Der Elektromobilität gehöre die Zukunft, heißt es. Doch bei dem Hype um die vermeintlich saubere Technik stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich schon jetzt besser ist als der skandalgeplagte Diesel. Deshalb treten hier die gar nicht so ungleichen Audi-Brüder e-tron 55 und Q8 50 TDI zum Vergleich an.
Obwohl das Platzangebot bei einem Oberklasse-SUV kein Problem sein sollte, bringt der als reines Elektroauto konstruierte e-tron konzeptionelle Vorteile mit. Tatsächlich benötigen die zwei Asynchron-Maschinen an Vorder- und Hinterachse vergleichsweise wenig Bauraum, und der Akku verschwindet ebenfalls platzsparend im Fahrzeugboden. Das Ladekabel steckt in einem Fach unter der Fronthaube, das jedoch nur mit der umständlichen Haubenentriegelung erreichbar ist.
Der Kofferraum im Heck kommt ohne doppelten Ladeboden aus, fasst aber 55 Liter mehr als der des Q8, obwohl dieser rundum einige Zentimeter mehr misst. Zudem lassen der fehlende Kardantunnel, die vielen großen Ablagen und der kastenförmigere Aufbau den E-Audi innen luftiger wirken.
Allerdings sitzen die Fondpassagiere im coupéhaft geschnittenen Q8 auf dessen verschiebbarer Bank samt variabler Lehne noch bequemer. Sind die Fondsitzlehnen flach gelegt, stehen 30 Liter mehr Maximalvolumen (1.755 Liter) sowie eine um 88 Kilogramm höhere Zuladung zur Verfügung. Dazu darf das in Drachenorange lackierte SUV-Coupé mit 2.800 Kilogramm eine glatte Tonne mehr an den Haken hängen.
Zwei Welten in Bewegung

Womit wir beim Fahrerlebnis sind. Bis der Q8 mit dem Dreiliter-Diesel tatsächlich losfährt, braucht es zunächst viel Geduld. Der nach Euro-6d-Temp abgasarme Sechszylinder entwickelt beim Start eine mehr als ausgeprägte Anfahrschwäche. Rollt der Q8 dann einmal, ist das schnell vergessen. Die 286 PS sowie glatte 600 Newtonmeter Drehmoment liegen früh an und haben wenig Mühe mit dem leer bereits 2,3 Tonnen schweren SUV-Coupé. Dazu federt der mit Luftfahrwerk und Wankausgleich bestückte Testwagen auf ramponierten Straßen selbst mit 22 Zoll großer Optionsbereifung noch komfortabler als der ebenfalls luftgefederte E-Tron mit 20- Zoll-Rädern.
Wer will, kann mit dem zwei Meter breiten Dieseldampfer sogar richtig Spaß haben: Mit optionaler Allradlenkung kurvt er recht behände ums Eck, schiebt weniger über die Vorderachse als sein E-Bruder und vermittelt über Lenkung und Bremspedal eine gute Rückmeldung. Dabei bieten die vielfältig elektrisch einstellbaren Sportsitze mit Massagefunktion neben gutem Seitenhalt auch genügend Komfort auf langen Distanzen. Das 85-Liter-Reservoir ermöglicht über 1.200 Kilometer Reichweite ohne Tankstopp, denn auf der betont sparsam gefahrenen Eco-Runde begnügte sich der Q8 TDI mit 6,9 Litern Diesel auf 100 Kilometern.
Nicht mal ein Drittel davon schafft der e-tron mit vollem 95-kWh-Akku bei gleich zurückhaltender Fahrweise. Wobei 380 Kilometer Reichweite für ein E-Auto schon bemerkenswert sind, zumal sein Stromverbrauch von 24,8 Kilowattstunden pro 100 Kilometer umgerechnet lediglich rund 2,5 Litern Diesel entspricht. Wer gern zügig fährt, kann diesen Wert jedoch auch verdoppeln – das maximale Reisetempo ist auf 200 Kilometer pro Stunde begrenzt (Q8: 245 Kilometer pro Stunde). Dann heißt es, rasch eine der noch raren Schnellladesäulen ansteuern, wo bis zu 150 Kilowatt Strom durch die flüssigkeitsgekühlten CCS-Ladekabel fließen. Ist der Akku nach rund 30 Minuten zu 80 Prozent gefüllt – ab hier reduziert sich die Ladeleistung, um die Batteriezellen zu schonen –, kann es weitergehen.
Spurtstarker e-tron
E-Auto-typisch reagiert der Allradler unmittelbar auf Fahrpedalbefehle. Allerdings fühlt sich das wegen der perfekt abgestimmten Leistungselektronik und der sehr guten Dämmung weniger brachial an als in anderen E-Autos dieser Leistungsklasse. Den Null-auf-100-Sprint entscheidet der E-Tron mit unter sechs Sekunden (Q8: 6,5 Sekunden) zwar knapp für sich, doch die volle Leistung von 408 PS und 664 Newtonmeter wird nur im Boost-Modus mobilisiert. Dauerhaft stehen lediglich 360 PS und 561 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung.
Auch deshalb kann der E-Tron auf Landstraßen nicht ganz mithalten, und sein nochmals höheres Leergewicht (2.599 Kilogramm) ist in Kurven trotz niedrigen Schwerpunkts durch den 700 Kilogramm schweren Akku im Wagenboden deutlich spürbar. Hinzu kommt eine Lenkung, die zu den gefühllosesten gehört, die Audi-Ingenieure jemals konstruiert haben.
Doch selbst daran kann man sich gewöhnen, zumal der E-Tron den Fahrer ohnehin stets zum Energiesparen animiert. So signalisiert er frühzeitig, wenn man sich Ortschaften nähert, es kurvig wird oder bergab geht. Die hydraulische Bremse wird dabei kaum gefordert, da sich rund 90 Prozent der Entschleunigung per Rekuperation mit einer Verzögerung von bis zu 0,3 Gramm bewerkstelligen lässt. Der Clou ist aber, dass die verschiedenen Systeme harmonisch zusammenwirken und durch die vielen Assistenzen fast ohne Zutun des Fahrers funktionieren. Das dürfte für einige Kunden genauso gewöhnungsbedürftig sein wie die Touchscreen-basierte Bedienphilosophie in beiden Modellen.
Bleibt noch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des E-Tron. Den höheren Grundpreis kontert er mit einem höheren Wiederverkaufswert sowie niedrigeren Unterhalts- und Kilometerkosten (siehe Tabelle unten), doch das Hauptargument bleibt die größere Umweltschonung im Alltagsbetrieb.

Unterhaltungskosten
Trotz Startproblemen mit Zulassungsbehörde und Rückrufaktion ist die Nachfrage nach dem e-tron weiterhin so enorm, dass Audi den Verkauf nicht mit Nachlässen ankurbeln muss. Wegen des Grundpreises von über 80.000 Euro gibt es zudem keine E-Auto-Beihilfe von Staat und Hersteller – erst nächstes Jahr bringt Audi eine förderfähige Basisvariante. Vergleichbar ausgestattet ist der Stromer zwar einige Tausend Euro teurer als der Q8, doch Wartung, Steuerbefreiung und der geringere Wertverlust lassen ihn im Unterhalt günstiger fahren. Richtig lohnt sich der e-tron für Dienstwagenfahrer, denn durch die 0,5-Prozent-Regelung halbiert sich der monatliche Eigenkostenbeitrag bei E-Autos. Auch die elektrischen Betriebskosten kann der Diesel in der Regel nicht unterbieten. Wichtig in diesem Zusammenhang: Strompreise schwanken regional stärker als die für Diesel. Zudem geht häufiges Schnellladen richtig ins Geld. Wer dagegen eigenen Solarstrom oder beim Supermarkt den Gratisstrom nutzt, fährt noch mal billiger. Unserer Rechnung liegen Kilowattstunden-Preise von 29 Cent zugrunde. Wer bevorzugt an Schnellladesäulen tankt, muss in unserem Beispiel mit 39 Cent rechnen (siehe Energiekosten in der Tabelle).
Audi e-tron 55 quattro Advanced | Audi Q8 50 TDI Quattro | |
Grundpreis | 82.950 € | 81.400 € |
Außenmaße | 4901 x 1935 x 1629 mm | 4986 x 1995 x 1705 mm |
Kofferraumvolumen | 658 bis 1725 l | 605 bis 1755 l |
Hubraum / Motor | 2967 cm³ / 6-Zylinder | |
Leistung | 210 kW / 286 PS bei 3500 U/min | |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 241 km/h |
0-100 km/h | 5,8 s | 6,5 s |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km | 7,1 l/100 km |
Testverbrauch | 9,0 l/100 km |