführung liegt bereits drei Jahre zurück, dennoch gerät er nie in Verdacht, gegen den Focus in irgendeiner Form alt auszusehen. Schon weil man sich fragt, was man an ihm überhaupt verbessern wollte: Die Tweed-Stoffsitze passen universell; alles, wirklich alles ist genau dort, wo es hingehört und erschließt sich selbst Vorschülern ad hoc. Platzangebot und Raumgefühl wirken nicht annähernd so kompakt wie die Klasse, in der man sich befindet; die verschiedenen Fahrmodi grenzen sich glasklar voneinander ab – und beim Aussteigen, wenn man den Schlüsselbart aus dem Schloss zieht (ja, so was gibt's noch), erinnert einen das Infotainment mit einer Textnachricht sogar noch ganz höflich daran, dass man "bitte nicht das Mobiltelefon vergessen" solle.

Doch dieses Gefühl des Umsorgtseins ist Segen und Fluch zugleich. Der Golf bemuttert dich, verpasst jedoch den Zeitpunkt, auch mal loszulassen. Konkret: Selbst wenn man ihm durch Drücken der ESP-Taste ausdrücklich zu verstehen gibt, dass man es jetzt schon ganz prima alleine kann, hält er einem noch die Hand. Ist lieb gemeint, aber – sorry, Mama – es nervt. Aus zwei Gründen: Zum einen gehört das Fahrverhalten des VW Golf GTD schon unabhängig von der Elektronik zu den katholischsten, und zum anderen kannst du deinen Sprössling nicht in den Sportclub stecken, um ihm nachher zu sagen, dass er nicht rennen darf. Will sagen: Der Golf GTD ist ein Sportmodell, ein diskretes vielleicht, aber eines, das gern sportlicher wäre, als es ist.

VW Golf GTD bietet die besseren Fahrleistungen

Wirklich entwischen kann man den Erziehungsberechtigten jedenfalls nur geradeaus. 380 Newtonmeter entwickelt der Zweiliter ab 1.750/min, die ihn stramm an den Vorderrädern packen und in 7,6 Sekunden auf 100 zerren. Trotz 20 Newtonmetern mehr kommt der Focus da nicht mit – korrigiere: überhaupt nicht mit. Sechs Zehntel verliert er bis 100 km/h, 22 weitere bis 180, wobei sich angesichts seiner nominellen Überlegenheit natürlich die Frage nach den Gründen stellt.

Die Antwort: Entscheidend ist wie so oft nicht die Fülle der Kraft, sondern die Art, wie sie sich entfaltet. Im Golf strömt sie aus der Kurbelwelle – gleichmäßig, breitschultrig und lang anhaltend. Der Ford Focus ST 2.0 TDCI hingegen bündelt sie in der Drehzahlmitte, pumpt zwischen zwo und drei entsprechend deftig voran, baut vor allem darüber jedoch gehörig ab. Bestimmt erinnern Sie sich noch an die Pumpe-Düse-TDI von einst, die, die einem erst den Drehmomentknüppel in die Nieren droschen und dann japsend am Drehzahlband baumelten. Ungefähr so.

Irgendwie passt dieses Ungestüme aber ganz prima zum Rest. Denn Ford hat keinen Diesel-Focus zum ST gemacht, sondern den Focus ST zum Diesel. Will heißen: Im Gegensatz zum Golf GTD, der sich optisch, in seiner Abstimmung und durch das Fehlen der Performance-Optionen klar vom GTI abgrenzt, bekommt der Focus ST 2.0 TDCI das volle Sportprogramm: hexagonales Mittenendrohr, beklemmende Recaros, spezielle Querstabis, straffere Motoraufhängung, die energische E-Sperre zwischen den Vorderrädern und als Grundlage eine erbarmungslose Fahrwerksabstimmung ganz ohne Entspannungsfunktion. In Summe: der ungenierteste Diesel, den das Kompaktsegment jemals gesehen hat.

Der Focus ST 2.0 TDCI unterhält mit seinem ungestümen Wesen

Und dementsprechend geht man miteinander um: So einen GTD führst du Gassi. An der Ideallinie einklinken, dann immer brav an ihr entlang. Hochexakt, gewiss nicht langsam, aber sehr vorhersehbar. Anders der Focus: Er versucht sich schon beim Anfahren loszureißen, lässt sich vom Drehmoment in die Lenkung fuchteln, röhrt brunftig aus dem Soundsymposer und lenkt mit seiner abartig kurz übersetzten Lenkung derart ein, dass der Scheitelpunkt schon mal ins Bankett verrutscht. Und dann ist da natürlich noch sein Hang zum losen Heck, der schon im Sport-Modus des (abschaltbaren) ESP durchdrückt und mittlerweile zum Markenzeichen aller ST geworden ist. Lastwechsel. Schlenzer. Grandios.

Für eine saubere Runde auf der Rennstrecke muss man sich jedenfalls ganz schön zusammenreißen. Zu viel Heckmeck kostet Schwung. Und der ist kostbar, wenn der Motor ausgerechnet in den oberen Drehzahlbereichen kaum noch welchen holt. Weniger ist beim Ford Focus 2.0 TDCI also mehr. Und trotzdem noch genug, um dem Golf zu zeigen, dass Frechheit siegt – leider jedoch nur in Hockenheim, und leider denkbar knapp. Leider? Ja, leider!

Denn so verdient der Triumph nach Punkten für den Golf auch sein mag, so bürokratisch fährt er ihn heraus. Nicht falsch verstehen: Der GTD ist ein prima Auto, mit seinem biederen Fahrverhalten aber genau so herzerwärmend wie Wolfsburg an einem nebligen Novembertag. Die elektronische Vorderachssperre tariert Schub und Traktion präzise aus, die Bremse tut, was sie soll, während einen das ESP immer wieder aus dem Grenzbereich schubst – ganz zärtlich zwar, aber immer gerade dort, wo noch das eine oder andere Zehntel liegt. Fetzig ist anders, doch VW weiß eben ganz genau, wie weit man gehen muss, um Klassenbester zu sein. Wieder mal.

Fazit

Um noch mal auf die Schulbuben zurückzukommen: Auch der Autor gehörte – lieb ausgedrückt – nicht zu den Alleskönnern, sondern vertritt wie der Focus eher die Ansicht, dass primär die Gaudi stimmen muss. Ob so etwas aus einem werden kann, dürfen Sie selbst ermessen. Fest steht: Auszeichnungen bekommt man mit dieser Einstellung eher selten. So ist es hier wie im echten Leben: Der Golf strebt vornweg, sammelt Bestnoten für Motor, Fahrwerk und Betragen, während der Focus Fahrdynamik lieber als Party feiert. Bei aller Lässigkeit, eine Sache sollte ihn dennoch wurmen. Nämlich dass er diesen Vergleich ausgerechnet dort verliert, wo er nominell im Vorteil ist: auf der Bremse und motorisch.

 

Tabelle (techn. Daten)

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