Die schnelle S-Kurve hat der GTI mit der Stabilität eines Fisches im Wasser gerade durchfahren, da schaltet sich unerwartet eine Stimme aus dem Off ein. "In 13 Kilometern Falschfahrer auf der A 8." Das Digitalzeitalter verrennt sich auf der Landstraße.
Es ist nicht das einzige Mal, dass die Elektronik zwischendrin den doch so großen Fahrspaß stört. Nach dem Tanken fahren Bordcomputer und Infotainment erst im Schneckentempo hoch, dann murrt das System, dass der Ausparkassistent zurzeit nicht verfügbar sei. Und dass es einen Fehler mit dem Einparkassistenten gebe. VW preist diesen Wagen als ersten Golf GTI des digitalen Zeitalters an. Wir können nur sagen: Zum Glück für ihn vergeben wir für die Software-Plattform keine Punkte.
Die Erfahrung macht’s
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Es ist ja schön, wenn man komplizierte Dinge vereinfacht. Aber warum verkompliziert man das Einfache? Das kapiere ich nicht. VW verzichtet auf einen Schalter, um das ESP zu deaktivieren, den der BMW 128ti zum Glück noch hat. Stattdessen muss man sich in vier Schritten durch das Menü des Touchdisplays quälen, um die Fahrassistenz von ihren Aufgaben zu entbinden. Drücken, wischen, drücken, bestätigen: Da schießt die Digitalisierung am Ziel vorbei.
Aber jetzt genug gemäkelt. Es warten ein paar Kurven auf den GTI. Über die Lenkung wirft er sich in die erste. Die Sperre mäßigt das kurveninnere Vorderrad leicht, der Golf krallt sich den Scheitel, noch bevor er ins Untersteuern verfallen könnte. Mit Effet kurvt er herum, die Kräfte zerren ein wenig in der Lenkung, während der GTI schon wieder in die Beschleunigung übergeht. Was für eine Maschine! Ehe man sich’s versieht, fällt der Evergreen unter den Kompaktsportwagen über das nächste Verbindungsstück her.
In jeder Kurve, auf jeder Geraden wiederholt sich dieses Spektakel, das deshalb eines ist, weil der Golf durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist. Er spult sein Programm mit einer Präzision ab, dass einem schon das Herz aufgeht. Hier gipfelt Erfahrung aus über 45 Jahren in einem Kompaktsportwagen.
Sein Gegenüber muss sich in diesem Segment mit quer verbautem Vierzylinder und Vorderradantrieb erst noch zurechtfinden, nachdem BMW das Alleinstellungsmerkmal des 1er mit sechs Zylindern und Hinterradantrieb mit der Baureihe F40 aufgegeben hat. Das Kürzel hinter der Zahlenkombination reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. Diese Tradition verpflichtet, einem wie dem GTI auf Augenhöhe zu begegnen. Das klappt beim Fahrspaß auf der Landstraße, aber – so viel vorweg – nicht mal im Ansatz auf der Rennstrecke.
Im öffentlichen Raum erinnert die Vorstellung des 128ti an die Gepflogenheiten von Hyundai i30 N und Ford Focus ST: den Vorderbau auf Spur halten und mit dem Hintern durch die Kurve wackeln. Zumindest wenn er auf Winterreifen steht, was in Wintermonaten ja üblich ist. Dagegen wirkt das Heck des GTI in fast allen Lebenslagen wie festgeklebt.
Spaß auf Winterreifen im 128ti
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Und wie bewegt man den BMW zum Heckschwenk? Am einfachsten über die Bremse. Der Turismo Internazionale schießt auf die Rechtskurve zu, die sich um 180 Grad den Berg hinaufwindet. Du schaltest vom fünften Gang mit zwei Zupfern an der linken Lenkradwippe in den dritten runter. Dann verringerst du den Bremsdruck, sodass das Heck leicht wird, und lenkst ein. Was dann passiert, ist einfach zu handhaben. Der BMW stellt das Hinterteil an, ohne plötzlich auszubrechen. So hebelt es ihn temperamentvoll in die Kurve.
Damit sind die Reviere abgesteckt. Der VW fällt über Kurven her – ja er überrennt sie quasi mit seiner Energie, seiner Genauigkeit, seiner Zielstrebigkeit. Das Beste daran: Er lässt dich sofort wissen, wie er gefahren werden will – einfach reinstechen, schnell rausjagen, sodass immer Zug drin ist. Der BMW spielt stattdessen lieber. Er macht nicht direkt kurzen Prozess, sondern lässt den Fahrer die Kurven mehr auskosten. Er lenkt sauber und direkt ein – auch wenn sich die Lenkung dabei etwas teigig und künstlich anfühlt. Die Vorderachse beißt, wenn ihr nicht zu viel abverlangt wird, das Hinterteil tänzelt.
Im Vergleich zum Topmodell der Baureihe treibt der 128ti nur die Vorderräder an. Die Leistung fällt von 306 auf 265 PS, das maximale Drehmoment von 450 auf 400 Nm. Auf der anderen Seite jedoch speckt der Kleine mit den roten Wangen ab. Auf der Waage bleiben 1.477 Kilogramm – 75 weniger als der im Grundpreis fast 7.000 Euro teurere M135i xDrive aus sport auto 11/2019. Im Vergleich mit dem GTI (1.438 Kilo mit vollem Tank) hat er allerdings immer noch einige Pfunde zu viel auf den Rippen. Das merkt man in den Kurven. Und er kostet auch über 5.000 Euro mehr.
Der zwei Liter große Vierzylinder des BMW ist ein munteres Kerlchen, dem obenherum leider die Luft ausgeht. Sechster Gang, 80 km/h, rund 2.000 Touren: Der Motor lässt sich nicht lange bitten, trommelt schnell die 400 Newtonmeter zusammen. Der Zweiliter packt an und heizt die Stimmung an. Doch nur bis zu einer bestimmten Schwelle. So knapp nach 5.500 Touren kommt nicht mehr wirklich viel, die Leistungskurve flacht ab, sodass sich der BMW eher bis zum Begrenzer schleppt, als ihm entgegenzudrängen.
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In den oberen Drehzahlsphären hat der GTI dagegen mehr Durchhaltevermögen, mehr Pfiff. Ohnehin lässt sich der EA888 evo4 nicht lumpen. Einzig im mittleren Drehzahlbereich fehlt eine kleine Mini-Prise Drehmoment, was so aber nur im direkten Vergleich mit dem BMW wirklich auffällt.
Beide überzeugen durch ihre harmonische Leistungsentfaltung. Im Image-Sprint hat der BMW mit mehr Leistung und mehr Drehmoment die Nase vorn. In 6,1 Sekunden sprintet er auf Landstraßentempo – eine Zehntel schneller als der GTI mit DSG. Bis 200 km/h öffnet sich die Schere auf eine Sekunde.
Den Sound vernachlässigen beide. Mag am OPF zur Abgasnachbehandlung liegen. Sie scheinen sich lieber dem Lärmschutz zu verordnen, als mal frech aus der Abgasanlage zu tönen. Zumindest kommt innen kaum was rüber. Schade, denn es gehört eigentlich zum guten Ton unter den Kompaktsportwagen, auch mal zu spratzeln und zu brabbeln. Der GTI ploppt wenigstens unter Last aus den beiden Endrohren. Der 128ti dagegen verzichtet auf ein Akustik-Gewitter. Nur beim Motorstart räuspert er wenigstens zwei Mal aus der Abgasanlage. Hinzu kommt, dass die Achtgangautomatik derart feinverschliffen runterschaltet, dass man den Gangwechsel fast gar nicht bemerkt. Ein paar Zwischentöne würden der Perfektion die Langeweile nehmen. Zu so einem flotten Landstraßentänzchen gehört eigentlich Hintergrundmusik – und ein Handschalter würde dem BMW auch ganz gut stehen.
Vertrauen ab dem ersten Meter
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Wenigstens aber kann der Fahrer den Gang bestimmen, ohne dass die Automatik dazwischenfunkt. Beim GTI ist das nicht der Fall. Beim Kick-down des Gaspedals schaltet das Doppelkupplungsgetriebe automatisch runter und kurz vor dem Begrenzer eigenständig hoch. Auf dem Weg dahin knurrt der Motor im Innenraum – eingespielt durch einen Sound-Generator. Doch jetzt wieder rein in die Kurven, die der Wolfsburger wie am Fließband abarbeitet. Das Heck unterstützt zwar beim Richtungswechsel, verbittet sich aber quasi Lastwechsel, selbst wenn man den Gasfuß mal absichtlich stärker lupft. Mit anderen Worten: Der GTI ist ein Auto, in das man ab dem ersten Meter volles Vertrauen hat. Eines, das einem das Schnellfahren einfach macht, weil dieser Kompaktsportwagen wie auf Schienen durch die Kurve fährt.
Der GTI bewegt sich nur dann etwas mehr mit dem Heck, wenn sich mehrere Faktoren kombinieren: deaktiviertes ESP, Winterreifen, ein schmieriger und kalter Asphalt plus schärferes Einlenken. Ansonsten strebt er nach der Ideallinie – ohne Ausfallschritt, dafür mit maximalem Speed. Er vergisst die gute Kinderstube nicht, weil in ihm eben der Volkswagen steckt.
Mit diesen Tugenden würde er den 128ti auf der Rennstrecke abhängen. Warum Konjunktiv? Weil sich ihm auf der Fahrt von Stuttgart an den Hockenheimring eine Schraube in den Reifen bohrt. Damit fällt das direkte Aufeinandertreffen aus. Immerhin bleibt uns eine Referenz: der GTI mit Handschalter aus unserem großen Kompaktsportler-Vergleich (sport auto 1/2021 – 8 ° C Luft, 7 ° C Asphalt), der den Ring in einer Rundenzeit von 2.05,6 Minuten stürmte. Und sich dabei so glänzend aufgelegt zeigte wie auf der Landstraße. Der Golf ist einer, der Runde um Runde seine Performance abliefert. Genau da hakt es beim Gegner.
Das Kartenhaus fällt auf der Rennstrecke zusammen. Die M-Sport-Bremse, die auf der Landstraße noch Freude bereitet, versagt. Der 128ti erlaubt nur einen schnellen Versuch. Selbst eine langsame Bahn, um zu verschnaufen, reicht nicht aus, um die Bremse zurückzuholen. Im zweiten schnellen Anlauf übt das Bodenblech bereits eine magische Anziehungskraft auf das Bremspedal aus. Deshalb können wir für den BMW bei "Track" auch nur zwei Fächer-Segmente vergeben. Es hapert offenbar mit der Belüftung. Am Wetter lag es nicht.
Langsamer 128ti
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Und leider weiß der 128ti auch ansonsten wenig zu überzeugen. Je näher man dem Limit kommt, desto stärker drängt die Vorderachse ins Untersteuern. Ein Sperrdifferenzial ist zwar verbaut, doch das entfacht nicht einmal einen Placebo-Effekt.
Seinen Leistungsvorteil kann der BMW ebenfalls nicht ausspielen. Beim Schneiden der Randsteine kappt ihm das DSC – obwohl eigentlich abgeschaltet – einen Teil der Leistung. Die Drehmomentwelle, auf der man im Alltag so gut gleiten kann, flacht auf der Rennstrecke durch die hohen Drehzahlen leider auch ab. Unterm Strich fehlen ihm mit einer Rundenzeit von 2.07,2 Minuten 1,6 Sekunden auf die Rundenzeit des GTI mit Sechsgang-Handschalter. Auch die Kollegen Ford Focus ST und Hyundai i30 N sind eine ganze Ecke schneller als er. Ebenfalls zum kleineren Preis.
Sie vereinen beides, Rennstrecke und Alltagsgaudi, der 128ti nicht. Er ist deswegen leider auch nicht der Rebell, von dem das Marketing spricht. Immerhin lässt er sich vom Golf im Slalom nicht abschütteln. Da klebt er ihm am Heck und schlägt sich besser als der M135i xDrive (67,9 km/h).
Teurer Kamerad für Landstraßen
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Den BMW mit dem Traditionskürzel sollte man als einen Spielkameraden für die Landstraße verstehen. Das M-Sportfahrwerk legt ihn um einen Zentimeter tiefer. Die Stabis und die hoch vorgespannten Stabilisatorlager übernimmt er vom größeren Bruder. Dazu spendieren ihm die Entwickler härtere Federn und darauf angepasste Stoßdämpfer. Über das Menü lassen sich die Kennlinien für Lenkung, Motor und Getriebe einstellen. Zur Auswahl stehen "Comfort" und "Sport". Ohne Adaptivdämpfung muss der Fahrer mit einer gesunden Härte leben. Sein Gegenüber regelt die Dämpfung optional in 15 Abstufungen, was ihm zu mehr Komfort im Alltag verhilft.
Zurück in die härteren Stufen, die nächsten Kurven legen sich bereits wieder in die Landschaft. Der GTI beschleunigt unerbittlich aus der Haarnadel heraus. Diesmal bleibt selbst der netten Dame aus dem Off die Spucke weg. Kein Falschfahrer weit und breit.