BMW 223i Active Tourer im Test

BMW 223i Active Tourer im Test
:
Macht die zweite Generation alles besser?

BMW 223i Active Tourer © Hans-Dieter Seufert 17 Bilder

Beim Generationenwechsel des Großraum-2er bleibt die Langversion auf der Strecke. Nur der Active Tourer geht in die nächste Runde. Die Qualitäten des Crossover ergründen wir im ersten Test.

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Die Party geht ja allmählich zu Ende. Vorbei die Zeiten der Vielfalt in allen Klassen. Cabrios sterben mangels Nachfrage einen leisen Tod, auch Kombis sind mittlerweile in höchster Gefahr, und den Vans geht es ja schon lange schlecht.

So fährt der neue BMW 2er Active Tourer 10:15 Min.

Und so kommt es, dass der 2er Gran Tourer durch den Rost fiel. Zu wenige Käufer entschieden sich für die per Radstandsverlängerung realisierte Extended-Version des verbliebenen Kompakt-Vans, dessen Modellbezeichnung auch aus der Münchner Zweiradsparte stammen könnte. Active Tourer – klingt das nicht nach rollender Einbauküche im Stil der Honda Gold Wing? Nach einem sackschweren Kingsize-Motorrad also, mit dem rüstige Silberrücken vergnügt in den goldenen Herbst des Rentnerdaseins couchen?

Schon, oder? Aber der Active Tourer soll natürlich ein Auto für alle Altersklassen sein. Praktisch, nicht so als Umweltfeind angreifbar wie ein SUV und natürlich nach Art des Hauses dynamisch veranlagt und freudvoll zu fahren. Manche Ausstattungsdetails zeigen dann aber schon, dass die Internet- und Social-Media-affine junge Kundschaft Priorität hat, doch dazu kommen wir später.

Clever genutzter Raum

© Hans-Dieter Seufert

Hinter der niedrigen Ladekante liegt ein glattflächiger Kofferraum. Die Klappe öffnet und schließt elektromechanisch.

Als Van will BMW den Active Tourer, der dem X1 in der Größe bis auf wenige Zentimeter hin oder her ähnelt, nicht missverstanden wissen. Er soll eher ein Hochdach-Kompakter sein, den man in die große Crossover-Schublade einsortieren kann. Die Linien des knapp 4,40 Meter langen Autos wurden von einigen markant gemeinten Kanten befreit und wirken nun harmonisch gerundet. Nicht unauffällig integrierbar ist natürlich der XXL-Kühlergrill, doch erscheint er am Active Tourer nicht allzu monströs. Der Radstand wuchs gegenüber dem Vorgänger nicht, Breite und Länge ein wenig. Überbewerten sollte man das nicht. Vorn gibt es ein wenig mehr Innenbreite, in der zweiten Reihe verschwanden einige Zentimeter Beinraum. Das Gebotene reicht aber noch gut selbst für lang geratene Mitfahrer, die jedoch auf einer recht dünn gepolsterten Rückbank Platz nehmen müssen. Etwas flacher wurde der Innenraum, aber auch hier gilt: Eng geht es nicht zu.

Vom Kofferraum lässt sich das nicht ohne Weiteres sagen. Beim 218i beträgt das Minimalvolumen noch ordentliche 470 Liter. Der getestete 223i ist jedoch mildhybridisiert und trägt daher im Heck eine 48-Volt-Batterie. Die blockiert einen Großteil des Ablagefaches unterm Kofferraumboden, der deshalb auch nicht in zwei Höhenniveaus einlegbar ist. An nutzbarem Volumen bleiben so nur bescheidene 415 Liter übrig.

© Hans-Dieter Seufert

Durch die im Heck verbaute 48V Batterie schrumpft das Kofferraumvolumen auf 415 Liter. Die Rücksitzlehnen können im Verhältnis 40:20:40 umgeklappt werden.

Die gute Nachricht: Der Stauraum ist bestens nutzbar. Zum einen durch die glattflächige Form der Seitenwände, zum anderen durch die im Verhältnis 40 : 20 : 40 geteilte Rücksitzlehne, die sich in verschiedenen Neigungswinkeln bis hin zur Cargo-Stellung justieren lässt. In Letzterer stehen die Lehnen dann im rechten Winkel zum Ladeboden, sodass Kartons und Kisten sich bis ganz an die Rückenlehne schieben lassen.

Wer noch mehr Variabilität braucht, bucht für 300 Euro die in zwei Teilen um 13 Zentimeter verschiebbare Rücksitzanlage dazu, zur Maximal-Variabilität fehlt dann nur noch der – nicht lieferbare – umklappbare Beifahrersitz. Auch für die kleinen Dinge des Alltags ist gesorgt: Vorn wie hinten gibt es reichlich Ablageraum, wobei die große Ablage unter der Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen nur von jenen Zeitgenossen ohne Verrenkungen nutzbar ist, denen die Natur aus einer Laune heraus ein zusätzliches Scharnier zwischen Ellenbogen und Handgelenk geschenkt hat.

Keine Handschaltung mehr

Mit dem Modellwechsel verschwand auch das manuelle Schaltgetriebe; alle Motorisierungen sind mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ausgerüstet. Das wird mittels eines Miniatur-Hebels in der Mittelkonsole betätigt und erlaubt manuelle Eingriffe per Lenkradtasten.

Im 223i, dessen Zweiliter-Vierzylinder es auf 204 PS und 320 Newtonmeter bei turbotypisch niedriger Drehzahl bringt und im Verein mit dem Elektromotor 218 PS und 360 Newtonmeter liefert, macht dieses Getriebe einen guten, wenngleich nicht brillanten Job. Bei normaler Fahrweise wechselt es die Gänge so aufmerksam wie diskret und ermöglicht stramme Beschleunigung bis hinauf zur Spitze von 241 km/h. In den Fahrmodi Sport oder Sport+ klopft es die Gänge beim Ausdrehen mit Vollgas jedoch mit einem spürbaren Ruck hinein.

© Hans-Dieter Seufert

5,9 Liter reichen dem 223i Active Tourer bei leichtem Gasfuß. Der Testverbrauch liegt bei 8,3 l/100km, wer engagiert zur Sache geht liegt im zweistelligen Bereich.

Das mag – wie die zum Glück deaktivierbaren, sehr synthetischen "Iconic Sounds" – gewollt sein zur Verstärkung des Gefühls, so richtig dynamisch unterwegs zu sein. Vielleicht ist es aber auch nur eine nicht perfekte Adaption des Getriebes, das auch beim Anfahren nicht an das Niveau der Achtstufenautomatik des Vorgängers heranreicht. Denn beim neuen Modell genügt schon eine Prise zu viel Gas, damit die Vorderräder hilflos nach Traktion suchen und Unterstützung der Regelsysteme benötigen. Andere, ähnlich starke Fronttriebler machen das besser und verkneifen sich auch das Ziehen in der Lenkung, mit dem der Active Tourer kräftiges Beschleunigen auf gewellten, unebenen Straßen kommentiert.

Spitze Lenkung

© Hans-Dieter Seufert

Beim Hütchentanz wankt der Active Tourer, das ESP hält ihn notfalls sicher auf Kurs.

Die lässt der Active Tourer immerhin nicht zu nah an sich heran; auch mit dem Sportfahrwerk (500 Euro einzeln oder im 3600 Euro teuren Sportpaket) bietet er bei straffer Grundorientierung guten Komfort. Die automatisierte Arbeitsweise der Dämpfer überzeugt durchaus, eine individuelle Mischung der Fahrwerksparameter wie beim Vorgänger ist ohnehin nicht mehr möglich.

Bei schnellen Richtungswechseln wankt der Active Tourer deutlich, die Fahrsicherheit ist aber nie gefährdet. Nicht ganz zu dieser Auslegung passt die direkte, etwas gefühlsarme Auslegung der ans Sportfahrwerk gekoppelten Lenkung. Sie behauptet beim zackigen Einlenken eine Sportlichkeit, die das Auto in letzter Konsequenz dann nicht einlöst.

Größere Entwicklungssprünge gibt es auf dem Feld der Bedienung zu melden: Der Dreh-Drück-Steller des bekannten iDrive ist nun auch im Active Tourer Geschichte, an seine Stelle treten eine Vielzahl von Kacheln auf dem brillanten Touchscreen des aus zwei Monitoren bestehenden Curved Display und eine ziemlich gute Sprachbedienung.

© Hans-Dieter Seufert

Diskussionswürdiger Fortschritt: kein iDrive-Rad mehr, dafür hält BMW an richtigen Tasten mit gutem Feedback im Lenkrad fest. Das einfache Plastik-Head-up-Display wiederum passt nicht sonderlich gut zum Premium-Anspruch.

Klimatisierung, das Öffnen der Fenster, Massagefunktion der gelungenen Sportsitze? Das läuft flüssig per Sprache, für manches gibt es auch noch manuelle Shortcuts. Klasse ist neben dem Festhalten an richtigen Tasten im Multifunktionslenkrad auch die Komfortassistenz. Sie bietet gegen Aufpreis vielfältige Kamera- und Selbstfahr-Unterstützung beim Parken oder in der Waschstraße und automatisches Rückwärtsfahren.

Eher in die Abteilung Spielerei fallen dagegen Features wie die Möglichkeit, mit den Fahrzeugkameras 360-Grad-Dashcam-Aufnahmen anzufertigen (die bei einem Crash hilfreich sein können) oder das Geschehen im Innenraum zu filmen und ins Netz zu stellen (was vor Gericht vielleicht nicht hilfreich wäre).

Natürlich kann der Active Tourer gegen Zuzahlung auch selbsttätig fahren. Doch der Fahrer fühlt sich spätestens dann wie ein Fahrlehrer stets in der Aufmerksamkeitspflicht, wenn es in Kurven bedrohlich nah Richtung Außenrand geht, Verkehrszeichen nicht zuverlässig erkannt werden oder das System in Standardsituationen mit einem leisen Gong aussteigt, um wenig später auf engen Landstraßen mit nicht einsehbaren Kurven ein Tempo zu wählen, dass einem angst und bange wird.

Angesichts dieser Schwächen kann man sich die 1900 Euro für den Driving Assistant Professional sparen und lieber die Freude am Fahren genießen. Die entfaltet sich ja nicht nur bei BMW traditionell beim aktiven Fahren, nicht beim Gefahrenwerden.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • Gutes Raumangebot
  • Solide Verarbeitung und angenehme Materialien
  • Sehr variable, gegen Aufpreis verschiebbare Rücksitzbank
  • Ausreichende Zuladung
  • Viele Ablagen
  • Sehr gute Sprachbedienung
  • …aber verkomplizierte Bedienung durch Entfall des iDrive-Dreh-Drück-Stellers
  • Kleiner Standard-Kofferraum

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • Bei straffer Grundnote schluckfreudige Federung
  • Sehr gute Massagefunktion der Vordersitze (Option)
  • Geringe Windgeräusche
  • Seitenhaltstarke Sportsitze
  • Sparsam gepolsterte Sitzfläche im Fond

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • Kräftiger Motor mit guter mechanischer Laufkultur und angemessenem Verbrauch
  • Keine Handschaltung mehr
  • Gelegentliche Schaltrucke in „Sport“ und „Sport+“
  • Banaler bis bemühter Motorklang

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • Agiles, leichtfüßiges und sicheres Fahrverhalten
  • Traktionsprobleme
  • Kräftige Antriebseinflüsse
  • Spitz ausgelegte Lenkung

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • Standfeste Bremsen
  • Umfangreiche Assistenz
  • …mit funktionalen Mängeln

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • Niedriger Eco- und akzeptabler Testverbrauch

Vor- und Nachteile

Kosten
  • Angemessene Unterhaltskosten
  • Drei Jahre Garantie
  • Hohes Preisniveau

Fazit

In zweiter Generation fügt der Active Tourer den Grundtugenden eines nicht maximal geräumigen, aber freudvoll zu fahrenden Alltagspraktikers viele neue Features hinzu. Nicht alle sind wichtig.

Tabelle (techn. Daten)

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