Audi TTS Coupé im Supertest: Potenter Sportler mit einem Manko

Audi TTS Coupé im Supertest
Potenter Sportler mit einem Manko

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Genau jetzt, als der Audi TT S in die Ameisenkurve auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim einbiegt, steht das Thema für das nächste Mittagessen in der Redaktionskantine fest: Der neue Audi TT ist der erste Audi ohne "Audi-Lenkung". Wie jetzt? Audi, ohne Audi-Lenkung? Pardon, wenn Sie jetzt nur Bahnhof verstehen – bei mehr oder minder lauwarmer Kohlrabisuppe zur Mittagszeit fachsimpeln wir gerne mal. Glänzende Augen gab es bisher immer bei Porsche- und BMW-Lenkungen, bei vielen anderen Fabrikaten eher Stirnrunzeln.

Doch das Blatt wendet sich in letzter Zeit. Aus sportlicher Sicht überraschte zuletzt der Mercedes-AMG GT S mit seiner spitzen Lenkung, die sich sportlicher anfühlte als bei seinem Testgegner Porsche 911 Turbo. Egal ob R8, RS 5 oder TTS – bisher zählten sämtliche Audi-Lenkungen unter sportlichen Gesichtspunkten nicht zu unseren Favoriten. Entweder waren die Lenkwinkel zu groß und damit die Rückmeldung um die Mittellage zu indirekt, oder die Lenkung wirkte im "Dynamic"- Modus extrem überspitzt.

Letzteres fühlte sich vor allem in den Slalom-Disziplinen unseres Testprozederes immer synthetisch und unnatürlich an. Insgesamt spürte man, dass Audi krampfhaft den Spagat zwischen Sport und Alltag auf die Reihe bekommen musste. Und so prägte sich der eingangs erwähnte Gattungsbegriff der eher künstlich wirkenden "Audi-Lenkung".

Audi TTS überrascht mit präziser Lenkung

Umso größer ist die Verwunderung, als der Audi TTS die erste Kurve erstürmt. Großen Einfluss auf die Rückmeldung der elektromechanischen Progressivlenkung hat auch hier das serienmäßige Fahrdynamiksystem "Audi drive select". Per Knopfdruck kann zwischen den Modi "Comfort", "Auto", "Dynamic", "Efficiency" und "Individual" gewählt werden. Während die Kennlinie im Komfortmodus leichtgängig und damit sehr alltagstauglich ausgelegt wurde, überzeugt die Lenkung im sportlichen Dynamikmodus erstmals mit natürlich wirkender Linearität, angenehm straffen Haltekräften und Präzision um die Mittellage.

Präzision muss ein dick markiertes Wort im TTS-Lastenheft gewesen sein. Der Allradler glänzt nicht nur mit seiner für Rennstreckenbesuche nun sehr gut abgestimmten Lenkung, sondern auch mit beeindruckend neutralem Fahrverhalten im Grenzbereich. Egal ob schnelle, mittelschnelle oder langsame Kurven – der Neuling meistert den Kleinen Kurs ohne spürbares Kurveneingangs-Untersteuern, das beim Vorgänger noch moniert wurde.

Neutral, neutraler, Audi TTS

Damals musste dem Audi TTS mit bewusst eingestreuten Lastwechseln zu einem besseren Einlenk- und Eigenlenkverhalten verholfen werden. Heute fragt man sich im Frontmotor- Sportcoupé, was Lastwechselreaktionen noch einmal genau sind. Auf das Spiel am Gaspedal reagiert der TTS nur mit minimal eindrehendem Heck. Dank des neutralen Fahrverhaltens und der guten Beherrschbarkeit kann man den Grenzbereich so einfach wie in kaum einem anderen Sportler entern. Wer das als langweilig bezeichnet, sollte sich fragen, warum er im Winter heute mit taillierten Carving-Ski auf die Piste ausrückt und nicht mehr wie früher mit schnurgeraden Brettern die Hänge runterrutscht. Richtig: die Suche nach der perfekten Kurvenfahrt.

Beim TTS bedeutet das: Der Unterschied zwischen jeder Rundenzeit in Hockenheim liegt innerhalb einer Zehntelsekunde. Mit 1.14,4 Minuten deklassiert der TTS auf dem Kleinen Kurs nicht nur seinen Vorgänger (Supertest- Handschalter mit Michelin-Pilot- Sport-Bereifung: 1.16,1 min; S tronic mit Toyo-Proxes-T1-Sport-Bereifung: 1.15,5 min), sondern auch seinen größeren Vorgängerbruder TT RS (Supertest: 1.15,0 min).

Hervorragende Traktion und harmonischer Motor

Großen Anteil an dem deutlich messbaren Fortschritt hat die Zusammenarbeit des variablen Allradantriebs mit der Torque-Vectoring-Funktion namens "radselektive Momentensteuerung" (siehe Technik-Spotlight). Auch beim Herausbeschleunigen unter Last lässt sich der TTS mit hervorragender Traktion nicht von der Ideallinie abbringen. Das Adaptivsystem "Drive select" beeinflusst dabei nicht nur die bereits erwähnte Kennlinie der Lenkung, sondern auch den Allradantrieb, die Gasannahme, die Schaltstrategie der S tronic sowie die im Audi TTS serienmäßigen Adaptivdämpfer (Magnetic Ride).

Stichwort Fahrwerk: Das S-Modell liegt zehn Millimeter tiefer als die TT-Standardversionen. Speziell bei aktiviertem Dynamic-Modus und mit den aufgezogenen 20-Zoll-Optionsrädern stempelt der Audi TTS zwar im Alltag knochentrocken über Bodenwellen, doch für uns zählt in erster Linie der Grenzbereich. Auf der Rennstrecke verkneift sich der TTS auffällige Nick- und Wankbewegungen. Ebenfalls hilfreich zur Verbesserung der Fahrdynamik: Dank spezieller Material-Mischbauweise liegt der Fahrzeugschwerpunkt nun zehn Millimeter tiefer. Gegenüber dem Vorgänger wuchs der Radstand zudem um 37 Millimeter.

Auch wenn er auf dem Leistungsprüfstand nicht ganz das versprochene Leistungsplus von zuvor 272 PS auf nun 310 PS erreicht, passt der weiterentwickelte Reihenvierzylinder- TFSI so gut zum TTS wie süßer Senf zur Weißwurst. Drehmomentdellen und Turbolöcher sucht man hier vergebens. Sonor, aber nicht aufdringlich grollend puncht der Turbo über ein breites Drehzahlband bis zur Drehzahlgrenze bei 6.800/min. Bei den schnellen Hochschaltvorgängen mit der optionalen S tronic erinnert der Audi TTS mit sattem Auspuffploppen akustisch fast an seinen eigenen Markenpokal-Rennwagen, der im Audi Sport TT Cup seit dieser Saison für Spektakel im Rahmenprogramm der DTM sorgt.

Audi TTS kämpft mit spürbarem Fading der Bremse

Jetzt kommt aber das große ABER des neuen TTS. Mehr als vier schnelle Runden verdaut die Bremsanlage auf dem Kleinen Kurs nicht. Trotz Abkühlrunden zwischen den gezeiteten Runden wird der Bremspedalweg länger und länger – spürbares Fading tritt auf. Bereits beim TTS-Vergleichstest (sport auto 4/2015) fiel dies in Hockenheim auf. Der nahezu baugleiche Supertest-TTS bestätigt diese Problematik erneut.

Zwei Tage vor den Hockenheim-Runden stoppt er bei der Standardmessung mit zehn aufeinanderfolgenden Verzögerungen aus 100 km/h mit einem Bremsweg von 34,0 Metern noch einwandfrei. An der Dimensionierung dürften die auf der Rennstrecke aufgetretenen Probleme nicht liegen – vielmehr an einer unzureichenden Belüftung.

Nach einer längeren Kühlphase erholt sich die Bremsanlage von den Hockenheim-Strapazen zwar halbwegs, doch es folgt ja noch mit der Nordschleife das wichtigste Supertest-Kapitel. Nur damit keine falschen Eindrücke entstehen: Zwischen dem Besuch in Hockenheim und dem auf der Nordschleife lagen 14 Tage, in denen das Fahrzeug ausschließlich unter Alltagsbelastungen bewegt wurde. Kommen wir zur Nordschleife. Nach zwei lockeren Warm-up-Runden zeigt sich hier ein ähnliches Bild wie in Hockenheim.

Bremsprobleme verhindern bessere Rundenzeiten

Während auf der ersten Nordschleifenrunde die Bremsanlage noch halbwegs standfest verzögert, wird auf der zweiten Ringrunde das Bremspedal bereits beim Anbremsen auf die Arembergkurve wieder länger. Wehrseifen, Breidscheid, Bergwerk – die richtigen Herausforderungen für eine Bremsanlage auf der Nordschleife kommen ja erst noch. Bereits beim Anbremsen auf die Brücke in Breidscheid wird das Pedal extrem lang.

Nach dem unter Volllast durchfahrenen Lauda-Linksknick wird im TTS aus 189 km/h hart auf die Bergwerk-Kurve angebremst. Jetzt steht das Bremspedal auf dem Bodenblech. Noch unangenehmer: Die im frischen Bremszustand hervorragende ABS-Regelung funktioniert unter den geschilderten Bedingungen nicht mehr einwandfrei. Jetzt just beim Anbremsen auf den Streckenabschnitt Bergwerk verhärtet das Bremspedal und der TTS nimmt sich eine Gedenksekunde, bevor die Verzögerung eintritt. Ein weiteres Phänomen: Die Bremskraft setzt unter diesen thermischen Belastungen nicht gleichmäßig, sondern an allen vier Rädern unterschiedlich stark ein. "Bremsbelag: Verschleißgrenze erreicht" meldet das Kombi-Instrument – nach 2.409 Testkilometern verlangt der TTS nach einem unplanmäßigen Boxenstopp, der in Ingolstadt eingelegt wird. Dort gibt es neue Bremsbeläge und -scheiben sowie frische Reifen.

Fünf Tage später findet das verschobene Finale auf der Nordschleife statt. Nach einer 60-Prozent-Einrollrunde folgt endlich die schnelle Zeitrunde. Doch Freude angesichts des weitgehend neutralen Fahrverhaltens und der einfachen Fahrbarkeit will auch diesmal auf der Nordschleife nicht aufkommen. Trotz frischer Bremsanlage macht sich die thermische Belastung auf der schnellen Runde erneut mit den bereits geschilderten Symptomen bemerkbar. Mit einer Rundenzeit von 8.15 Minuten ist der neue TTS zwar 14 Sekunden schneller als sein Vorgänger, doch mit einer standfesten Bremse wäre ein noch schnellerer Ritt über den Ring sicherlich möglich gewesen.

Audi TTS: Technik-Spotlight

Auf der Rennstrecke glänzt der TTS dank Allradantrieb mit weiterentwickelter Haldex-Kupplung und Torque-Vectoring-System ("radselektive Momentensteuerung") auch beim Herausbeschleunigen unter Last mit hervorragender Traktion. Anders als beim Vorgängermodell lässt sich die ESC-Funktion komplett deaktivieren. Im Hintergrund helfen auch bei abgeschaltetem ESP minimale Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern mit, um das Einlenkverhalten zu verbessern. Das überschüssige Drehmoment gelangt dadurch an das jeweils gegenüberliegende Rad. Dank der Differenz der Vortriebskräfte dreht sich der TTS ganz leicht in die Kurve ein. Das System ist so perfekt abgestimmt, dass im Grenzbereich keine Regeleingriffe spürbar sind. Auch Fans von mechanischen Sperren (so auch der Supertester) müssen das hier lobend anerkennen.

Technische Daten
Audi TTS Coupé
Grundpreis53.300 €
Außenmaße4191 x 1832 x 1343 mm
Kofferraumvolumen305 bis 712 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung228 kW / 310 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,8 s
Verbrauch6,7 l/100 km