Ford Focus RS: Supertest auf Nordschleife und in Hockenheim

Ford Focus RS im Supertest
Wilder Kompaktsportwagen auf der Nordschleife

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In meiner Brust schlagen quasi zwei Herzen – das eine begeistert sich für schnelle Rundenzeiten, das andere wird durch Fahrspaß euphorisiert. Dass die Themen „emotionaler Fahrspaß“ und „perfektionistische Rundenzeiten-Performance“ heute nicht mehr zwangsläufig zusammengehören, hat Porsche unlängst mit dem 911 R gezeigt.

Ein bisschen Rallye-Flair mit dem Ford Focus RS

Der Extrem-Elfer wurde nicht mit einer Rundenzeit auf der Nordschleife beworben. Warum auch, bei ihm liegt der Fokus auf grandiosen Pass- und Landstraßenausflügen, nicht aber den letzten Zehntelsekunden am Ring. Dafür gibt es andere Elfer im Porsche-Portfolio. Und welches Herz schlägt beim neuen Ford Focus RS höher?

Was wurde dieses Fahrzeug schon gefeiert. Direkt nach der Präsentation entstand ein Hype um den RS, von dem die Kompaktmodelle à la VW Golf R, Audi RS 3 oder auch Mercedes-AMG A 45 nur träumen können. Und auch bei uns in der Redaktion wurden dem neuen Power-Focus vom Kollegen Helmreich nach einem Ausflug über die Rallycross-Strecke in Hockenheim vor glühender Entzückung sogar Herzchen auf die verschlammte Tür gemalt.

Die Erwartungshaltung war bei mir dann auch entsprechend hoch. Schon bei der Optik wird es einem ja irgendwie warm ums Herz, auch wenn das RS-Vorgängermodell optisch noch authentischer daherkam. Doch auch der Neuling erinnert mit seinen bulligen Schürzen, den ausgestellten Kotflügeln sowie dem Dachkantenspoiler irgendwie an heute legendäre Rallye-Zeiten, als WRC-Helden wie Colin McRae und Marcus Grönholm den Focus RS WRC zum Sieg prügelten.

Ein bisschen wurde das Flair dieser erfolgreichen Rallye-Historie auch in den Innenraum des neuen Ford Focus RS übertragen. Die drei analogen Zusatzinstrumente auf dem Armaturenbrett für Ladedruck, Öltemperatur und Öldruck sind ein Relikt aus vergangenen Rennsportzeiten, die jedem Autofan auch heute noch ein entzücktes Lächeln ins Gesicht treiben. Die Recaro-Schalensitze bieten sehr guten Seitenhalt, sind jedoch viel zu hoch montiert. Mit etwas Geschick sollten die Sitzkonsolen so modifiziert werden können, dass die Sitzposition nicht mehr Ford-Transit-Gefühle aufkommen lässt.

Querdynamik-Ausflug im Ford Focus RS

Und dann fährst du die erste Runde auf der Nordschleife und weißt nicht genau, was du von diesem RS halten sollst. Herzchen auf der Tür wegwischen oder neue dazumalen? Wohl gemerkt, mein erster Querdynamik-Ausflug im Ford Focus RS führte nicht auf eine flache GP-Strecke, sondern gleich auf die Nordschleife. Insgesamt gilt: Was in Hockenheim für Begeisterung sorgt, muss auf der Nordschleife noch lange nicht funktionieren. Ganz ehrlich, die RS-Euphorie der Redaktionskollegen kann ich nach der ersten Runde in der Grünen Hölle nicht sofort teilen.

Schon nach den ersten Metern merkt man, dass der RS in seiner Entwicklungsphase nicht viele Runden auf der Nordschleife verbracht hat. Und Ford gibt auch offen zu, dass der Entwicklungsschwerpunkt nicht auf der Nordschleifen-Rundenzeit gelegen hat. Eine offiziell gefahrene Zeit für die Runde auf dem Ring gibt es dementsprechend von Werksseite auch nicht, lediglich eine Nordschleifen-Simulation wurde in der Entwicklung durchgespielt: Rundenzeitprognose 8.02 Minuten.

Im Vergleich zum Focus ST trägt der RS ein modifiziertes Sportfahrwerk, das insgesamt straffere Federraten, verstärkte Anlenkpunkte und Lager sowie größere Stabis hat. Von den vier zur Wahl stehenden Fahrprogrammen („Normal“, „Sport“, „Track“, „Drift“) empfiehlt sich der Rennstreckenmodus für die Nordschleife. Die Fahrprogramme beeinflussen die Kraftverteilung des Allradantriebs, die Adaptivdämpfer, das Set-up der elektromechanischen Servolenkung und das Ansprechverhalten des 2,3-Liter-Vierzylinderturbos sowie dessen kernigen Klang.

326 statt 350 PS auf unserem Prüfstand

Keine Frage, das neue Aggregat geht besser als das 305 PS starke Vorgängertriebwerk. Aus emotionaler Sicht ist der Umstieg vom 2,5-Liter-Fünfzylinder auf den Vierzylinder natürlich ein Verlust. Seine Nennleistung von 350 PS kann das neue RS-Triebwerk bei uns mit gemessenen 326 PS auf dem Leistungsprüfstand nicht ganz bestätigen.

Im mittleren Drehzahlbereich überzeugt der sogenannte Ecoboost-Motor mit seinem Punch, während er in den höheren Drehzahlbereichen dann nicht mehr ganz so frisch wirkt. Es macht also keinen Sinn, den Vierzylinder immer bis zur Höchstdrehzahl von 6.800 Touren hochzujubeln. Bei rund 5.900/ min leuchtet im Drehzahlmesser das RS-Logo gelb auf und mahnt zum Hochschalten.

Motorseitig fällt auf, dass sich der 2,3-Liter bei höheren Außentemperaturen thermisch belastet zeigt. Die Rundenzeiten konnten jedoch bei guten bis idealen Außentemperaturen realisiert werden. Auf den zahlreichen Bodenwellen und Kuppen der Nordschleife stellt sich dabei besonders eine Frage: Adaptivdämpfer in der harten Sportabstimmung oder der etwas weicheren Normalabstimmung fahren? Und genau hier gibt es beim Focus RS zumindest auf der Nordschleife keine passende Antwort. Während die straffe Dämpferabstimmung etwas zu hart für die Nordschleife ausfällt, ist die normale Dämpferabstimmung etwas zu weich und lässt zu viele Karosseriebewegungen zu.

Am Ende fällt die Wahl im Supertest auf die härtere Abstimmung. Speziell auf den Bodenwellen nach dem Hatzenbachbogen springt der Ford Focus damit deutlich mehr als beispielsweise der bisherige Nordschleifen-Leader bei den Kompaktfahrzeugen namens VW Golf GTI Clubsport S.

Ford Focus RS, Motor
Hans-Dieter Seufert

RS-Heck dreht sich nach außen

Die Adaptivdämpfer des Clubsport S verfügen sogar über eine Stufe, die extra für den Besuch auf der Nordschleife appliziert wurde. So etwas hätte den Focus RS im Supertest noch souveräner im Grenzbereich des Rings machen können.

Insgesamt bewegt sich der Ford nicht ganz so neutral wie der GTI Clubsport S über die Nordschleife. Die RS-Dämpfung scheint zwar subjektiv härter zu sein als bei dem heißen Golf, insgesamt fällt der Ford auf der Nordschleife jedoch durch viel mehr Karosseriebewegungen auf. Beim Anbremsen und bei Lastwechseln wird das RS-Heck leicht und dreht sich etwas nach außen. Dabei sind ständige Korrekturen am Lenkrad gefragt.

Dieser Fahrstil ist zwar nicht ganz unspaßig im Grenzbereich, man sollte aber wissen, was man macht. Im Vergleich waren die VW-Clubsport-Modelle im Grenzbereich etwas gutmütiger fahrbar. Die Frage ist hier: Will man einen digital der Ideallinie folgenden Kompaktsportwagen oder einen, der einem mit seinem agilen Fahrverhalten emotional vorgaukelt, gerade auf einer Wertungsprüfung zur Rallye-Weltmeisterschaft unterwegs zu sein? Oder kurz: Schnelle Rundenzeit oder Fahrspaß?

Allradsystem das Highlight im Focus RS

Sobald der RS sein Heck raushängen lässt, schlägt die große Stunde des neu entwickelten Allradsystems – und das ist quasi das Highlight am neuen Ford Focus RS. Das sogenannte „Ford-Performance-Allradsystem“ basiert auf zwei elektronisch gesteuerten Differenzialen an der Hinterachse. Im Vergleich zu den in anderen Kompaktsportlern à la Audi RS 3, VW Golf R oder auch Mercedes-AMG A 45 verbauten Allradsystemen handelt es sich beim Focus nicht um ein Haldex-System.

Anders als das Haldex-System, bei dem eine Hydraulikpumpe eine Lamellenkupplung bei Bedarf in den Kraftschluss schaltet, betätigt der Focus RS seine beiden Kupplungen elektronisch. Das Haldex-System braucht im Vergleich deutlich länger, um die Kraft nach hinten zu verteilen. Marktschreierisch verkündet die Pressemitteilung, dass je nach Fahrsituation „… bis zu 70 Prozent der Antriebsleistung an die Hinterachse fließen“. Der Wert „70 Prozent“ soll vor allem der Stammtisch-Playstation-Klientel suggerieren, wie extrem hecklastig die Allradverteilung ausgelegt worden sei. Doch auch ein Haldex-System kann theoretisch seine Kraft größtenteils nach hinten verteilen.

70, 80, 90 oder 100 Prozent – das Besondere des Allradantriebs des Focus ist nicht, wie weit er in unrealistischen Fahrsituationen (Vorderachse steht beim Beschleunigen auf blankem Eis, Hinterachse auf Asphalt) seine Kraft nach hinten verteilen kann. Mit 100 Hz, also 100-mal pro Sekunde, berechnet die RS-Elektronik die unterschiedlichsten Sensorsignale (unter anderem Drehzahl, Lenkwinkel, Gierrate, Querbeschleunigung), um anschließend die Kraft nicht nur zwischen Vorderund Hinterachse, sondern auch zwischen linkem und rechtem Hinterrad zu verteilen. Laut Ford soll bis zu 100 Prozent des hinten ankommenden Drehmoments an jedes einzelne Hinterrad geleitet werden können – und dieses aktive Torque Vectoring macht den Focus-Allrad so einzigartig im Kompaktsegment.

Beispiel Nordschleife: Du pfeifst durchs Brünnchen, bremst die Ausgangsrechts an und lenkst ein. Unter Last schieben die meisten Kompaktsportler anschließend, egal ob mit Allrad oder Vorderradantrieb ohne mechanische Sperre, bei dieser Bergaufrechts leicht über die Vorderachse. Ganz anders der Ford Focus RS Im Supertest: Unter Last zieht er sich beim Herausbeschleunigen erst neutral und drückt mit zunehmendem Kurvenverlauf immer stärker mit dem Heck. Im RS musst du also nicht vom Gas gehen, um mögliches Untersteuern zu minimieren, sondern du gehst voll drauf – damit ist Fahrspaß vorprogrammiert.

Ford Focus RS, Seitenansicht
Rossen Gargolov

Fahrwerk eher für flache GP-Strecken

Auf der Nordschleife kann das Potenzial der Allradabstimmung aber nicht immer perfekt genutzt werden. In engen Bergabkurven – wie beispielsweise der Links im Streckenabschnitt Wehrseifen – verliert der Focus durch Einlenkuntersteuern wertvolle Zeit und man muss warten, bis man wieder aufs Gas gehen kann. Auch in hängenden Wechselkurven – beispielsweise in den Streckenabschnitten Hedwigshöhe und Wippermann – macht das bereits beschriebene nervöse Eigenlenkverhalten bei Lastwechseln oder beim Anbremsen den RS nicht unbedingt schneller.

Am besten funktioniert das RS-Konzept auf der Nordschleife in Bergaufkurven mit mittlerem Kurvenradius. Hier kann man die Traktion des Allradsystems sowie die Torque-Vectoring-Technik am besten nutzen. Auf jedem Meter Nordschleife merkt man dem Power-Focus jedoch an, dass sein Fahrwerk eher für flache GP-Strecken als für die Topografie der Eifelpiste entwickelt wurde. Dafür schlägt er sich jedoch erstaunlich gut im Vergleich mit der Allradkonkurrenz von VW, Audi, BMW und Mercedes-AMG. Mit einer Rundenzeit von 8.06 Minuten ist der RS nicht nur 20 Sekunden schneller als sein Vorgänger, sondern er landet nur knapp hinter dem bisherigen Nordschleifen-Spitzenreiter unter den Kompakt-Allradlern AMG A 45 (8.04 min).

Spaßige Driftorgien in Hockenheim

Und auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim? Hier fühlt sich der RS deutlich wohler. Das Einlenkuntersteuern ist so gut wie nicht mehr zu spüren. Unter Last zaubert der Focus dann schnell ein Lächeln ins Gesicht. Beim Herausbeschleunigen drückt das Heck, und der RS kann präzise mit Gaspedal sowie gezielten Lenkradkorrekturen in einem neutralen Fahrzustand gehalten werden. Die Rundenzeit von 1.14,2 Minuten interessiert in Hockenheim eigentlich nur bedingt.

Viel interessanter: Aus dem Fahrspaßlächeln kann auch ein schallendes Lachen werden. Drift-Modus aktivieren, vor jeder Kurve den RS leicht anstellen und dann das Gaspedal auf den Boden schmettern – so einfach ließ sich noch nie ein Kompakt-Allradler querfahren. Und wir reden hier nicht nur über kurze Quersteher, sondern über lang gezogene Drifts mit Leistungsübersteuern und schwarzen Streifen auf dem Asphalt. Auch wenn der RS in den Supertestdisziplinen nicht ganz nach vorne fährt, gebührt den Technikern Lob für den Mut, diese Allradtechnik in einem Kompakten zur Serienreife gebracht zu haben.

Technische Daten
Ford Focus RS RS
Grundpreis40.975 €
Außenmaße4390 x 1823 x 1470 mm
Kofferraumvolumen260 bis 1045 l
Hubraum / Motor2261 cm³ / 4-Zylinder
Leistung257 kW / 350 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit268 km/h
0-100 km/h5,5 s
Verbrauch7,7 l/100 km