Es ist clever, einen BMW vor allem dort zum Alpina zu verändern, wo es das Fahren beeinflusst – an Antrieb, Bremse und Radaufhängung. Und die Finger von den übrigen Segnungen der Großserie zu lassen. Einen Alpina kauft man, um sich etwas Besonderes zu gönnen, ohne die Nachteile einer Kleinserienkonstruktion in Kauf nehmen zu müssen.
So wärmt auch im neuen D3 S ein Grundvertrauen die Gedanken, weil die Limousine auf dem M340d xDrive – dem starken Allrad-Diesel der 3er-Reihe – basiert und sich an vielen Stellen wie ein normaler BMW benimmt. Kein Wunder, denn Alpina entwickelt zwar spezielle Komponenten und stimmt das Ganze neu ab, doch die Autos entstehen dann auf den Montagebändern des Konzerns. Schließlich übernimmt die Manufaktur den letzten Schliff, setzt Bauteile wie Spoiler an. Auf diese Art sollen 2021 etwa 2.000 Alpina entstehen.
Das Kleine, Feine macht den Unterschied. Phrase? Schon, aber man verweist zu Recht und mit Stolz auf die Entwicklungsabteilung am Firmensitz im bayerischen Buchloe. So wurde etwa die Kraftverteilung des D3 S per Software-Änderung neu definiert: Während längsdynamischer Aufgaben krallen sich alle vier angetriebenen Räder eifrig in den Teer und stellen damit eine stabile Traktion sicher. So weit, so typisch 4x4.
Querdynamisch dagegen scheinen ausschließlich die Hinterräder zuständig zu sein – zumindest fühlt es sich so an. Denn erstens kennt der Alpina kein Untersteuern, er giert vielmehr in den Scheitelpunkt hinein. Zweitens dominiert seine Hinterhand das Herausbeschleunigen, wobei er leicht mit dem Heck drückt. 4x4-Drehmomentverteilung ohne jegliche Halsstarrigkeit.
Mehr negativer Sturz

Typisch Alpina: Dem Neuen geht es ums aktive Fahren – das ist in Zeiten von Autonomie-Bestrebungen durchaus erwähnenswert. Er sieht sich als Werkzeug, das den Fortgeschrittenen nicht über- und den Profi nicht unterfordert. Den D3 S zieht es in die Kurve hinein, er verkleinert den Radius hilfreich. Das ist einerseits Folge des auf ein Grad erhöhten negativen Sturzes an der Vorderachse; andererseits favorisiert die Momentenverteilung die Hinterachse, bis zu 95 Prozent der Nm kommen hier an.
Wer grobmotorisch die 730 Nm aktiviert, muss zackigen Haftungsabriss einkalkulieren. Ratsamer ist es, das Gaspedal aus den Zehen heraus zu tätscheln, statt aus dem Fußgelenk zu bewuchten. Das unterstützt das motivierte Eindrehen des Hecks mit leichtem Nm-Überschuss bei niedrigen Drehzahlen, überführt es in klassisch sanftes Übersteuern.
Im Idealfall trifft man den Punkt, wenn die Haft- gerade so in Gleitreibung morpht, sich eine Art gehaltener Schwebezustand einstellt. Es wird einem leicht ums Herz und wohlig warm – das erhebende Gefühl, das der geschmeidige Fahrfluss erzeugt. Der erfordert weiches, verschliffenes Agieren, unterscheidet sich eklatant vom binären Gasgeben – Bremsen, wie man es vom Pushen auf einer Rennstrecke kennt. Mit leichten Sport-Geräten.
Eines kann der D3 S nämlich nicht verbergen: seine Masse von 1.869 Kilogramm. Man spürt sie in der Lenkung genauso wie im Chassis und sogar auf der brachial zupackenden Optionsbremse aus dem hauseigenen B5. Denn der Alpina teilt sich gerne mit. Nützliches wie Grip-Information stellt das Fahrwerk detailliert durch, teilt allerdings auch Nerviges recht unsanft mit. Da wird kaum beschönigt, was die Witterung mit der Asphaltoberfläche anstellt, und ganz im Sinne der aktuellen BMW-Philosophie zeigt sich schon der Comfort-Modus taff.

Glücklicherweise gibt es noch die Stufe Comfort plus, die sich für Langstrecken empfiehlt. Und für ramponierte Landsträßchen, denn die nachgiebiger arbeitenden Stoßdämpfer sorgen hier für bestmögliche Traktion. Der D3 S saugt sich dann tief in die Asphaltporen, wobei ihm auch der im Vergleich zum Serien-3er softer abgestimmte Hinterachs-Stabilisator hilft.
Fürs Komfort-Empfinden macht es übrigens einen spürbaren Unterschied, ob man die Reifen auf Vmax-Eignung bei voller Besetzung mit 3,4 bar vollpumpt. Oder ob man sich auf maximal zulässige 250 km/h beschränkt, dafür dem Gummi etwas mehr Flexibilität bei 2,8 bar gönnt – für besseres Ansprechverhalten. Schließlich fungieren die Reifen als Vorhut: Kautschuk und Luft sollen einen Teil der Störgrößen absorbieren, bevor die Eibach-Feder ranmuss.
Die lässt übrigens mehr Schwingungen zu als die wenig elastische BMW-Serienversion. Das Alpina-spezifische Hydraulik-Setting der adaptiven Stoßdämpfer gestattet dem Chassis ebenfalls mehr Bewegung und spreizt die anwählbaren Stellungen stärker. Vor allem in der Stufe Comfort plus nimmt das Fahrwerk auf schlechten Straßen Karosseriehüben die Beschleunigungsspitzen.
Trotzdem poltern Kanten-Profile wie etwa Kanaldeckel schroff in die Karkasse der steifen 20-Zöller und weiter in die Karosserie. Das irritiert vor allem beim Durchqueren der Stadt, denn wieder einmal zeigen sich die negativen Begleiterscheinungen riesiger Rad-Dimensionen mit niedrigem Reifenquerschnitt. Die ebenfalls erhältlichen 19-Zöller mit ihrer höheren Flanke dürften den D3 S jedenfalls besser anfedern lassen. Mit (leider nicht wählbaren) 18-Zoll-Rädern wäre der Gesamtkomfort wahrscheinlich sogar gut – so aber ist er nur akzeptabel.
Er grantelt bassiger

Mehr als nur akzeptabel: der Durchschnittsverbrauch von 7,8 l/100 km. So gibt es über den Dreiliter-Diesel nur Positives zu berichten. Als Folge der neuen Auspuffanlage grantelt er etwas bassiger als im M340d. Und er stiebt mit 150 Millibar mehr Ladedruck los, was das Turboloch eigentlich aufweiten sollte. Doch solange der Reihensechser Luft holt, springt der 48-Volt-Startergenerator hilfsbereit ein. Im Zusammenspiel ergibt sich eine äußerst druckvolle Kraftentfaltung: Der D3 S schiebt und schiebt und schiebt. Und bleibt stets gelassen, denn der um 30 Prozent größere Ladeluftkühler verhindert jede Form von Hitzköpfigkeit.
Noch etwas lässt die Beschleunigung unverschämt beiläufig erscheinen: die um 13 Prozent längere Hinterachs-Übersetzung, die für viel Tempozuwachs bei geringem Drehzahlanstieg sorgt. Weshalb es besonderes Vergnügen bereitet, auf der Fernstraße am rechten der beiden Schaltpaddel aus Aluminium zu schnippen, den höchsten Gang einzuklicken und mit Volllast aus der Tiefe durchzuziehen. Für alle übrigen Anwendungsfälle darf man guten Gewissens an die Software des Automaten delegieren, dessen Wandler den zusätzlichen 30 Nm und dem breiteren Drehmoment-Plateau angepasst wurde.
So stellt man sich den Antrieb eines kraftvollen Reisewagens vor. Und genau das könnte der D3 S sein, ein wunderbarer viertüriger GT, würde ihm die BMW-Basis nicht eine fragwürdige Taffheit aufzwingen. Denn der mittlerweile ausufernd große und schwere 3er wurde mit einem expliziten Fahrwerk tiefgründig verstrafft, was sich per se nicht mit prall gefüllten Niederquerschnittsreifen verträgt. Zwar haben die Alpina-Ingenieure die Folgen der Grundauslegung abgesoftet, doch die 20-Zöller zehren den mühsam gewonnenen Federungskomfort zum überwiegenden Teil wieder auf.
Bleibt der büffelige Reihensechszylinder, die ausgezeichnete Bremsanlage, eine hervorragende Ausstattung. Und das Wissen, nicht nur einen BMW, sondern einen Alpina zu fahren – ein exklusives Modell, das unter Autokennern wissende Hochachtung erfährt. Mag es noch so kurios klingen: Alleine das alles durchdringende Gefühl, etwas Besonderes zu fahren, rechtfertigt einen Teil des hohen Basispreises von 70.500 Euro.
Alpina D3 S | |
Grundpreis | 81.900 € |
Außenmaße | 4723 x 1827 x 1440 mm |
Kofferraumvolumen | 480 l |
Hubraum / Motor | 2993 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 261 kW / 355 PS bei 4000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 273 km/h |
0-100 km/h | 4,6 s |
Testverbrauch | 7,8 l/100 km |