Der VW Polo bringt neuen Schwung
Der Muff unter den Vier-Meter-Talaren ist zwar weggeblasen, doch die Kleinwagenklasse zeigt sich revolutionsmüde. Ganz ohne Schwung ist sie allerdings nicht, wie der Diesel-Vergleichstest mit dem neuen VW Polo zeigt.
Anstatt sich im Variabilitäts-Wahn zu verklemmen, sich in Design-Experimenten zu verirren oder mit überbordender Leistung in Sackgassen zu rasen, nähert sich die Kleinwagentruppe beharrlich dem Optimum. Sie sind windschlüpfiger als Hochdach-Kombis, fahrdynamischer als kleine SUV und praktischer als Coupés – pragmatisch Angehauchte kommen kaum an ihnen vorbei.
Der VW Polo hat an seinen Schwächen gearbeitet und Bewährtes erhalten
Besonders schwer fällt es bei Skoda Fabia , Ford Fiesta und Renault Clio , die ihre Allround-Qualitäten unter anderem im internationalen Master-Test von auto motor und sport bewiesen. Da musste sich sogar der (bisherige) VW Polo (zum Top-Test) hinten anstellen, um seinerseits den Opel Corsa zu schlagen. Das soll dem Neuen nun auch mit dem Rest der Vier-Meter-Bagage gelingen. Dazu hat der VW Polo an seinen Schwächen gearbeitet und Bewährtes erhalten. Besonders aufmüpfig war er ohnehin nie, nahm seine Verpflichtung als Volkswagen ernst, bewegte sich in kleinen Schritten ohne revolutionären Überschwang. Selbst Fans wussten manchmal nicht so genau, ob Volkswagen ein ganz neues Modell oder nur ein Facelift in den Schauraum geschoben hatte. Dabei hat es der VW Polo seit seinem Debüt 1975 weit gebracht. Als Audi 50-Ableger unterhalb des Käfer gestartet, betrieb er den Reduktions-Gedanken anfangs fast bis zur Karikatur: Türverkleidungen aus Pappe, spirreliges Lenkrad, weder Haltegriff, Türkontaktschalter noch Sonnenblende auf der Beifahrerseite. Hinzu kam die Kombination aus rund 700 Kilo Gewicht und einem 900 Kubikzentimeter großen Basis-Vierzylinder mit 40 PS.
Die fünfte Generation des VW Polo gibt sich qualitativ hochwertig
Dagegen erscheint Generation fünf saturiert, grinst verschmitzt mit ihrem de Silva-Gesicht. Die Zeit der Kulleraugen ist vorbei, die Scheinwerfergrafik erinnert an VW Golf und VW Scirocco, der Spoiler-Überbiss an den Audi A4. Auch innen orientiert sich der als Highline-Version mit 105-PS-TDI jetzt 19.210 Euro teure Polo nach oben. Griffsympathische Oberflächen, hochwertige Tasten und Regler mit präzisem Druckpunkt, Qualität bis in die Ecken – ganz gleich, ob unter den hochklappbaren Sitzflächen im Fond, dem herausnehmbaren doppelten Ladeboden oder am Drehschalter für das Fondlicht im Dachhimmel. Im Gegensatz zur bequemen Unterkunft vorn inklusive schluckfreudiger Türtaschen, Ablagen und einer vorbildlichen Bedienung lässt das Platzangebot ab der B-Säule etwas nach. Bein- und Kopffreiheit hinten sowie das Gepäckvolumen erfüllen Durchschnitt – nicht mehr.
Der VW Polo TDI hat 1,6 Liter Hubraum und 105 PS
Im Gegensatz zum Motor. Der neue 1,6-Liter-TDI schickt Pumpe-Düse in Rente, lässt Common-Rail mit Piezo-Elementen eine Brücke zwischen Punch und Laufkultur schlagen. Wenn man erst mal von der Stelle gekommen ist. Anfahrschwäche und die Berganfahrhilfe (serienmäßig) mit ihrer bremsenden Wirkung sind nervig. So verlangt der Polo zum sauberen Losfahren gefühlvolle Jonglage mit Gas und Kupplung. Sonst steht er, bevor es losgeht. Was schade wäre, denn bis auf ein außen hörbares Nageln im Teillastbereich kann der neue 105-PS-Selbstzünder sein Arbeitsprinzip weitgehend verbergen. Nichteingeweihte tippen schon mal auf einen schlecht aufgelegten Benziner.
Der Testverbrauch des VW Polo TDI lag bei 5,4 L/100km
Bis zum Blick auf Bordcomputer und Tankanzeige (per gut ablesbaren Digitalbalken). Vier-Komma-X lassen sich hinbekommen, im Testschnitt sind es günstige 5,4 Liter. Allerdings erkauft durch eine lange Übersetzung in den oberen Gängen, die dem TDI beim Rennen gewissermaßen eine Plastiktüte über den Kopf zieht. Aber eine mit großen Löchern, denn angemessen schwungvoll loslegen kann er immer noch. Nur die Hochschaltanzeige wirkt manchmal optimistisch. Wer sich sklavisch dran hält, geht bisweilen an Steigungen bei 1.000/min baden. Ansonsten schwimmt der Polo ganz nach vorn. Er lenkt proportional mit stets passender Servounterstützung, federt – bis auf die hölzern abrollenden 16-Zoll-Optionsräder – ausgewogen, bleibt bei jedem Tempo ruhig und kalkulierbar, bekommt den letzten Rest störenden Untersteuerns vom fein eingreifenden ESP ausgetrieben. Sicher, leise, schnell – ein Auto für alle, die kein Vier-Meter-Auto fahren müssen, sondern wollen.
Der Ford Fiesta 1.6 TDCi punktet mit seiner Federung und der ansprechenden Lenkung
Diesem fast schon distinguierten Auftritt setzt der Ford Fiesta, als 1.6 TDCi Titanium 17.250 Euro teuer, ausgeprägte Poppigkeit entgegen – von der Farbauswahl über die coupéhafte Form bis hin zum extrovertierten Cockpitdesign. Spiegelnde Instrumente, das gewöhnungsbedürftige Bedienmenü sowie die mäßige Übersicht kosten Sympathien, die die sportliche Sitzposition und die geschmeidige Federung umgehend zurückgewinnen. Sie absorbiert große wie kleine Unebenheiten ohne Nachschwingen, ganz gleich ob leer oder voll beladen. Frei von Poltergeräuschen flitzt der nur 1.155 Kilogramm schwere Ford über Pisten jeder Couleur. Seine spontan ansprechende Lenkung und die agile Fahrwerksauslegung animieren zu zackigen Manövern ohne Reue. Neutrales Eigenlenkverhalten und ein aufmerksames ESP sorgen gemeinsam mit den wie bei der Konkurrenz standfesten Bremsen für Sicherheit.
Der Innenraum des Ford Fiesta 1.6 TDCi macht keinen guten Eindruck
Etwas mehr Sorgfalt hätten die Ford-Leute allerdings in die Verarbeitung investieren können. Abgesehen von der abgerissenen Schraube am Vorderachs-Querlenker liegt auch im Innenraum einiges im Argen. Lehnenrückseiten aus Blech, ein schludrig befestigter Dachhimmel, Türgriffe und Handschuhfachdeckel in Preiswert-Haptik sowie ein Lederbezug des Lenkrads mit Hartkunststoff-Appeal dämpfen die Freude am dynamischen Fiesta (zum Einzeltest). Der 1,6-Liter-TDCi bemüht sich erfolgreich um Versöhnung. Gleichmäßige Leistungsentfaltung und der von der kurzen Übersetzung des exakten Fünfganggetriebes begünstigte Durchzug gefallen ebenso wie der niedrige Durchschnittsverbrauch von 5,8 L/100 km.
Der Opel Corsa 1.3 CDTi ist für seine 90 PS etwas zu durstig
Der Opel Corsa - als 1.3 CDTi Innovation 19.100 Euro teuer – zeigt sich mit 6,1 L/100 km durstiger, aber nicht kräftiger. Das im Vergleich niedrigste Drehmoment von 200 Newtonmetern ist deutlich spürbar. Zögernd steigt der 90-PS-Diesel aus dem Turboloch, dreht verhalten durchs Drehzahlband, lässt sich nicht einmal vom passend übersetzten, knackig schaltbaren Sechsganggetriebe aufmuntern. Der Pilot thront zudem recht hoch auf seinem stramm gepolsterten Sitz, blickt auf eine solide verarbeitete Cockpitlandschaft, die auch einem kritischen Blick hinter die Kulissen standhält. Gegen Aufpreis schmeichelt ihm eine Lenkradheizung, während er sich durch das partiell etwas unübersichtliche Bedienmenü arbeitet und mit der mäßigen Übersicht hadert.
Das Handling des Opel Corsa 1.6 CDTi ist eher unausgewogen
Passagiere und Gepäck finden ausreichend Platz vor. Je mehr von ihnen an Bord sind, umso besser: Die unbeladen straffe, auf groben Wellen hüpfend arbeitende Federung gewinnt auf dem Weg zu den maximal 440 Kilogramm Zuladung an Geschmeidigkeit. Was aber nichts am unausgewogenen Handling des Opel Corsa-Testwagens (zum Einzeltest) ändert, der leicht verzögert auf Befehle der unexakten Servolenkung reagiert. Um daraufhin mit dem Heck zu drängen, was sich anfühlt, als ob Vorder- und Hinterbau mit einem Scharnier verbunden wären. Ein Effekt, der bereits bei moderatem Tempo auftritt, einen schwungvoll-runden Kurs verhindert und häufige ESP-Eingriffe provoziert.
Der Skoda Fabia 1.9 TDI präsentiert sich dynamisch, bleibt aber sparsam
Schwungvoll-runder Kurs? Da schiebt der Skoda Fabia 1.9 TDI Sport (19.520 Euro) seine Spoiler-Unterlippe weit vor, scharrt mit den 16-Zöllern. Deren Grip verdichtet sich mit der strammen Fahrwerksabstimmung und dem 105 PS starken TDI zu einem zündenden Dynamik-Gemisch. Hier darf er noch mal ran, der alte Pumpe-Düse-Genosse mit seinen 240 Newtonmetern Drehmoment. Und Einspritzdruck beinahe spürbar machen, auf kultivierten Lauf pfeifen und sein Hubraumplus gegenüber der Konkurrenz ausnutzen, ohne dafür groß Extra-Diesel zu verlangen, wie der Verbrauch von 5,7 Litern trotz Fünfganggetriebe zeigt.
Die Federung des Skoda Fabia 1.9 TDI könnte besser sein
Auf Parcours und Straße verbeißt sich der Fabia in den Polo, zeigt dem Rest den Diffusor. Seine von Sportsitzen umfassten Insassen traktiert der flotte Fabia allerdings mit einer permanenten Diesel-Dröhnung, Windgeräuschen und einer stößigen Federung. Kurze Unebenheiten dringen ebenso durch wie lange Wellen, beladen wird es schon mal unruhig an Bord. Umso beruhigender wirkt der Innenraum. Er verbreitet den markenpolitisch gewollten Grauschleier, jene Mischung aus (bis auf gelegentliches Knistern) sauberer Verarbeitung und vorbildlicher Bedienung bei trister Oberflächen-Optik. Skoda -Kennern ist das egal. Sie genießen generöses Platzangebot, vom Hochdach begünstigtes Raumgefühl und guten Praxisnutzen durch weit öffnende Türen, sinnvolle Ablagen sowie den großen Heckklappenausschnitt samt Maxi-Ladevolumen.
Der Renault Clio 85 dCi bietet die größte Serienausstattung im Test
Der Renault Clio versucht sich auch nach seinem Facelift als Kompaktklasse-Ersatz. Nun mit glatterem Gesicht (laut Renault ein Wunsch der Kunden) und veränderter Ausstattungsstruktur. Als Luxe dCi für 19.000 Euro präsentiert er sich mit 1,5-Liter-Diesel und mehr Serienausstattung als die Kontrahenten – von der Klimaautomatik über Stereo mit USB-Anschluss, Kurvenlicht und Tempomat bis hin zum Navigationsgerät. Letzteres stammt von TomTom und ist fest installiert, aber nur per Fernbedienung zu steuern, was beim Fahren wesentlich mehr ablenkt als Telefonieren am Steuer.
Wenig Sportlichkeit beim Renault Clio, dafür aber eine ausgewogene Federung
Zur umfangreichen Ausstattung passt das zuvorkommende Wesen des Renault , der mit hochwertigen, griffsympathischen Materalien schmeichelt. Hinzu kommt die ausgewogene Federung als Kompromiss aus notwendiger Rückmeldung und langstreckentauglicher Absorption. Als Bestzeitenlieferant taugt er mit seinem etwas blutleeren, relativ durstigen 86-PS-Diesel allerdings nicht, zumal hoch montierte, seitenhaltarme Sitze, die trotz Besserung noch immer synthetische Lenkung sowie das neutrale, aber etwas träge Handling zusätzlich den Sportsgeist dämpfen. Hitzköpfe können sich dennoch auf das sauber abgestimmte ESP und fast schon bissig ansprechende, standfeste Bremsen verlassen.
Fazit:VW Polo TDI liegt vorn, Opel Corsa 1.3 CDTi bildet das Schlusslicht
Letztlich kann der Clio den Corsa abhängen, während sich Fabia und Fiesta vor ihm ein nahezu totes Rennen liefern. Ohne allerdings dem rundum gelungenen Polo gefährlich zu werden, der seine Kontrahenten ganz ohne revolutionäres Gehabe hinter sich lässt.
Fazit
Fast alle Wertungskapitel und damit auch den Vergleich deutlich gewonnen: Der neue Polo deklassiert die Konkurrenz. Er ist hochwertig, komfortabel und fahrsicher, sparsam, ausreichend praktisch – und nicht einmal besonders teuer. Nur beim Platzangebot hinten klemmt es.
Der Fiesta verbindet Fahrdynamik und -sicherheit mit hohem Federungskomfort. Das bringt ihm in Kombination mit dem zugkräftigen Motor Platz zwei, obwohl ihn mäßige Übersicht und Materialanmutung sowie das Platzangebot einbremsen.
Viel Platz, einfache Bedienung, hohe Funktionalität und Fahrsicherheit sowie gute Fahrleistungen bei niedrigem Verbrauch stehen rustikalem Antriebs- und Federungskomfort gegenüber.
Geschmeidig und kultiviert fährt der hochwertig anmutende, preiswerte Clio auf Platz vier. Sein etwas müder, durstiger Motor und das zwar sichere, aber träge Handling kosten eine bessere Platzierung.
Der fünfte Platz des Corsa dokumentiert das hohe Klassenlevel. Sein Diesel enttäuscht ebenso wie das unausgewogene Handling und der mäßige Federungskomfort. Solide Verarbeitung, ordentliches Platzangebot und günstige Kosten reißen es nicht mehr heraus.
Tabelle (techn. Daten)
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