Audi A8 50 TDI Quattro im Test

Audi A8 50 TDI Quattro im Test
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Autonom in der Oberklasse? Level 3 muss warten!

Ingeniös und hochwertig sind die Audi-Typen ja schon seit Langem. Doch so zukunftscool wie der neue A8? Kaum. Wir testen, ob er mehr ist als ein rollendes Smartphone mit 286 PS und Touchflächen.

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In den 60er-Jahren hätte der neue Audi A8 ein Problem gehabt. Warum? Na ja, im späten Wirtschaftswunder gab es nur eine Richtung: aufwärts. Und das Auto als Fahrtrichtungsanzeiger des Wohlstands. Nach Karrieresprung, Gehaltserhöhung und/oder eisernem Sparen bog Vati mit dem neuesten Modell in die Siedlung ein, wo sich flugs die Goldkantengardinen bewegten. Sichtbare Modellwechsel als Jahresringe des Lebens. Tja, und da hätte der A8 in Generation vier jetzt ein kleines Problem. Er sieht einfach aus wie ein großer Audi und seinem Vorgänger so ähnlich, dass markenunkundige Nachbarn den Wechsel nicht bemerken würden.

© Hans-Dieter Seufert

Die OLED-Rückleuchten und die durchgehende Leiste unterscheiden Nummer vier vom Vorgänger.

Tür auf, Staunen

Das ist 2018 kein Problem, schließlich kommt es heute manchem gelegen, wenn nicht jeder das automobile Upgrade bemerkt. Ergo: Audi, alles richtig gemacht. Außen Konstanz bewahrt mit fettem Markenkühlergrill bei ansonsten sachlicher Gestalt.

Und innen? Tür auf und staunen, während die LED-Lichtspiele starten. Selbst Traditionalisten, die sich gelegentlich ein Spritzerchen 102 Oktan hinters Ohrläppchen tupfen, sind sprachlos. Strenge, horizontale Architektur, Berührungsbildschirme neben schwarzem Glanzkunststoff sowie die konsequente Reduktion von Tasten und Reglern schicken selbst Gestrige Richtung Zukunft.

Klopf, klopf. Nun ja ...

Immerhin, den guten alten Lautstärkeregler gibt es noch. So richtig zum Drehen, mit geriffeltem Rand und mechanischem Rasten. Etwas, auf das man bei Audi stolz ist, seitdem sich die Marke Richtung Premium drehte, dem Establishment zeigte, wie Solidität geht. Bei diesem Thema haben sie in Ingolstadt ein klitzekleines bisschen Gas rausgenommen: Die Alu-Dekorleiste am Armaturenbrett könnte weniger hohl auf den Klopftest reagieren, Walzen und Tasten am Lenkrad aus Metall statt Kunststoff bestehen, die Mittelarmlehne solider geführt sein. Testerkrittelei – damit Sie nicht denken, wir hätten nicht genau hingeguckt.

Ansonsten: große Klasse, das Interieur des rund 130.000 Euro teuren Testwagens mit seinen griffigen Lederbezügen, Alcantara-Tapezierungen und offenporigen Holzdekors. Die Passungen sitzen toleranzarm, die Oberflächen fühlen sich so gut an, wie sie aussehen. Prüfende Fingerkuppen dürfen sogar weit aus dem Sichtbereich rauswandern, ohne Schwächen zu erfühlen.

Stichwort Oberflächen: Dreh-Drück-Steller und Co. sind Geschichte, der A8-Besitzer toucht und schreibt mit spitzen Fingern auf Displays herum. Nicht auf irgendwelchen, nein, sondern in Glasoptik und rückmeldend. Auf Federn gelagert bewegen sie sich bei entsprechendem Druck per Elektromagnet um Haaresbreite. Buchstäblich. Dazu wird ein passender Ton eingespielt. Also auch nicht viel einfacher als früher – dafür putz-intensiver. Fingerabdruck-Phobikern droht beim vergeblichen Sauberhalten die Klapsmühle.

© Audi
Neuer Audi A8 (2017) Daten, Technik und Fahrbericht der Generation D5

Bedienung? Logisch

Andererseits läuft die komplexe Bedienung bis hin zur individuellen Ge-staltung der Ambientebeleuchtung oder der Assistenzfeatures gut – nicht zuletzt dank verständlicher Einzelmenüs und eindeutiger Beschriftungen, wenngleich mit teils etwas fummelig animierten Schiebereglern, die sich mittlerweile bis zur Steuerung der Lüftungsdüsen etablierten. Wir empfehlen allerdings, sich erst mal in Ruhe mit dem stehenden A8 warm zu spielen, denn anders als bei mechanischen Reglern, die auch mäßig Begabte ohne hinzusehen bedienen, erfordert das Touchen beim Fahren Aufmerksamkeit.

Und zu ertouchen gibt es eine Menge. Zum Beispiel die Einstellung des Komfort-Individualkontursitzes (dessen Name Programm ist). Vor, zurück, Lehne und Massage geht konventionell an der Sitzkonsole, für den Rest muss man ins Menü. Was sich lohnt, denn nach Abschluss der persönlichen Konfiguration integriert der A8 seine Passagiere gekonnt – weder thronig noch zwickig. Das gilt für vorn wie für hinten, denn auch der Fond bietet ordentlich Platz und bequeme Polster. Gegen Aufpreis können sich Kunden der Langversion einen Liegesitz hinten rechts installieren lassen, der ihnen auf der Rückseite des dazugehörigen Vordersitzes die Füße wärmt und massiert. Einfache Deckenleuchten sind ebenfalls passé, der A8 prunkt mit Matrix-LED, also je sieben per Tablet steuerbaren Einzelelementen.

Sie haben recht, es reicht, Zeit zum Losfahren. Startknopf drücken, Wählhebel ziehen und ab. Der drei Liter große V6-TDI grummelt bei wenig Last entfernt vor sich hin, schiebt den 2,1-Tonner mit der gebotenen Autorität von 286 PS und 600 Newtonmetern an. Warum er A8 50 TDI heißt? Das hat nichts mit Hubraum oder PS-Leistung zu tun. Zukünftig bezeichnet Audi seine Modelle unabhängig von der Antriebsart mit Leistungsbereichen in Kilowatt. Die 50 steht beispielsweise für 210 bis 230 kW. Alles klar? Egal wie, die Fahrleistungsmessungen passen jedenfalls: null auf hundert in sechs Sekunden.

© Hans-Dieter Seufert

Geräumig, leise und mit bequemen Polstern umsorgt der A8 seine zweite Reihe erster Klasse.

Vom Charakter eher sahnig als holzig, unterstützt den TDI die bekannte ZF-Achtgangautomatik, die sich Audi tendenziell eher komfortabel als staubtrocken applizieren ließ. Zumindest softet der Antriebsstrang strenge Gaspedalkommandos gern etwas ab, vermeidet harsche Reaktionen. Selbst im Sportprogramm verkneift sich der Automat knochentrockene Doppelkuppler-Simulation oder nerviges Geruckel beim Langsamfahren oder Sporteln – als ob er sagen wollte: Ich habe einen Wandler, na und? Zudem kriecht er gekonnt durch den Stau, wechselt die Stufen beim Beschleunigen unauffällig wonneweich, trifft die richtige Übersetzung und unterstützt das antriebsfreie Rollen zwischen 55 und 160 km/h. Zum sogenannten Segeln spendierte Audi extra eine elektrische Ölpumpe für Gangwechsel auch bei ausgeschaltetem Motor.

48 Volt und Quattro

Dabei nutzt der A8 sein 48-Volt-Bordnetz samt Riemenstarter-Generator und Lithium-Ionen-Batterie (10 Ah), das ihn zum sogenannten Mild-Hybrid macht, also ohne Extra-Stromboost auf die Antriebsräder. Ein echter Plug-in-Hybrid folgt. Bereits jetzt und serienmäßig sind im A8 alle vier Räder angetrieben (Grundverteilung 40 : 60), gegen Aufpreis greift ein Sportdifferenzial durch gezielte Momentzuteilung an die Hinterräder bei Bedarf ins Handling ein.

Ins Handling eingreifen? Ein Fall für die Lenkung, die sich nie auffällig einmischt, gekonnt zum ausgewogenen Gesamteindruck beiträgt. Weder ölig-limousinig noch sportlich-spitz konzentriert sie sich auf das, was sie soll: einfach bloß lenken – selbst in der optionalen Variante mit Allradlenkung. Klasse, wie leicht sich der 5,17-Meter-Apparat positionieren lässt – ganz gleich ob in schnellen Kurven oder engen Baustellen. Was natürlich nichts an den tatsächlichen Abmessungen ändert, die von den mitlenkenden Hinterrädern jedoch ein wenig kaschiert werden. Etwa beim Rangieren per virtueller Radstandsverkürzung, die den Wendekreis um etwa einen Meter reduziert. Bei höheren Tempi erhöht sie gleichsinnig lenkend die Stabilität.

© Hans-Dieter Seufert

Die Dynamiktests hakt der allradgelenkte 2,1-Tonner lässig ab, bremsen kann er wie ein Sportwagen.

Thema Stabilität und damit Auftritt fürs Fahrwerk, wenn auch nicht die erstmals angebotene vollaktiv und elektromechanisch arbeitende AI-Aktiv-Variante. Je nach Fahrerwunsch und Fahrsituation könnte sie jedes Rad separat über elektrische Aktoren be- oder entlasten und damit den Aufbau aktiv und optimal regeln. Beim drohenden Seitenaufprall höbe sie die Karosserie auf der Crashseite um acht Zentimeter an, böte dem Unfallgegner damit den stabilen Unterboden samt Schweller statt die weiche Flanke an.

Bremst wie ein M3

Hätte, könnte, würde – im Testwagen muss es das Serienfahrwerk mit Luftfederung und Adaptivdämpfern richten. Problem? Nö, im Gegenteil: Es hält die Karosserie auch bei dynamischer Fahrweise ruhig, lässt die passende Menge an Bewegung zu, unterbindet Nachschwingen ebenso wie allzu harsche Stöße. Okay, kurze Knüffe auf Flickstellen und Querfugen in Verbindung mit dezentem Poltern kommen stets durch, doch sanfte Flauscher waren die großen Audi eh nie, und Nummer vier folgt konsequent dieser Tradition.

Wie Antrieb und Lenkung wurde die Federung einfach sauber abgestimmt, ohne effektheischenden Charakter in weder die eine noch die andere Richtung, wozu auch die stimmige Spreizung der Modi zwischen Komfort und Sport passt. Der Fahrer wird in jeder Situation angenehm mit der Straße verbunden, fühlt sich stets als Fahrer, nie als Passagier. Obwohl der A8 flüsterleise, flitzeschnell und reichweitenstark den ICE-Konkurrenten gibt, wenn nötig flott durch die Pylonen des Fahrdynamiktests zischt oder auf dem Niveau eines BMW M3 verzögert. MfG nach Garching.

Rundum assistiert

Dabei soll er seinen größten Aufschlag ja beim Thema Assistenz mit bis zu 40 Systemen (die unter anderem auf Abbieger, Radfahrer und Querverkehr achten) hinlegen. Obwohl er sein Level-3-Bukett inklusive AI-Staupilot voraussichtlich nicht vor 2019 entfalten darf – ein zeitweises Daherpilotieren klappt jetzt schon.

Novizen fühlen sich durchaus autonomisiert, wenn sie ihr Auto geschwindigkeitsregelt, ans aktuelle Tempolimit oder an die Streckenführung angepasst durch die Gegend chauffiert. Das Ganze mit aktiver Spurhaltung, die jedoch einen etwas ruckeligen statt homogen-geschmeidigen Eindruck vermittelt. Außerdem hat der A8 manchmal Probleme, die Randmarkierungen zu erkennen, oder entschuldigt sich für die partielle Abschaltung von Sensoren.

© Audi
AI-Staupilot im Audi A8 Autonom fahren im Stau, so läuft´s

Erfreulicher: die hervorragenden LED-Matrix-Scheinwerfer mit blendfreiem Fernlicht, das Geraden, Kurven und Kreuzungen hell und gleichmäßig ausleuchtet (unter Mithilfe der Navi-Daten), den Gegenverkehr dabei vor Blendung verschont und das Thema Reichweite mit seinem zusätzlichen Laserlicht wegbeamt. Derweil sprachsteuert der Pilot diverse Funktionen, kann etwa die Temperatur anpassen oder Anrufe vorbereiten lassen, während er der vorher ans Auto geschickten Route samt den effizienzerhöhenden Tipps auf seinem TFT-Tacho folgt.

Etwas enttäuschend: der Klang der 6.500 Euro teuren Bang-&-Olufsen-Anlage. Zwar versucht sie sich auch im Fond an luftigem Raumklang mittels spezieller Lautsprecher, doch so richtig mitreißend gelingt das nicht, weder bei klassischem noch peppigem Musikmaterial. Immerhin dockt das Smartphone problemlos an, wohnt platzsparend in der Mittelkonsole, wo es induktiv lädt und Freisprechen auf Topniveau ermöglicht.

Wird der A8 nun zum rollenden Smartphone? Klares Jein: Trotz moderner Optik und Bedienung wird die Revolution vertagt. Dafür bietet er neben jeder Menge Assistenzen standesgemäßen Komfort und sogar einen Hauch Dynamik in der Luxusklasse. Was dann doch Grund gäbe für eine kleine La Ola hinter den Goldkantengardinen.

Vor- und Nachteile

Karosserie
  • gutes Raumangebot vorne und hinten
  • insgesamt hochwertige Verarbeitung ergonomische Sitzposition
  • logische Menüstruktur
  • Touchbedienung teils unpraktisch und während der Fahrt ablenkend
  • Top-Soundsystem enttäuscht

Vor- und Nachteile

Fahrkomfort
  • komfortable Federung
  • hervorragende Sitze
  • niedriges Geräuschniveau
  • angenehme Klimatisierung
  • etwas poltriges Abrollen

Vor- und Nachteile

Antrieb
  • insgesamt kultivierter V6-Dieselmotor
  • geschmeidige Automatik gute Fahrleistungen

Vor- und Nachteile

Fahreigenschaften
  • präzise Allradlenkung
  • hohe Fahrsicherheit
  • makellose Traktion
  • stimmige Fahrmodi

Vor- und Nachteile

Sicherheit
  • zahlreiche Assistenzen
  • hervorragendes Optionslicht
  • sehr gute Verzögerungswerte
  • Assistenzen zeitweise außer Funktion

Vor- und Nachteile

Umwelt
  • Getriebe mit zielführender Schaltstrategie
  • effizienzsteigernde Maßnahmen wie Rollphasen mit abgestelltem Motor
  • für die Fahrzeugklasse relativ niedriger Verbrauch

Vor- und Nachteile

Kosten
  • teure Extras

Tabelle (techn. Daten)

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