220 Nm mehr Drehmoment als beim Vorgänger – der Ferrari 488 GTB liefert einen mächtigen Grund für ein kurzes Stoßgebet. Zwei Turbos machen so viel Druck, dass Bedenken angebracht sind: Lassen sich 760 Nm an der Hinterachse überhaupt zähmen?
Unser größter Wunsch an den 458-Nachfolger ging nicht in Erfüllung: dass er kleiner werde. Ein Schrumpfungsvorgang wie vom 599 GTB Fiorano zum F12, das wäre es gewesen. Hätte, wäre, wenn – leider nicht: Der Ferrari F488 GTB ist nur eine starke Überarbeitung; ein übliches Vorgehen von Ferrari bei jedem zweiten Achtzylinder-Modell seit dem 308 GTB. Und deshalb erhalten wir statt einer kleineren Karosserie eben einen stärkeren Motor. Turbo statt Sauger. 670 statt 570 PS. 760 statt 540 Nm. Madonna mia!
Ein Plus von 220 Nm – die meisten Kompakt-Benziner wären froh, wenn sie überhaupt so viel Drehmoment hätten. Und Ferrari will den Mehrwert effektiv einsetzen, verspricht einen 0-auf-100-km/h-Sprint in 3,0 Sekunden. Der 458 benötigte hierfür noch 3,4 Sekunden, was dem Fahrer allerdings wegen des enormen Getöses und des blitzartig hochdrehenden Saugers schneller vorkam. Das fettere Drehmoment soll den Zweisitzer nun noch vehementer aus dem Startblock katapultieren und die verbesserten Algorithmen der Launch Control samt Kupplungssteuerung den Schlupf feiner dosieren.
Ferrari 488 GTB arbeitet quasi ohne Turboloch
Also zeig, was du kannst, Ferrari F488 GTB. Flugplatz Lahr, Messgerade. Alle Fahrhilfen sind suspendiert, der linke Fuß beschwert das Bremspedal. Per Zug am rechten Lenkradpaddel flutscht der erste Gang rein. Dann schalten wir die Launch Control für den Raketenstart scharf. Der Mittelmotor- Zweisitzer wird seine eigene Abschussrampe und zählt den Countdown herunter. Piiiiiep! Fuß von der Bremse, voll aufs Gas – es spult den Ferrari F488 GTB im Fast Forward durch die Gänge. Bam, bam, bam, bam, bam, bam, sechsmal schalten, 300 stehen auf dem Tacho. Und das Ende der Messstrecke liegt noch in weiter Ferne.
Madonna mia zum Zweiten. Das muss erst einmal sacken. Zeit, die Beschleunigungszeiten auszulesen: in 3,1 auf 100, in 8,9 auf 200 und in 25,6 auf 300, schneller schaffte das bisher kein hinterradgetriebene Sportwagen bei auto motor und sport. Dabei waren die Messbedingungen auf dem novemberkalten Asphalt nicht optimal. Und die eigentliche Sensation kommt erst noch – das Ansprechverhalten des V8 im Ferrari F488 GTB.
Zwei Lader, einer pro Zylinderbank und beide mit Twin-Scroll-Technik sowie gleich langen Krümmern, pressen mit bis zu 1,3 bar Überdruck Ansaugluft in die acht Brennräume. Und zwar so zackig wie bei keinem anderen serienmäßigen Turbomotor, den wir im Test hatten. Doppelt kugelgelagerte Wellen und leichte Verdichterräder aus Titan-Aluminium entziehen dem Turboloch praktisch seine Existenzgrundlage. Und das trägt viel zur guten Fahrbarkeit des Ferrari F488 GTB bei.
Hervorragende Fahrdynamikregelung
Denn Mittelmotor-Sportwagen ist der Heißsporn-Charakter praktisch in die Wiege gelegt, der Grat ihres Grenzbereichs ist besonders schmal. Da kommt jede Hilfe beim Balancieren recht: beim Ferrari F488 GTB eine hervorragend abgestimmte Fahrdynamikregelung. Sie lässt sich über das Manettino, das Hebelchen am Lenkrad, in fünf Stufen steuern, wobei auf trockenem Asphalt Position „Race“ das größte Erfolgserlebnis beschert. Auf der Teststrecke in Lahr bleibt der Hecktriebler damit stoisch neutral. Dort lässt sich der Ferrari F488 GTB beim schnellen Ausweichen mit knapp 155,3 km/h durch die enge Gasse feuern. Ohne Angstschweiß, ohne Herzrasen. Einzige Bedingung: Die Michelin Sport Cup 2 müssen penibel warm gefahren sein. Für den Einsatz auf der Straße raten wir von Sportreifen ab – sie sind schwer auf Temperatur zu halten.
Auf dem teilweise nassen Grand-Prix-Kurs von Hockenheim zeigen sie ihre Janusköpfigkeit: Schon geringe Gaspedal-Modulation am feuchten Kurvenausgang animiert das Heck zum Ausglitschen – der Biturbo-V8 feuert die Nm bei jeder Drehzahl über 2.000/min aus der Hüfte. Turboloch? Nein, eher Drehmomentüberschuss mit Traktionsmangel. Glücklicherweise ist das Motodrom abgetrocknet. In der Vierter-Gang-Rechts saugt sich der Ferrari F488 GTB fest, in der engen Sachskurve kleben die Michelin. Magnetisch folgt das Coupé der Ideallinie, bleibt auf der Bremse charakterfest, lässt sich vom progressiven Herausbeschleunigen nicht beirren. Die enorme Richtungsstabilität lässt die 760 Nm weniger monumental erscheinen.
Ferrari 488 GTB mit mehr Federungskomfort
Die Rückmeldung ist vertrauensbildend, Aktion und Reaktion stimmen überein. Und der Ferrari F488 GTB lässt keinen Zweifel daran, dass er alle Beschlüsse des Fahrers mitträgt – ohne zu opponieren. So weit entspricht das Fahrverhalten dem des 458 Italia. Obwohl die Chassisbasis gleich blieb, wirken sich Veränderungen an der Peripherie massiv aus: Die Stoßdämpfer sprechen auf schlechten Straßen feinfühliger an, was den Federungskomfort noch einmal verbessert. Und die sogenannte Side Slip Angle Control (SSC) – wenn man so will, eine Art Drifthilfe – wurde seit dem Speciale überarbeitet – was den Grenzbereich entschärft. Nun war dieser bereits kein hinterlistiger Auskeiler. Doch falls bei ihm die Haftung an der Hinterachse abriss, dann kam das Heck bei deaktiviertem ESP zackig geflogen. Schon der Speciale entschärfte diese Situation mit der vorher erwähnten SSC. Und der Ferrari F488 GTB? Schließlich erhöht eine Drehmomentschwemme die Seitenführungskräfte der Reifen in Kurven nicht gerade.
Wir beginnen die Versuchsreihe auf Manettino-Stellung „CT off“, also bei lahmgelegter Traktionskontrolle und langer ESP-Leine. Einlenken, Gaaaaas – und das Heck kommt. Weich, fast schon geschmeidig. Nun muss sich der rechte Fuß allerdings zügeln: Mehr als den sanften Rennfahrer- Drift lässt das SSC nicht zu; darüber interveniert die Fahrdynamikkontrolle. Entlassen wir also auch sie; hierzu muss das Manettino etwa zwei Sekunden auf „ESC off“ gedrückt werden. Nun helfen nur noch Erfahrung und Reflexe. Anfahrt Senke, vierter Gang. Kurz mit der sensibel ansprechenden Bremse Last auf die Vorderachse transferieren, scharf einlenken – und das Heck wandert. Mit Drehmoment anfüttern. Davon gibt es ja überreichlich. Pirouetten-Gefahr?
Ferrari 488 GTB verbrennt viel Sprit mit viel Genuss
Erstaunlicherweise weniger als im Italia. Beim Driften hilft der phänomenale V8: Ohne Turboloch sind die Newtonmeter und damit der Schlupf akkurat dosierbar. Ohne Hektik gelingt das Anstellen, denn man braucht für Leistungseinsatz keine hohen Drehzahlen. Die Kurve lässt sich einen Gang höher als gewohnt sliden – und die Hinterreifen drehen mit einem Höllentempo durch, sodass der Fotograf wegen der Rauchentwicklung ins Schwärmen gerät. Nun gliche es wohl einer überzogenen Erwartungshaltung, wenn man dem 3,9-Liter auch noch Sparsamkeit abverlangte. Nur Vortriebs-Askese drückt den Verbrauch unter zwölf Liter auf 100 Kilometer – der Windschatten eines Lkw hilft dabei ungemein. Im Testdurchschnitt spült der Ferrari F488 GTB dagegen 16,3 l/100 km durch seine acht Brennräume.
Somit fügt sich der Ferrari F488 GTB lückenlos in die Reihe seiner Ahnen ein – alles Benzin-Gourmands. Immerhin nimmt Ferrari den Kunden mittlerweile den Schrecken der hohen Wartungskosten: Sie sind sieben Jahre lang im Kaufpreis enthalten. Bei diesem Bonus kann man dem Neuen die fünf Sterne kaum vorenthalten.
Vor- und Nachteile
Karosserie- sehr steife Karosserie
- gute Platzverhältnisse
- ausreichender Kofferraum
- nachlässige Spaltmaße
- schwer zu bedienendes Infotainment
Vor- und Nachteile
Fahrkomfort- außergewöhnlich guter Federungskomfort
- stützende und langstreckentaugliche Sportsitze
- effektiv modulierbare Motorlautstärke
- hohe Windgeräusche
Vor- und Nachteile
Antrieb- fixes Ansprechverhalten
- beeindruckendes Durchzugsvermögen
- enorme Drehfreude
- herausragende Fahrleistungen
- äußerst schnell schaltendes Doppelkupplungsgetriebe
- leichtes Teillastruckeln
Vor- und Nachteile
Fahreigenschaften- enorm hoher Grenzbereich
- extrem direkt übersetzte Lenkung
- herausragendes Handling
- neutrales Einlenkverhalten
- sehr gute Traktion
Vor- und Nachteile
Sicherheit- hervorragende Bremsleistung
- effektives, in fünf Stufen verstellbares ESP
- enorme Spurstabilität
- dürftige Airbag-Ausstattung
Vor- und Nachteile
Umwelt- sehr hoher Verbrauch
Vor- und Nachteile
Kosten- gute Serienausstattung
- kostenlose Wartung für sieben Jahre
- sehr teuer in der Anschaffung
Fazit
Bei diesem Turbo dürften selbst Saugmotor-Bekenner konvertieren. Statt eines Turbolochs merkt man nur das direkte Ansprechverhalten und ein Berserker-Drehmoment. Der Verbrauch ist allerdings sehr hoch.
Tabelle (techn. Daten)
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